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Der Leo fährt mal wieder seine Krallen aus

Für die einen Trash, für die anderen sexy: Bei keinem anderen Muster gehen die Meinungen derart auseinander. Und doch verfolgt der Leo seit Jahren mit großer Beharrlichkeit seine Karriere. Warum ist Leo gerade jetzt wieder modisch dran, fragt Sabine Spieler.
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Sabi­ne Spie­ler

Wäh­rend gera­de in die­sem Früh­jahr Blu­men­mus­ter, Gra­phics, ja selbst Strei­fen eher ein küm­mer­li­ches Dasein fris­ten, weil alle Uni tra­gen möch­ten, ist Leo mal wie­der das ein­zi­ge Des­sin, das rich­tig dick auf­trägt:  Tik­Tok und Insta­gram sind voll damit. Stars wie Rihan­na oder Mary-Kate Olsen tra­gen über­gro­ße Faux-Fur-Män­tel mit Leo-Print, und Hei­di Klum geht gleich aufs Gan­ze mit Leo-Look von Kopf bis Fuß. Die Leo-Jeans wird schon jetzt als „It-Pie­ce des Jah­res“ gehan­delt.

Doch im Unter­schied zu den Jah­ren davor trägt man 2024 den Leo-Look nicht mehr figur­nah und tus­sig, son­dern läs­sig, etwa in Form eines Over­si­zed-Man­tels, einer locker geschnit­te­nen Hose oder einem coo­len Bucket Hat. Dazu wer­den beson­ders ger­ne Mary-Janes-Bal­le­ri­nas kom­bi­niert, die eben­falls wie­der ihr Come­back in der Mode fei­ern oder aber coo­le Boot­ies. Ganz nach dem Mot­to: Bloß kei­ne Heels!

Der Leo-Trend passt zur aktu­el­len „Mob Wife“-Ästhetik, die sich am lau­ten, pla­ka­ti­ven, mit­un­ter tra­shi­gen Stil von Mafio­si-Ehe­frau­en ori­en­tiert und im kras­sen Gegen­satz zu Quiet Luxu­ry steht – der mini­ma­lis­ti­sche Trend ohne Protz und Logo, der letz­tes Jahr durch die Medi­en ging. Mob Wives tra­gen Pelz-Män­tel, rie­si­ge Son­nen­bril­len, schwe­ren Schmuck, XXL-Desi­gner­ta­schen – und eben Leo-Mus­ter.

In jedem Fall handelt es sich beim Leo um ein lebensbejahendes Muster

Es ist nicht das ers­te Mal, dass sich der tie­ri­sche Print mit vol­ler Kraft zurück­mel­det. Seit Jahr­zehn­ten sind Frau­en und Mode­de­si­gner von den braun­schwar­zen Fle­cken des Leo­par­den­fells fas­zi­niert. Sei­nen ers­ten gro­ßen Auf­tritt hat­te der Leo in den 1930er Jah­ren, als Hol­ly­wood­stars wie Mar­le­ne Diet­rich Klei­der, Män­tel und Hüte im besag­ten Mus­ter trug.

In den 1970er Jah­ren bewies Yves Saint Lau­rent mit sei­ner legen­dä­ren Safa­ri-Kol­lek­ti­on, wie cool das Des­sin aus­se­hen kann. Für Frau­en wie Nina Hagen wur­de Leo in den 1980ern zum Sym­bol der Rebel­li­on gegen Anpas­sung und guten Geschmack. In den Nine­ties ergat­ter­te sich der tie­ri­sche Druck sogar einen Stamm­platz am König­li­chen Hofe: Lady Di war beken­nen­der Leo-Fan. Bei Mar­ken wie Dol­ce & Gab­ba­na, Marc Cain und Joop! ist das ani­ma­li­sche Mus­ter bis heu­te Teil der DNA.

Mög­li­cher­wei­se ist sei­ne aktu­el­le Popu­la­ri­tät der aktu­el­len poli­ti­schen und gesell­schaft­li­chen Lage geschul­det. Für die New Yor­ker Autorin und Akti­vis­tin Jo Wel­don, die über die Geschich­te des Leo­par­den­mus­ters ein Buch geschrie­ben hat, könn­te es ein Indiz dafür sein, dass Frau­en sich in her­aus­for­dern­den Zei­ten stark füh­len wol­len und des­halb anzie­hen wie für einen Kampf.

Das mag für man­chen dras­tisch klin­gen. In jedem Fall han­delt es sich beim Leo um ein lebens­be­ja­hen­des Mus­ter von Tie­ren, die nicht harm­los, son­dern wild, unbe­re­chen­bar und Aus­druck maxi­ma­ler Frei­heit sind. Viel­leicht ist es genau die­se Sehn­sucht, die der Leo-Print in uns weckt.