Dass Schlecker nun so mir nichts dir nichts zu Grabe getragen wird, muss den nun von Arbeitslosigkeit betroffenen Mitarbeitern wie eine himmelschreiende Ungerechtigkeit vorkommen. Auf der einen Seite pumpt der Staat Milliardensummen in angeblich systemrelevante Banken, Hoteliers erhalten Steuersubventionen, und noch in dieser Woche pilgerte der Wirtschaftsminister wie ein Bittsteller zu General Motors, um die drohende Schließung deutscher Opelwerke abzuwenden. Auf der anderen Seite sind den Politikern ein paar Millionen für eine Transfergesellschaft zur Rettung von 25.000 Arbeitsplätzen schon zu viel.
Mit ordnungspolitischen Grundsätzen, auf die sich gerade die FDP so gern beruft, hat das wenig zu tun. Die Schlecker-Beschäftigten hatten schlicht eine zu schwache Lobby. Anders als bei einer Werft oder einer Kohlegrube kommt es bei der Pleite eines bundesweit vertretenen Filialisten eben nicht zu regionalen Verwerfungen, die die Kommunen Sturm laufen lassen. Dazu kommt, dass an den Schlecker-Kassen überwiegend in Teilzeit arbeitende Frauen sitzen, während bei Opel am Band Familienväter schuften. Dies hält die sozialen Folgen vermeintlich im Rahmen. Die Politiker konnten sich ihre Verweigerungshaltung auch leisten, weil Schlecker in der Bevölkerung wenig Sympathien genießt (ganz anders als dm-Chef Götz Werner, gewissermaßen der Anti-Schlecker, der gerade heute in der Süddeutschen Zeitung wieder Saint Exupéry-Zitate zum Besten gibt).
Dies verweist auf den wahren Schuldigen an der Schlecker-Misere. Das sind nicht die Politiker. Sondern schuld am Aus ist einzig und allein das im Geiz verwurzelte Missmanagement eines Unternehmers, der glaubte, sein Milliardenunternehmen immer noch wie den Krämerladen führen zu können, mit dem er einst gestartet ist. Hinter dem „eingetragenen Kaufmann“, als der Schlecker bis zuletzt firmierte, steht nicht das Bekenntnis zur vollen Haftung und Verantwortung des Unternehmers, sondern im Gegenteil Geheimniskrämerei und die seit jeher unzeitgemäße Attitüde, sein Unternehmen als ausschließliche Privatangelegenheit zu betrachten und sich der Gesellschaft nur insoweit verpflichtet zu fühlen, als es sich um zahlende Kunden handelt. Dass Anton Schlecker einen Teil seines Vermögens nun zu retten versucht, indem er es seiner Familie überschrieb, mag verständlich sein, passt aber ins unsoziale Bild. Es geschieht ihm Recht, wenn die Bild-Zeitung jetzt „das süße Leben der Schleckers“ mit „Luxus-Villen, Protz-Autos und Versace-Hemden“ anprangert.
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Es ist natürlich Zufall, wirkt aber fast wie ein Kommentar auf Schlecker. Während den geizigen Discounter keiner haben wollte, wurde der Gutmenschen-Ausstatter Hessnatur diese Woche verkauft. Dessen Wert besteht insbesondere in den Werten, die Heinz Hess in dem Unternehmen verankert hat. Es gibt kaum einen Bekleidungsanbieter, der die sozial faire und ökologische Produktion so konsequent wie Hessnatur umsetzt. Nachhaltigkeit als USP.
Der Anthroposoph Hess hat die Firma 1976 gegründet. 2001 verkaufte er an Neckermann. So landete der Öko-Versender in der Arcandor-Insolvenzmasse. Bis zuletzt wollten die Mitarbeiter Hessnatur selbst übernehmen. Das hätte ganz gut zu diesem besonderen Unternehmen gepasst. Indirekt profitieren sie aber auch so. Denn der Erlös fließt an die Pensionskasse von Arcandor. Hess gehört jetzt dem Schweizer Finanzinvestor Capvis. Der will wachsen. Das Potenzial ist auf jeden Fall vorhanden: Mehr Online, mehr Läden, mehr Mode. Man kann für Hessnatur nur hoffen, dass der Investor dieses Wachstumspotenzial behutsam erschließt. Nachhaltig eben.
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