Kaufst Du noch oder shoppst Du schon? H&M stößt mit seinem Ende November eröffneten Hamburger Flagship in eine neue Dimension, jedenfalls hierzulande. Nicht nur, was die Größe des Geschäfts – 4800 m² – sondern auch was die Wertigkeit der Präsentation angeht. Ein Atrium wie ein Luxus-Kaufhaus, Umkleidekabinen so großzügig, wie man das von den Schweden bislang nicht kennt. "Wir wollen die Kunden beeindrucken" , verriet Deutschland-Chef Thorsten Mindermann jetzt der TW. Und stapelt ansonsten gewohnt tief. Es habe sich halt so ergeben.
Man darf dennoch davon ausgehen, dass H&M so ein Investment nicht mal eben so tätigt. Auch braucht ein Unternehmer wie Karl-Johan Persson bestimmt kein Denkmal für sein Ego. Der schicke Auftritt ist vielmehr symptomatisch für die neuen Anforderungen, die der Massenmarkt heute an Ladenbau und Warenpräsentation stellt. Da sind zum einen die Kunden, deren Sensibilität für Design und Anspruch an ihre Umgebung heute ein anderer ist als früher. Und da ist vor allem der Wettbewerb, der zur Differenzierung zwingt.
Von unten kommt Primark, der nicht nur die billigsten Preise, sondern auch für viele Leute durchaus ansprechende Geschäfte hat. Wer höhere Preise hat (also alle), muss auch das entsprechend höherwertige Umfeld bieten. In diesem Punkt haben auch viele stolze Fachhändler noch Luft nach oben. Meine Tochter stellte beim Besuch eines der P&C‑Weltstadthäuser neulich unbefangen fest: "Hier sieht's ja aus wie bei Primark, nur viel teurer."
Von der Seite kommt Zara mit seinem Fachgeschäftsappeal. Die Spanier liegen mit ihrem Angebot nicht nur modisch richtig, sondern die hochwertige Präsentation bewirkt, dass die Preis-Leistung bedeutend höher empfunden wird als sie tatsächlich ist.
Auch Kik hat diesen Mechanismus inzwischen begriffen. Der Discounter, der früher bewusst eine Ästhetik der Armut gepflegt hat, schließt dieses Jahr ein gewaltiges Refurbishment ab. Die aktuell sehr positive Umsatzentwicklung ist maßgeblich auf dieses Aufrüstungsprogramm zurückzuführen. Ähnliches ist nebenbei bemerkt auch im Lebensmitteleinzelhandel zu beobachten. Aldi und vor allem Lidl investieren seit geraumer Zeit in ihren Auftritt. Und die großen Edeka-Supermärkte kommen vielfach stylisher daher als so mancher Katag-Partner.
Last but not least kommt von hinten die digitale Konkurrenz. Die zwingt die stationären Anbieter gegenzuhalten mit dem, was sie haben. Und das sind nun mal Läden und Verkaufsmitarbeiter. Für stationäre Solitäre geht es darum, eine attraktive Alternative zum bequemen Online-Einkauf zu bieten – sympathische und kompetente Beratung, eine inspirierende Warenpräsentation, Unterhaltung und Aufenthaltsqualität. Einem Multichannel-Anbieter wie H&M geht es darüber hinaus um Branding: ein möglichst aufsehenerregendes Markenerlebnis, das sich dann auch online auszahlt. Als Warenverteilstation verlieren Stores an Relevanz, die Kommunikationsfunktion wird wichtiger. Statt fünf kleinerer Läden in einer Innenstadt lieber einen richtig großen – das hat mindestens dieselbe Stahlkraft für die Marke, und wirtschaftlicher sind die Großflächen häufig auch. Zara hat es mit seinem 3000 m² Laden in Köln vorgemacht. Auch viele Wholesale Brands werden sich nach ihrer nicht selten heillosen Retail-Expansion auf eine imagerelevante stationäre Präsenz fokussieren und ihren Direktvertrieb künftig vor allem online forcieren.
Und sonst?
.… verkauft Guido Maria Kretschmer seine Kollektion künftig bei Otto. Der Versender will damit sein Image ein weiter modernisieren. GMKs Begründung ist, was diese Zielsetzung angeht, eher kontraproduktiv: "Weil ich meine Mutter kenne und weiß, was die sich kauft."
.… wächst Jeff Bezos' Vermögen noch schneller als der Umsatz von Amazon. Ein Plus von 61 Prozent hat Forbes errechnet und den Amazon-Gründer damit auf Platz 3 der reichsten Menschen der Welt gesetzt.
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