Gerade noch hat Burberry die Anleger verschreckt. Jetzt verzückt das britische Traditionsunternehmen die Fachwelt: Der Burberry Flagship-Store an 121 Regent Street dürfte die neue Pilgerstätte werden für alle, die sich mit innovativen Store-Konzepten im Modehandel befassen. So wie lange Zeit der Apple-Glaswürfel oder auch Abercrombie & Fitch an der 5th Avenue. Der weltgrößte Burberry-Store verkauft alles, was die Marke zu bieten hat: 13 Produktlinien, von den exklusiven Bespoke-Produkten (übrigens erstmals stationär) über die Fashion-Linie Prorsum bis hin zur erschwinglichen Brit Line, dazu Schuhe, Accessoires und Kosmetik. Das ist zunächst keine große Überraschung, denn 4000 m² wollen schließlich gefüllt sein.
Spektakulär ist aber der Rahmen, den Chief Creative Officer Christopher Bailey ersonnen hat. Der ist in vielerlei Hinsicht richtungsweisend.
Das fängt an beim Standort: Die Luxusmarke geht nicht in das Millionärs-Ghetto der Bond Street (wie Burberry es vor Bailey wahrscheinlich getan hätte). Man eröffnet auch nicht in der Neighbourhood der Savile Row (wie US-Filialist Abercrombie & Fitch, der seine profanen T‑Shirts mit dem Nimbus der urbritischen Adresse aufzuladen versucht). Sondern Burberry geht in die Hochfrequenzlage Regent Street. Dort, wo nicht nur die Gutbetuchten einkaufen, sondern wo auch viele ganz "normale" Konsumenten und natürlich Touristen unterwegs sind. Ähnlich hat es Louis Vuitton mit seinem spektakulären Flagship an den Champs Elysees gemacht. Vielleicht war das in London auch eine Frage der Flächenverfügbarkeit. Auf jeden Fall ist Burberrys Standortwahl auch ein Statement: Moderne Marken ziehen sich nicht in die gated retail communities der Luxuslagen zurück, sondern sie sind zugänglich und präsent. Apple macht es mit seinen großartigen Stores vor. Das folgt dem Omnichannel-Ansatz, den Bailey so konsequent wie kaum ein anderer Kreativer im Modebusiness umsetzt: Burberry.com ist in einer Hochfrequenzlage namens World Wide Web präsent. Warum sollte man sich offline verstecken?
Ohnehin ist es so, dass die schicken Adressen heute häufig vor allem teure Adressen sind. Zum Beispiel die Düsseldorfer Kö. Die Mieten dort können sich fast nur noch internationale Marken leisten, die ihre stationären Werbeflächen aus dem Marketingbudget quersubventionieren. Von Könnern wie Eickhoff und ein paar lokalen Juwelieren und Porzellangeschäften abgesehen verdienen an der Kö wahrscheinlich nur die H&Ms und Zaras (und demnächst angeblich Aldi) wirklich Geld. So kann’s gehen: Anbieter wie Massimo Dutti, Mango und Cos haben die Mode demokratisiert, jetzt demokratisieren sie Standorte wie Goethestraße, Theatiner Straße und den Neuen Wall. Das wird der Attraktivität dieser Lagen nicht schaden. Auf der anderen Seite geht ein Anbieter von teuren Produkten wie Apple in High Street-Lagen. Hat das dem Premium-Image der Marken geschadet? Es würde einen nicht wundern, wenn Apple zu den Vorbildern des technikbegeisterten Bailey gehörte.
Dass der Burberry-Store ein bald 200 Jahre altes Gebäude ist und mit großer handwerklicher Liebe und nach allen Regeln der Kunst restauriert und eingerichtet wurde, versteht sich von selbst. Die wahre Revolution ist die Art und Weise, wie Bailey Technologie in das Store-Konzept integriert:
- Es gibt eine spektakuläre Soundanlage mit 500 Lautsprechern und über 100 Monitoren, darunter den mit 38 m² weltweit größten Indoor-Screen. Über die Anlage läuft Brand Content – Videos von den Schauen, Werbeclips und Fotos von der Social Media-Plattform Art of the Trench. Die Anlage wird auch zur Ausstellung digitaler Kunst genutzt. Mehrfach täglich gibt es über den gesamten Store synchronisierte Multimedia-Einlagen; beispielsweise ein typisch britischer Regenschauer, der – nicht wahr – einem Burberry Trench erst seine Daseinsberechtigung gibt
- Die Anlage ist über Satellit ansteuerbar, so dass Events wie beispielsweise die Burberry-Schau zur London Fashion Week live übertragen werden können. Genauso können Events im Store live ins Internet übertragen werden. Ein umfangreiches Programm aus regelmäßigen Musik- und Theater-Acts soll den Laden zur Kulturstätte machen. So wird der Store unter anderem den Burberry Acoustic Musicians eine Bühne sein.
- Ein Teil des Sortiments ist mit RFID ausgestattet. Interessiert sich ein Kunde für einen dieser Artikel verwandelt sich der nächstgelegene Spiegel in einen Bildschirm und liefert Produktdetails und passende Modeinformationen.
- Die Verkäufer sind mit iPads ausgerüstet und können damit direkt auf die Kundenprofile inklusive der Einkaufshistorie zurückzugreifen.
- Es gibt kostenloses WLAN im ganzen Laden, was auf die Aufenthaltsdauer der Kunden einzahlen und damit die Kaufwahrscheinlichkeit erhöhen soll.
Hier ein Video, wo Christopher Bailey "seinen" Laden selbst erklärt:
https://www.youtube.com/watch?v=CokbQWI_15UBurberry führt beispielhaft konsequent und auf hohem Niveau vor, dass Webshop und Laden keine Antagonisten sind, sondern dass die Zukunft in der Synchronisation von Online und Offline liegt. So wie es neulich bei der GDI-Tagung hieß: „Wir wollen nicht mehr über E‑Commerce reden. Es ist Commerce.“
Weil Laden und Webshop nicht nur Verkaufs- sondern auch Kommunikationsinstrumente sind, muss die Burberry-Markenerfahrung über alle Kanäle konsistent sein. Das hat in jeder Hinsicht Konsequenzen. Dass Online-Einkäufe in dem Laden abgeholt und retourniert werden können, ist klar. Aber wenn die Schaufenster sich monatlich ändern, muss auch die Homepage monatlich anders aussehen. Wie beim Webshop geht auch an der Regent Street 1% des Umsatzes an die gemeinnützige Burberry Stiftung. Man kann hier wie dort also nicht nur eine gute Zeit verbringen, sondern auch mit gutem Gewissen einkaufen.
Nach der Wirtschaftlichkeit des so teuer wie spärlich möblierten Flagships fragt man besser nicht. Es geht in der unübersichtlichen neuen Omnichannel-Welt stets um eine Mischkalkulation: Weil die Nutzeneffekte für die Marke und damit aufs Geschäft nicht eindeutig zu bestimmen sind, darf man auch die Kosten der einzelnen Kanäle nicht isoliert betrachten. Es sei denn, man will – aus welchen Gründen auch immer – diese Kanäle verhindern. Was am Ende womöglich die Zukunftsfähigkeit kostet.
Welchen Stellenwert man bei Burberry dem Internet einräumt, zeigt übrigens der Claim, mit dem das Londoner Flagship promoted wird: „Bringing burberry.com to life“. Nicht andersherum. Über „Bringing Burberry to the Web“ sind die Briten längst hinaus.
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