Gottfried, Helmut, Ingolf, Johannes, Kevin, Lorin und Mike waren die Übeltäter. Und hier ist ausnahmsweise nicht von #metoo die Rede. Sondern vom Wetterbericht. Seit Mitte Juli jagte ein Hoch das andere. Und sorgte für Tiefs in den Kassen des Einzelhandels. Das Einzige, was bei der Hitze lief – alter Spruch – war die Klimaanlage. Und natürlich Reduziertes. Das macht bloß wenig Laune. Auf den Flächen überwiegt inzwischen Herbstware. Doch die Kunden mochten der Einladung zur Saisoneröffnung bislang nicht folgen.
Die Konsumentenbedürfnisse besser im Blick hatte ein Edeka-Händler im hessischen Friedberg. Der öffnete sein Kühlhaus fürs Publikum, drei Euro für zwei Minuten. Ob das die Monatsbilanz gerettet hat, ist nicht bekannt.
Apropos Eisbein: "Dürfen Männer kurze Hosen im Büro tragen?", fragte Margarete Stokowski in ihrer Spon-Kolumne. Eine Replik auf Hans Kratzers SZ-Abhandlung über die Legitimation von Shorts in der Öffentlichkeit, die sogar Hitlers Vorliebe und spätere Verleugnung der Krachledernen thematisiert. Aus feministischer Sicht, schreibt Stokowski, sei es ja ganz erfrischend, wenn auch mal darüber debattiert werde, was Männer mit ihren Körpern zu tun hätten. Von Gleichberechtigung am Arbeitsplatz könne dennoch keine Rede sein, natürlich. "Von Frauen wird oft eine Mehrzweckfunktion erwartet, die für Männer nicht gilt: Sie sollen arbeiten, aber auch dekorativ sein und Harmonie versprühen."
Die Welt ist ungerecht. Aber sonst hätte Stokowski ja auch nichts mehr zu schreiben.
Ansonsten fiel das Sommerloch weitgehend aus. Es ist zu viel passiert.
So outete sich Anders Holch Poulsen als 29 Prozent-Teilhaber von About You. Nach Asos und Zalando sicherte er sich bei einem weiteren aufstrebenden Fashion-Anbieter maßgeblichen Einfluss. So ist der Däne zu einem zentralen Player im europäischen Online Retail geworden, ohne sein eigenes Unternehmen, wie es andere taten, in den digitalen Omnichannel-Transformations-Wahnsinn mit ungewissem Ausgang zu treiben. Bestseller geht es nach allem, was man so hört, trotzdem nicht schlecht.
Riesen-Deals gab es auch in der Schweiz, wo Decathlon die 23 Athleticum-Stores schluckte, in Spanien hat Desigual-Gründer Thomas Meyer den 10 Prozent-Teilhaber Eurazeo mit rund 142 Millionen Euro ausbezahlt und jetzt wieder die alleinige Kontrolle, und in Großbritannien, wo SportsDirect zunächst House of Fraser übernahm, wird jetzt über eine Fusion mit Debenhams spekuliert. Ob die British Department Store plc noch vor der Deutschen Warenhaus AG kommt?
In Köln und Essen wird, wie es aussieht, eifrig an einem Zusammenschluss gebastelt. Zeitungsberichten zufolge befinde man sich auf der Zielgeraden. René Benko wird die Nachricht aus Düsseldorf wahrscheinlich mitbekommen haben. Dort ist im 2. OG von Kaufhof an der Kö eine Decke eingestürzt. Es wurde gottseidank nur eine Kundin leicht verletzt. Was bei immerhin 120 m² Rigips zugleich Rückschlüsse auf die Frequenz an jenem Samstag zulässt.
Welchen Weg Kaufstadt eines Tages gehen wird, darauf deuten die kolportierten Börsenpläne der Signa Sports Group an. Die hat sich zuletzt neu aufgestellt; die zusammengekauften E‑Com-Töchter wie Fahrrad.de, Tennispoint, Campz oder Stylefile firmieren jetzt unter Signa Sports United. Die Karstadt Sports-Häuser bleiben neuerdings außen vor. Genaues dazu weiß man nicht. Aber möglicherweise ist ein Pure Player-Verbund den Analysten und Anlegern dann doch besser vermittelbar als eine Omnichannel-Fata Morgana.
Dass Farfetch an die Börse geht, schrieen die Spatzen seit Monaten von den Dächern. In New York ging diese Woche der IPO-Antrag ein. Die Gründer und Investoren machen Kasse. Zumindest sie werden mit Farfetch jetzt Geld verdienen. Rechnen wird sich das Geschäftsmodell womöglich erst, wenn die Brands den Marktplatz im großen Stil für Direktvertrieb nutzen. Damit würde Farfetch seiner ursprünglichen Klientel, den unabhängigen Einzelhändlern, untreu. Aber so ein Verhalten sind die ja von ihren Partnern gewohnt.
Ein interessantes Partner-Modell hat Tom Tailor mit seinem Franchisenehmer Heiko Ronge ausgetüftelt. Der gibt seine sechs Tom Tailor-Läden an den Konzern ab und übernimmt dafür als Dienstleister das Management dieser und weiterer 18 Stores in Ostdeutschland. Tom Tailor hat sechs Läden mehr in der Bilanz, Ronge erhält eine Management Fee und ist das Risiko los. Zusammen Zara? Together Tom!
Und dann sorgt nach wie vor die Politik für Unsicherheit. Insbesondere der US-Präsident mit seinen ohne Not vom Zaun gebrochenen Handelskonflikten. Ein Riesen-Thema ist der Kursverfall der türkischen Lira, ausgelöst durch die Kraftmeiereien von Trump und Erdogan. Kurzfristig bedeutet das für die internationale Bekleidungsindustrie günstigere Einkaufsmöglichkeiten, mittelfristig könnte es durch die Krise der türkischen Produzenten zu problematischen Verwerfungen auf diesem wichtigen Beschaffungsmarkt kommen. Wer in der Türkei investiert ist, wird es hautnah mitbekommen.
In Italien nutzt die populistische Regierung den tragischen Brückeneinsturz in Genua zu einer Attacke gegen Benetton, dem die verantwortliche Betreibergesellschaft maßgeblich gehört. Dabei war es ja die Politik, die seinerzeit die Autobahnen privatisiert hat. Vielleicht spielt auch eine Rolle, dass Oliviero Toscani Lega Nord-Chef Salvini unlängst mit Flüchtlingsschiff-Motiven gereizt hatte, jetzt sieht der populistische Innenminister die Gelegenheit für eine Retourkutsche. Der Wert des börsennotierten Autobahnbetreiber-Mutterkonzerns Atlantia ist um 2 Milliarden gesackt.
Und sonst?
…. trommelt Vaude-Chefin Antje von Dewitz für den Spurwechsel in der Flüchtlings-Politik. Zuletzt in einem Gastbeitrag in der SZ. Dass sich Unternehmer in aktuellen politischen Debatten positionieren, ist eher selten, sieht man mal von Wolfgang Grupp ab, der sich zuletzt sogar als Fan des grünen MPs Kretschmann geoutet hat. Dass Superdry-Gründer Julian Dunkerton eine Million für die Anti-Brexit-Initiative gespendet, hat ihm vergangene Woche prompt eine Breitseite der Brexit-Befürworter eingebracht. Ein linker Multimillionär, der seinen Reichtum der Ausbeutung von asiatischen Textilarbeitern verdankt, wolle mit seinem Geld nun Volkes Willen untergraben. Im Falle von Vaude dürfte Dewitz dagegen auf einer Linie mit ihrer Zielgruppe liegen. Patagonia hat's vorgemacht.
… haben Douglas und Burberry ihre Logos geändert, was wie immer in solchen Fällen eine erregte Diskussion unter Marketeers nach sich gezogen hat. Unabhängig davon, was man vom neuen Design hält: Es wirkt grundsätzlich irgendwie verdächtig, wenn ein neues Top-Management als Erstes das Logo ändert.
… hat Primark sein Größenspektrum geändert. Was super ist, denn nun braucht es keine Diät mehr, um von M auf S zu wechseln.
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