Roger, wie oft hast Du ‚Jenseits von Afrika‘ gesehen?
Brandts: 1985 in Kapstadt das erste Mal und seither mindestens fünf- oder sechsmal.
Und war der Film auch Bestandteil Deines Onboardings, Mathias?
Eckert: In der Tat. Schon als die ersten Gespräche mit Roger im September ’20 liefen und ich das erste Mal in Mönchengladbach war habe ich mir den angeschaut.
Heute redet die ganze Marketing-Welt von Storytelling. Das hast Du seinerzeit instinktiv begriffen, Roger. Was war zuerst da: Der Name oder die Idee sich mit einer Pullover-Kollektion selbstständig zu machen?
Brandts: Das weiß ich gar nicht. Ich entstamme ja einer Unternehmerdynastie. Mir war schon zu Anfang meiner beruflichen Laufbahn klar, dass ich irgendwann mal selbst Unternehmer sein würde. Entweder in die Firma der Eltern, die hatten ja eine Tuchweberei hier in Mönchengladbach. Oder in einem eigenen Unternehmen. 1985, als der Film lief, habe das noch nicht gesehen. Ich war einfach nur angefixt von dem Typen und von dem Lebensentwurf von Denys Finch Hatton.
Haben sich die Finch Hatton-Erben eigentlich schon mal bei Euch gemeldet?
Brandts: Bisher nicht. Ich habe das 1998 natürlich eruiert. Die Familie schreibt sich ja etwas anders als unsere Marke. Ich habe letztes Weihnachten mit meiner Familie Kenia besucht, quasi auf den Spuren von Denys und seiner Geliebten, der Schriftstellerin Tanja Blixen. Am Grab von Finch Hatton in der Nähe von Nairobi habe ich mich bei Denys bedankt. Die Nachfahrin von Denys, Ana Finch Hatton war wohl kurz vorher noch am Grab, aber ein persönlicher Kontakt hat sich noch nicht ergeben.
Dieses Jahr wird Fynch-Hatton 25 Jahre alt. Bist Du rückblickend zufrieden mit der Entwicklung der Firma?
Brandts: Zunächst mal bin ich voller Dankbarkeit für das, was uns gelungen ist und was hier auf dem Campus in Mönchengladbach entstanden ist. Durch Fleiss, Beharrlichkeit und den festen Glauben an uns selbst. Ich bin auch durchaus stolz, ohne ich mich jetzt selbst zu beweihräuchern. Ich würde sagen: Ich bin fleissig. Ich bin akribisch. Ich habe Ziele. So haben wir es geschafft, über 25 Jahre in diesem knallharten Wettbewerb nicht nur zu überleben, sondern eine gute Entwicklung zu nehmen.
Was hättest Du rückblickend anders machen sollen?
Brandts: Der Mathias kennt meine Sprüche dazu schon – Probleme gibt’s für mich nicht, lediglich Herausforderungen. Externe Herausforderungen, die du nicht beeinflussen kannst, wie Corona oder die Insolvenzen großer Marktteilnehmer, denen musst du dich stellen. Und hausgemachte Herausforderungen: Wachstum, Recruiting, IT und so weiter. Da machst du natürlich nicht alles richtig. Sicher hätte ich im Nachhinein ein paar Dinge anders gemacht. Ich wäre vielleicht besser nicht in den Retail eingestiegen. Das können wir als Wholeseller nicht, da haben wir Geld versenkt. Unternehmer lernen aus jedem Fehler und Sie schauen mutig nach vorne.
“Mein Großvater ist noch mit 84 zur Vorlage nach Metzingen gefahren und hat dort seine Läppchen ausgebreitet. Ich habe für mich entschieden, das anders zu handhaben.”
2020 bist Du aus der operativen Geschäftsführung zurückgetreten und hast das Steuerrad an Mathias Eckert übergeben. Mit Mitte 50 ist das außergewöhnlich früh.
Brandts: Mein Großvater ist noch mit 84 zur Vorlage nach Metzingen gefahren und hat dort seine Läppchen ausgebreitet. Ich habe für mich entschieden, das anders zu handhaben. Ich habe ja nicht das Unternehmen abgegeben, sondern nur das Tagesgeschäft. Ich habe die Stelle am Herd abgegeben. Nicht weil ich faul bin, sondern weil ich einen gefunden habe, der am Herd noch viel mehr kann als ich, der Erfahrung und ein großes Netzwerk mitbringt. Es bleibt aber trotzdem mein Restaurant. Als Alleingesellschafter trage ich die unternehmerische und die soziale Verantwortung.
Da ist es bestimmt nicht leicht, sich zurückzulehnen.
Brandts: Ich liege bestimmt nicht den ganzen Tag unter der Palme und zähle Geld. Ich bin schon auch leidenschaftlicher Unternehmer. Mathias kann ein Lied davon singen. Ich wollte einfach frühzeitig und aktiv die Weichen stellen. Gefühlt war das vielleicht früh. Aber es gab einfach dieses ‚window of opportunity‘. Ich weiß nicht, ob ich diesen Job so gut machen würde wie Mathias. Und es gibt mir Freiräume für die strategischen Weichenstellungen und viele andere sinnvolle Herausforderungen.
Was hat Dich, Mathias, bewogen, als Koch bei Fynch-Hatton anzuheuern?
Eckert: Tatsächlich haben mich die Aufgabe und die Marke gereizt. Du hast hier ein erfolgreiches Unternehmen, leidenschaftliche Mitarbeiter, ein Produkt mit toller Preis-Leistung, eine gute Story. Da ist so viel Substanz und Power. Wenn man da an den richtigen Zahnrädern dreht, dann kann daraus Großes entstehen. Es waren auch viele Weichen bereits richtig gestellt, wie zum Beispiel der Launch der DOB. Das war einfach eine tolle Option für mich, die sich gut angefühlt hat.
Was sind die maßgeblichen Initiativen seither? Was hast Du vorgefunden, was geändert?
Eckert: Wir haben Stärken stärker gemacht, über die Looks mehr Modernität reingebracht, etwas mehr System in die Kollektionsplanung gebracht. Wir haben Spezialisten in die Organisation gebracht. Bisher hatten die einzelnen Mitarbeiter sehr breite Aufgaben. So gibt es jetzt im Produktbereich Spezialisten für Produktmanagement, für Design, für technische Produktentwicklung. Wir haben neben der DOB auch Home & Living gestartet. Und wir haben in Deutschland eine eigene Showroom-Basis gebaut.
Wie ist das für Dich, Roger, wenn plötzlich jemand anders die operativen Entscheidungen trifft? Es gab doch sicherlich auch Dinge, die Du anders gemacht hätten?
Brandts: Natürlich gibt es die. Alles andere wäre Heuchelei. Ich bin ein sehr marktgetriebener Unternehmer. Ich höre zu und lese alles, um genau zu verstehen, was der Markt erfordert, tausche mich mit meinen Beiräten, mit Armin Fichtel und Christian Ahlert regelmäßig aus, und ich bespreche mich mit meiner Geschäftsführung. Da haben wir eine sehr gute Diskussionskultur. Das kann auch mal ein Streit sein. Aber es geht nicht ums Rechthaben, sondern einzig und allein, sich auf den Markt einzustellen. Es war für mich nicht einfach, gerade im ersten Jahr, vom Lenkrad und Schaltknüppel zu lassen. Aber mir war klar, dass ich mich zurücknehmen und dem neuen Fahrer ein großes Vertrauen entgegenbringen muss. Das war schon ein Change für mich. Wenn ich mal reingegrätscht bin, dann nie vor einer dritten Person.
“Wir sprechen ja alle immer gerne von Mode und Emotionen. Am Ende ist aber auch viel Mathematik in unserem Geschäft. Um Dinge besser machen zu können, müssen sie erstmal belegbar sein.”
Du, Mathias, bist es ja durchaus gewohnt, unter einem starken Inhaber zu arbeiten, nicht wahr?
Eckert: Definitiv. Aber ich habe hier auch einen extremen Vertrauensvorschuss bekommen. Ich musste zugleich ein Verständnis dafür entwickeln, wie schwer das für einen Unternehmer wie Roger ist, abzugeben. Wir sind ein überschaubarer Betrieb, der Unternehmer ist präsent und man nimmt ihn wahr, wenn er auf den Hof fährt, das ist anders als in Rottendorf in der vierten Etage hinten links. Aber wir haben einen sehr guten Modus gefunden. Natürlich hilft es da, in einer ähnlichen Konstellation in einem inhabergeführten Unternehmen groß geworden zu sein. Wichtig ist, dass wir in den wesentlichen Themen übereinstimmen.
Inwieweit kann S.Oliver als Vorbild für Fynch-Hatton dienen? Oder besser gesagt: Welche Erfahrungen aus Rottendorf nützen Dir in Mönchengladbach?
Eckert: Was ich dort gelernt habe und was hier nun ebenfalls ein Kernthema ist, ist Führen nach Zahlen. Wir sprechen ja alle immer gerne von Mode und Emotionen. Am Ende des Tages ist aber auch viel Mathematik in unserem Geschäft. Um Dinge besser machen zu können, müssen sie erstmal belegbar sein.
Du bist in einer Ausnahmesituation gestartet, im April 21, mitten in der Corona-Krise. Das hat Dich nicht geschreckt?
Eckert: Das ist hier extrem gut gemanagt worden. Wir konnten danach sehr schnell wieder Fahrt aufnehmen. Ich hatte eine Zweitwohnung in MG und war noch mitten im Lockdown, das war sehr spooky zu Beginn. Roger und ich hatten dann einiges privat organisiert, aber das Ankommen war insgesamt nicht trivial.
Brandts: Alles haben wir in Corona bestimmt nicht richtig gemacht. Mein Ziel war es immer nur, möglichst weniger falsch zu machen als die anderen. Um es mit einem Fußballvergleich zu sagen: Du musst vor allem hinten die Hütte sauber halten, dann kannst du mit einem Tor die Champions League gewinnen. Mein unternehmerisches Ziel ist es, Fynch-Hatton zu den relevanten Playern des Marktes zu entwickeln. Ich mache das natürlich auch fürs eigene Portemonnaie und möchte meine Mitarbeiter bezahlen können. Aber was mich wirklich antreibt, ist die Relevanz meines Unternehmens und meiner Marke. Wenn du unsere Kunden fragst, wer sind die relevanten Brands, dann soll unser Name fallen.
Inzwischen habt Ihr Euch gut aus dem Tief herausgearbeitet. Jetzt leidet die Branche gewissermaßen an Long Covid, was durch Inflation und Konsumkrise noch verstärkt wird. Wie geht Ihr mit den aktuellen Themen, insbesondere den Insolvenzen um? Ich nehme an P&C und Galeria sind keine ganz unwichtigen Kunden für Fynch-Hatton?
Brandts: Wir haben keine offenen Forderungen in diese Richtung und arbeiten partnerschaftlich sehr gut zusammen, um die Situation zu meistern. Ich denke, die Branche erlebt da einen Transformationsprozess. Möglichweise geht die Epoche der Großflächen ein Stück weit zu Ende und der kleinteilige inhabergeführte Fachhandel erlebt eine Renaissance. Das sieht man auch im Export, geführt von meinem Bruder Christoph. Hier hat der Einzelhandel eine ganz andere Struktur hat. Dem müssen wir uns stellen.
Langfristig schrumpft der Marktanteil des Multilabelhandels. Wie geht Ihr damit um?
Eckert: Es ist wie Roger sagt: den Großflächen fehlt Profil, und wir beobachten, dass sich die lokalen Platzhirsche deutlich besser entwickeln. Aber es stimmt schon: Unser Markt stagniert insgesamt schrumpft, aber er ist immer noch groß und wir gewinnen Marktanteile.
Brandts: Wir sind in Deutschland in einem sehr wettbewerbsintensiven Markt unterwegs und performen dort. Das ist natürlich eine gute Basis für weiteres Wachstum im Export. Wir verkaufen derzeit 53 Prozent ins Ausland, allein für acht Millionen in unserem stärksten Auslandsmarkt Belgien. Der Planet ist sehr viel größer als Deutschland.
Bis 2026 soll Fynch-Hatton auf 100 Millionen Euro Umsatz kommen. Ein realistischer Zeitplan?
Brandts: Die Zahl ist nicht in Stein gemeißelt, aber natürlich muss man sich Ziele setzen. Und wenn wir es gut machen, werden die 100 Millionen irgendwann kommen.
Eckert: Wir haben unsere Strategiefelder definiert. Den konsequenten Ausbau in der HAKA hin zum Outfit-Lieferanten. Den Aufbau einer relevanten DOB. Ein vernünftiges E‑Com-Business; da geht es nicht darum, morgen 30 Prozent Online-Umsatzanteil zu haben, sondern eine vernünftige Markenpräsenz im Web zu realisieren. Wir müssen in der Logistik besser werden. Uns beschäftigt intrinsisch motiviert das Thema der Nachhaltigkeit. Und dann ist da mein Thema Führen nach Zahlen. Und als vielleicht wichtigstes Thema die Markenbekanntheit und ‑relevanz. Das alles ist die Grundlage dafür, dass die 100 Millionen kommen.
Brandts: Wir sind da völlig geerdet und bleiben mit beiden Beinen auf dem Boden. Wir wissen, dass Wachstum harte Arbeit voraussetzt und man nichts geschenkt bekommt. The road to success is always under construction.
Eckert: 40 Prozent Wachstum wie im letzten Jahr ist auch nicht nur Spaß.
In 25 Jahren bist Du 83, Roger. Was wird aus Fynch-Hatton bis dahin geworden sein?
Brandts: Das steht in den Sternen. Wenn wir so weiter machen wie bisher, dann werden wir hoffentlich immer noch der relevante Player sein, der Fynch-Hatton sein soll. Aber weiß ich, was bis dahin noch alles passiert!? Unternehmer sind ja grundsätzlich optimistisch. Aber auch immer ein bisschen unzufrieden. Das spürt der Mathias jeden Tag. Wenn wir uns diese positive Unzufriedenheit bewahren, dann werden wir auch jeden Tag besser. Und wenn ich 83 bin, dann ist meine älteste Tochter 48, und sie und/oder eine ihrer Schwestern vielleicht an Bord, wenn sie mögen.
Eckert: Und ich sitze auf der Bank mit Blick in die Weinberge und habe das Unternehmen davor erfolgreich für die nächste Generation aufgestellt.