Es vergeht zurzeit kaum ein Tag, an dem Modeunternehmen nicht irgendeinen Shitstorm lostreten. Da regen sich die Leute diese Woche über H&Ms Allah-Socken auf, kaum dass sie über den Monkey-Hoodie hinweg sind. Davor hat es Amazon erwischt und sah sich gezwungen, die "Slavery"-Produkte auszulisten. Die Liste der "Mode-Skandale" ist lang: Da waren die Cannabis-Socken von Kik. Zara hatte gestreifte "KZ-Shirts" mit gelbem Judenstern im Sortiment, Mango Blusen mit SS-Runen, Amazon Sexy-Minirock-Burkas. Die britische Modemarke Ann Summers führte Artikel unter dem Namen "Isis", ausgerechnet BHs und Slips. Bei Kik hatte einer in einem Kreuzwinkelständer einen Hakenkreuzständer erkennen wollen. Aber nur, wenn man von oben drauf guckt, was ja doch einige Verrenkungen erfordert. Jedes Mal ist die Empörung groß, und man ist geneigt, die in den sozialen Netzwerken geschürte Hysterie um angeblichen Rassismus, Nazisympathisantentum und Diskrimierung als Shitstorm im Wasserglas und Kapitulation vor dem Diktat der Political Correctness abzutun. Wenn es nicht so ernsthafte wirtschaftliche Konsequenzen hätte.
Im Fall von H&M hat sich das Monkey-Motiv in eine Reihe von Negativnachrichten gefügt. Am Tag nach der Meldung sackte der Aktienkurs um weitere 2 Prozent ab. Der Fauxpas hat damit zwischen 400 und 500 Millionen Euro Firmenwert gekostet.
Man mag an dem Motiv Anstoß nehmen. Aber wer will dem Unternehmen deswegen ernsthaft eine rassistische Haltung unterstellen? Liegt der Rassismus nicht vielmehr im Auge des Betrachters? Tatsächlich wird es Unachtsamkeit oder Naivität, ja womöglich auch schlicht Dummheit gewesen sein, die den Stylisten zu der Kombination von Hoodie und Model verleitet hat. Wenn sich der Mitarbeiter nichts dabei gedacht haben sollte, wäre das geradezu der Beleg einer nicht-rassistischen Haltung. Das Foto hat in Südafrika trotzdem wütende Reaktionen nach sich gezogen. Das ist verständlich. Denn dort hatten die Menschen über Generationen an Diskrimierung zu leiden und reagieren reflexhaft auf entsprechende Reize.
H&M hat schnell reagiert und eine Diversity-Beautragte bestellt, die so etwas in Zukunft verhindern soll. Das ist natürlich zunächst mal eine PR-Maßnahme, und man muss sich fragen, wie die Frau dieser komplexen Aufgabe gerecht werden soll. Soll denn künftig jedes H&M‑Kleidungsstück von ihr begutachtet und jedes Foto genehmigt werden? So wird Fast Fashion mit Sicherheit weniger fast.
Trotzdem geht so eine Maßnahme grundsätzlich in die richtige Richtung. Globale Marken müssen ein Verständnis für die kulturellen Besonderheiten in den internationalen Märkten entwickeln, in denen sie operieren. Das ist ein zunehmend wichtiger Aspekt von Risiko-Management. Anders als früher, erfährt es heutzutage auch hierzulande jeder, wenn in China ein Sack Reis umfällt. Und es gibt immer einen, der sich darüber aufregt. Das ist, wenn man so will, der Preis von Globalisierung und Digitalisierung, die eben nicht nur Chancen und Möglichkeiten, sondern auch Risiken und Nachteile mit sich bringen. Selbst für die Gewinner.