Es ist eine Nachricht, die die Welt nicht wirklich bewegt. Zumindest nicht außerhalb von Alfeld und Hameln. Das Modehaus Kolle übernimmt das Modehaus Magnus. Fast 50 Jahre lang hat Klaus Magnus die von seinen Eltern Karl und Lotte gegründete Firma im niedersächsischen Alfeld geführt. Er war ein erfolgreicher Unternehmer, der nicht nur in seinen elf Jahren als BTE-Präsident ein stets wohlinformierter und pragmatisch urteilender Gesprächspartner war. Dass seine beiden Kinder sich für ein anderes Leben entscheiden würden, stand seit langem fest. Spät – mit 75 – hat Magnus nun endlich seine Nachfolge geregelt. Und die Arbeitsplätze seiner 73 Mitarbeiter sichern können.
In Alfeld ging gut aus, was andernorts allzu häufig scheitert. Der inhabergeführte Fachhandel, über Jahrzehnte das dominierende Geschäftsmodell im deutschen Textileinzelhandel, wird nicht nur von Konzentration und Vertikalisierung bedroht, von der Verkaufsflächenexplosion beschädigt und dazu immer mehr aus dem Internet angegriffen. Eine weitere Gefahr droht in der eigenen Familie – die Nachfolge ist die Achillesferse von inhabergeführten Unternehmen. Ob sich einer findet, der den Betrieb weiterführt, ist tatsächlich eine Frage von Leben oder Tod.
Verpatzte Generationswechsel sind einer der großen Treiber des Strukturwandels im Textileinzelhandel. Die mit einem fehlenden Nachfolger verbundene Perspektivlosigkeit gibt in schwierigen Zeiten – und wann hatten wir die nicht – häufig den Ausschlag zur Geschäftsaufgabe. Meist wird in aller Stille liquidiert. Wer darauf hofft, durch einen Verkauf noch etwas für die Alterssicherung tun zu können, wird nicht selten enttäuscht. Potentielle Übernehmer, und das sind meist Filialisten, sind in der Regel nur auf den Standort scharf. Da kann sich glücklich schätzen, wer wenigstens in der eigenen Immobilie sitzt.
Der Idealfall ist die "natürliche Nachfolge" innerhalb der Familie – Nachfolge durch Nachwuchs sozusagen. Die Junioren müssen das freilich wollen. Und sie müssen können.
Stichwort Wollen: Wer heute als Selbstständiger im Textileinzelhandel erfolgreich sein will, der muss wissen, worauf er/sie sich einlässt – ein 24/7/365-Job. Wobei die Plackerei keine Erfolgsgarantie beinhaltet. Die Nachteile von kleinen inhabergeführten Betriebe gegenüber den kapitalstarken und professionell geführten Konzernen und Filialisten sind nicht wegzureden. Nachfolgeprobleme sind im Kern häufig Renditeprobleme. Aber die Kleinen haben auch objektive Vorteile, die sie ausspielen können. Zum Beispiel Schnelligkeit: Nirgendwo sind die Entscheidungswege so kurz wie in mittelständischen Unternehmen, in dem die Hierarchien in der Regel flach sind und der Inhaber zugleich Manager und Geldgeber ist. Ein- und Verkauf liegen zumeist in einer Hand. Die Marktnähe ist größer als in Filialsystemen, wo der Verkauf nur wenig Einfluss auf die Entscheidungen des fernen Zentraleinkaufs hat. Nicht zuletzt liegt die Chance des inhabergeführten Betriebs in der Person des Inhabers bzw. der Inhaberin. Er kennt seine Kunden und die kennen ihn. Er verkörpert das Unternehmen. Er verleiht ihm die Corporate Identity, die unverwechselbare Identität, die die anonymen Konzerne mit millionenschweren Werbeetats erst künstlich erzeugen müssen und die sie doch nur selten erreichen.
Diese Trümpfe auszuspielen, erfordert freilich einen hohen Einsatz – an Mühe, an Zeit und an Geld. Man muss es wie gesagt wollen. Das ist nicht zuletzt auch eine Frage der Erziehung. Es klingt vielleicht altmodisch, aber die Eltern müssen ihrem Nachwuchs ein erstrebenswertes Beispiel geben. Und wenn die Klage auch bekanntlich der Gruß der Kaufleute ist, so sollte man sich damit am heimischen Frühstückstisch zurückhalten.
Der Wille zur Nachfolge reicht überdies nicht aus. Die Junioren müssen auch können. Dazu gehört eine vernünftige Ausbildung genauso wie die Bereitschaft der Alten zum geregelten Rückzug. Zu viele Familienbetriebe leiden unter dem Prince-Charles-Syndrom. Wer kennt nicht diese Jubiläumsreden mit Sätzen wie "Der 80jährige Vollblutunternehmer steht seinem Sohn auch heute noch täglich mit Rat und Tat zur Seite". Wir ahnen die menschliche (und wirtschaftliche) Tragödie dahinter, wenn wir wissen: Der Junior ist 50.
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