Wie singt Harry Styles so treffend: „We never learn, we’ve been here before“. Diese Zeile aus „Sign of the Times“ trifft auf vieles zu im Leben, passt aber vor allem perfekt zur nie endenden Technologie-Gläubigkeit von uns Menschen, oder?
Denn wie bei sozialen Medien und deren tiefgreifender Wirkung auf, äh, ALLES, ist beim Thema künstliche Intelligenz die Pandora-Büchse längst offen und in die Welt hinein geleert. Die Folgen? Who knows. Klar, auch beim gedruckten Buch fiel einst das Wort Hexenwerk und ganz so übel kam es dann nicht. Nur konnte das Buch eben nicht (fast) von selbst neue Bücher schreiben. AI schon.
Nicht nur als Kreativberufler drängt sich die Eingangsfrage deswegen definitiv auf. Um dann rasch mit laut aufgedrehter Musik (mit KI-Texten?) vertrieben zu werden. Natürlich habe ich unseren Hund schon mal im Rembrandt-Stil malen lassen, ein Interview per ChatGPT in den Duktus von Winston Churchill umgemünzt und anderen Quatsch in die Prompt-Box gezergelt. Wäre ich nicht neugierig, müsste man mir schließlich sofort den Presseausweis abnehmen. Die gesellschaftlichen, politischen, ökonomischen und kriminellen Folgen solcher Innovationen? Wir werden es wohl erleben müssen, um dann, vielleicht, halbherzige Restriktionsversuche zu unternehmen. So wie immer.
Bis dahin gilt wohl everything goes. Schon jetzt starten Musikproduzenten, sich erste Songideen und ‑texte aus dem Computer zu ziehen. In Modeateliers werden Druckmotive ratzfatz vom Chip generiert oder gleich ganze Figurinen skizziert. Wozu noch in staubige Archive steigen. News-Meldungen, Drehbücher, PR-E-Mails … Alles easy outsourcebar. Rein technisch gesprochen.
Reicht bei solch dystopischen Szenarien der Trost, dass die Super-Tools für ihre „Geistesblitze“ schlussendlich doch nur remixen, was uns archaischen Kreaturen so alles aus der Hirnrinde purzelt? Dass Kollege Roboter halt vieles nur eben nicht originell ist? Wann fällt uns auf, dass wir die neue Netflix-Serie irgendwie schon mal gesehen haben, den Chartstürmer bereits gehört und das Gemälde in der Galerie zu kennen glauben? Wann versiegt der globale Stehsatz, aus dem sich die bots bedienen, weil kein Autor, Fotograf, Illustrator, bildender Künstler oder Journalist von neuen Werken mehr leben kann? Vermutlich merkt das zunächst keiner, schließlich bleibt bei einem Streik, in Hollywood auch nicht gleich der Fernseher schwarz.
Wenn AI uns austauschbarer macht, dann müssen wir dem Roboter das entgegensetzen, was er niemals wird lernen können: Geschmack, Stilempfinden, Freude daran, sich todschick zu fühlen.
Aber irgendwann füllen dann Wiederholungen von „Seinfeld“ oder „Cheers“ die Leere, von mir aus auch von „Gilmore Girls“. Besonders schön ist das in der Yellow Press zu beobachten, wo manches Rezept für Hackbraten samt Fotos wirkt, als wäre es bereits 1973 erscheinen. Ruhig mal drauf achten. Und auch auf dem Laufsteg ist jetzt schon (zu) viel Retro-Füllmasse zu sehen, wie sähe das aus, wenn Designer von cleveren Datenbanken-DJs ersetzt würden, die sich als Modeschöpfer 2.0 versuchen? Grässlich bis untragbar oder erstaunlich gut?
Das ist nämlich das wahre Panik‑P in aller Augen, dass die KI vielleicht nicht begnadet aber solide genug abliefert, was auch immer man ihr aufträgt. Nichts für die Haute Couture, aber vielleicht ausreichend für die Prêt-à-Porter. Nicht auf Booker-Prize-Niveau, dafür ebenbürtig mit „Der neunte Arm des Oktopus“. Kein Oscar-Anwärter, jedoch sicherlich ganz okay für einen „Tatort“. Können dann bloß noch Edelfedern und Jahrhundert-Talente kreativ tätig sein UND davon leben, während die 08/15-Kunst, gleich welchen Genres, aus der Retorte kommt?
Mir fehlten da wohl rasch der frische Input, die verqueren Gedankengänge, die emotionale Authentizität, die Wow-Momente und Geniestreiche. Die Überraschung, das Menschelnde. Bilde ich mir jedenfalls ein. Denn wer weiß, wie viele KI-Produkte ich längst konsumiere, ohne es zu wissen…
Bleibt zu hoffen, dass zutrifft, was ich kürzlich in einem Meinungsstück über die Befreiung der Männermode in Capital geschrieben habe: „Wenn AI uns austauschbarer macht, dann müssen wir dem Roboter das entgegensetzen, was er niemals wird lernen können: Geschmack, Stilempfinden, Freude daran, sich todschick zu fühlen.“
Siems Luckwaldt ist seit rund 20 Jahren ein Experte für die Welt der schönen Dinge und ein Kenner der Menschen, die diese Welt möglich machen. Ob in seinem aktuellen Job als Lifestyle Director von Capital und Business Punk, für Lufthansa Exclusive, ROBB Report oder das Financial Times-Supplement How To Spend It.