So ein Problem hätten alle mal gerne: Birkenstock kann die Nachfrage nicht mehr bedienen. Und stellt den Verkauf seiner Latschen bis auf Weiteres ein. Der vom aktuellen Manager Magazin gefeierte CEO Oliver Reichert ("Ich bin ein Offensivspieler") informierte Handelskunden und Vertriebspartner, dass fürs Erste keine neue Ware mehr ausgeliefert werden kann. Die Produktion sei mehr als ausgelastet und man wolle keine Kompromisse bei Lieferzuverlässigkeit und Qualität machen. Ob Birkenstock-Händler jetzt Wartelisten führen werden, so wie bei Hermès? Eine bessere Werbung kann es jedenfalls kaum geben, auch wenn sich die Marke beim Einzelhandel mit ihrer rigorosen Vertriebspraxis keine Freunde machen wird. Die künstliche Verknappung hält nicht nur die Begehrlichkeit hoch, sondern Birkenstock vermeidet, Überkapazitäten aufzubauen, die dem Unternehmen auf die Füsse fallen, wenn der Boom vorbei ist. Und das wird er irgendwann sein – Crocs lässt grüßen – und die Treter wieder ausschließlich von Menschen getragen werden, die mit Phoebe Philo nichts anzufangen wissen.
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Olivier Rousteing kennen dafür jetzt ein paar Leute mehr. H&Ms Balmain-Aktion ist offenbar ein voller Erfolg. Überall standen die Fans Schlange. Gestern auf dem Modehandelskongress erzählte uns Primark-Chef Wolfgang Krogmann, dass in Madrid am Vorabend bereits die ersten vor dem H&M‑Store campierten. Wenigstens hätten sie es sich auf Primark-Tüten bequem gemacht. An Rousteings Style scheiden sich die Geister. Die SZ spricht von "Kleidern für Oligarchengattinnen" und zitiert die Modetheoretikerin Barbara Vinken, die in diesem Zusammenhang einmal von einer "anfallsartigen Steigerung des Begehrens nach dem fetischisierten Produkt" sprach. Interessant ist der Umstand, dass H&M mit Balmain Preisgrenzen neu auslotet. Es ist die teuerste H&M‑Kollektion aller Zeiten. Für eine Bikerhose aus Leder verlangen die Schweden 299 Euro, eine bestickte Samtbluse ist für 349 Euro zu haben, ein Samtkleid kostet gar 449 Euro. Es hat offenbar funktioniert. Und so zeigt BalmainxH&M – wie Birkenstock – dass die Kunden vor allem das Besondere und Limitierte suchen. Und es zeigt die Macht von Mode. Da ist es völlig egal und vielleicht sogar umso besser, wenn das manche für hässlich und geschmacklos halten.
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Von langen Schlangen oder gar einem Verkaufsstopp für die Apple Watch ist Tim Cook wie es aussieht weit entfernt. Zwar präsentierte der Apple-Chef wieder Rekordumsätze und Hypergewinne, aber zum jüngsten Gadget aus Cupertino wurden keine Details verlautbart. Wahrscheinlich aus gutem Grund. Im US-Weihnachtsgeschäft wird die "Uhr" Medienberichten zufolge als Accessoire zum neuen iPhone mit Rabatt angeboten. Willkommen im Modebusiness!
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Von Amazons Mode-Ambitionen war hier verschiedentlich die Rede. Demnächst wirft der Online-Gigant auch in Europa eigene Labels auf den Markt. Dass der Retailer irgendwann Bestsellermanagement auf eigene Faust machen würde, war zu erwarten. Wer die Daten hat, braucht schließlich für den Designer nicht zu sorgen. Und wer weiß, ob es nicht eines Tages auch "Lark & Ro"- oder "North Eleven"-Stores geben wird. Otto-Tochter About You hat neulich auch den ersten Edited-Laden eröffnet.
Angefangen hat Amazon mit Büchern, und so ist es nur folgerichtig, dass das erste stationäre Geschäft des Internet-Riesen eine Buchhandlung ist. Der Laden wurde diese Woche in Seattle eröffnet, und er wirkt mit seinen biederen Holzregalen eher wie ein Antiquariat als wie der Future Store, den man von einem Technologiekonzern erwartet hätte. Dass Amazon stationär geht, wollen manche jetzt schon als Beleg dafür verstanden wissen, dass Ladengeschäfte doch irgendwie eine Zukunft haben und das Diktum von Oliver Samwer ("Multichannel ist doch nur das letzte Zucken der Ratlosen") falsch ist. Wenn das so sein sollte, so bleiben die meisten Omnichannel-Formate bisher den Beweis schuldig, dass diese Konzeption tatsächlich mehr Profit und nicht bloß zusätzliche Komplexität bringt. Dass der Amazon-Buchladen ein Marketing-Gag ist oder eine Beruhigungspille an die Konkurrenz, ist dennoch nicht wahrscheinlich. Schon eher handelt es sich um einen Feldversuch zur stationären Nutzung von Big Data (siehe auch "Big Data vs. Bauchgefühl"). Die Brick & Mortar-Fraktion sollte sich also nicht zu früh freuen. Wenn das Experiment gelänge, nähme Amazon die Konkurrenz von zwei Seiten in die Zange.
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