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C&A gut verkauft

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Jürgen Müller

Mit Giny Boer hat nicht nur erstmals eine Frau im C&A‑Chefbüro sondern auch ein neuer, offensiver Kommunikationsstil Einzug gehalten. Vom Vorgänger erfuhr man nicht viel mehr, als dass er Brenninkmeijer hieß. Die Familie ist notorisch öffentlichkeitsscheu und stellte sich eigentlich immer nur dann den Medien, wenn die Hütte brannte; etwa anlässlich der großen Krise Ende der 90er, als ich das Vergnügen mit Lukas Brenninkmeijer hatte, oder 2016, als sich Maurice Brenninkmeijer in der ZEIT zur Rolle der Familie im Dritten Reich äußerte. Dabei ist Einzelhandel seit jeher eine öffentliche Veranstaltung, zumal in unserer Aufmerksamkeitsökonomie, wo Geheimniskrämerei definitiv keine Chance mehr hat. Das weiß man auch am Familiensitz in Mettingen. Zuletzt schickten die Brenninkmeijers Alain Caparros auf die Bühne, der schon zu Rewe-Zeiten als Rampensau galt. Und jetzt die bei Ikea sozialisierte Giny Boers.

Deren erste Auftritte im März machten vergessen, dass C&A wie der gesamte Einzelhandel von der Corona-Krise betroffen ist. Wie managt Boer die Krise? Wie will C&A zur digitalen Konkurrenz aufschließen? Was ist ihre langfristige Vision für das Unternehmen? Die Journalisten hatten andere Fragen Frauen-Fragen, die sie einem männlichen CEO nicht gestellt hätten. Annalena Baerbock kann ein Lied davon singen. Anders als in der Politik nimmt man in der Wirtschaft solche Vorlagen aber gerne auf, um sich fortschrittlich zu positionieren. Was Giny Boer denn auch tat: „Es sollte nach 17 Uhr keine Meetings mehr geben“, lautete die Headline von RP Online zu ihrem Antrittsinterview. Mehr Teilzeit für junge Führungskräfte, zitierte dpa aus dem Beitrag. „Gleichberechtigung ist nicht verhandelbar“, proklamierte Boer via TW. In einem vom Handelsblatt moderierten Female CEO Circle diskutierte sie mit Tina Müller (Douglas) und Antje Schubert (Iglo) und anderen über Gender Diversity.

Das andere große Thema ist Sustainability, natürlich. C&A hat #wearthechange bereits im vergangenen Jahr zum Claim gemacht. Letzte Woche ließ Boer nun Briefe an Teilnehmerinnen der anstehenden UN-Klimakonferenz in Glasgow verschicken mit dem Angebot, einen Anzug aus nachhaltig produziertem Jeansstoff zu liefern. Es reichte immerhin für eine etwas irritierende Headline in FashionNetwork: C&A will Weltpolitik mit nachhaltigem Denim-Stoff herausfordern.

Ein wirklich gelungener Coup schließlich ist die Nachricht von der Jeans-Produktion in Mönchengladbach. Jährlich bis zu 800.000 Hosen sollen ab diesem Herbst in der neuen C&A‑Fabrik an dem traditionsreichen Textilstandort hergestellt werden. In Deutschland zu produzieren ist so etwas wie das ultimative Nachhaltigkeitsbekenntnis. Das mehr sagt als die tausend Worte, die sich die CEOs von Zalando und H&M neulich auf der Global Fashion Agenda gegenseitig zugerufen haben. Denn wir haben diese ganze Diskussion um die Einhaltung von Sozial- und Ökostandards ja nur, weil die Bekleidungsindustrie seit den 70er Jahren ihre Produktion nach Asien verlagert hat, um Arbeitskosten zu sparen und Umweltauflagen zu umgehen.

Auch wenn man am Niederrhein nun jubelt, ist eine Rückkehr der Bekleidungsproduktion im großen Stil indes nicht zu erwarten. Auch C&A verkauft mehr als Jeans. Aber die Marke hat Giny Boer schon mal gut verkauft.

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