Endlich nimmt die Debatte um die kulturelle Aneignung richtig Fahrt auf. Weg mit den falschen Dreadlocks, fort mit Karl May, in den Giftschrank mit dem heuchlerischen Winnetou und seinem Federputz! Man muss die Menschen nun einmal mit Gewalt für die Missstände sensibilisieren!
Doch die Sache muss weitergehen. Es gibt noch gewaltige Berge an Arbeit, gerade in der Modeindustrie, die sich der kulturellen Aneignung in etlichen Fällen schuldig gemacht hat. Dieser schamlose Missbrauch muss jetzt sofort aufhören!
Natürlich gehören gehören die in letzter Zeit sehr populären Wachsprint-Textilien aus Afrika sofort für jede Nutzung außerhalb dieses Kontinents verboten, für Weißhäute aber auch dort. Desweiteren soll kein Mensch, der nicht das Blut nordamerikanischer Ureinwohner in seinen Adern hat, je wieder Mokassins an seinen Füssen tragen. Auch das Ausplündern der japanischen Kultur muss jetzt vorbei sein, Kimonos und entsprechend geschnittene Kleidung dürfen nur noch in Nippon getragen werden.
Anoraks, deren Urform weiße Besatzer den Indigenen am Polarkreis gestohlen haben, dürfen nicht länger verkauft werden. Batik dürfen nur noch in Indonesien und dort geborene Personen tragen, die sich entsprechend ausweisen können. Die französische Marke 'Antik Batik' wird zwangsliquidiert. Kaftane gehören exklusiv in die arabische Welt, allenfalls nach Nordwestafrika – Boho-Ladies, die außerhalb dieser Kulturen so etwas tragen, werden fortan an den Pranger gestellt.
Soweit das Offensichtliche.
Camp David muss endlich damit aufhören, die mausarmen Seefahrer auszubeuten. Die nach einem venezianischen Asien-Plünderer benannte Marke Marc O’Polo wird verboten.
Doch sollten wir nun nicht auch einmal offen über die allgegenwärtige Jeans reden, diese Hose der Eroberer und Menschenschinder, welche die Urbevölkerung Nordamerikas ausgerottet haben? Können wir dieses Symbol der Unterdrückung noch bedenkenlos tragen? Steht es nicht wie kein anderes Kleidungsstück für die Kluft des (alten) weißen Mannes, dieses zentralen modernen Feindbilds?
Oder Tattoos, die an Tribals aus dem Pazifik oder Symbole der Inkas erinnern? Sie müssen ohne Anästhesie entfernt werden, damit der Träger dieser Symbole am eigenen Leib den Schmerz spürt, den die Unterdrücker diesen Völkern einst zugefügt haben.
Wollen wir noch Shopper mit uns herumtragen, wenn doch jedem heute klar sein müsste, dass der Überkonsum schädlich für unsere Welt und Gesellschaft ist? Man nehme außerdem die Worker-Jacke. Was für eine Anmaßung, dass nun begüterte Styler dieses einfache Kleidungsstück des einst schwer schuftenden Proletariats zur Schau tragen.
Camp David muss endlich damit aufhören, die mausarmen Seefahrer auszubeuten und darf künftig nur noch Slogans auf seine Hemden sticken, mit denen es sich bei seinen Opfern entschuldigt. Ältere weiße Männer mit Schnurrbart, die Hawaiihemden tragen und im offenen Ferrari herumfahren, dürfen nie wieder im Fernsehen gezeigt werden. Die nach einem venezianischen Asien-Plünderer benannte Marke Marc O’Polo wird verboten.
Nur: Was tragen wir dann noch?