Passiert large

Wenn ich heute Zeit hätte.…

...dann würde ich mich ja zu Shein auslassen.
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Jür­gen Mül­ler

…über ein Unter­neh­men, das in kür­zes­ter Zeit zu einem der größ­ten Mode­an­bie­ter der Welt auf­ge­stie­gen ist – eine unter­neh­me­ri­sche Erfolgs­sto­ry, die zeigt, wel­che dis­rup­ti­ve Kraft im E‑Commerce steckt und was in einem gesät­tig­ten Markt wie der Beklei­dung nach wie vor mög­lich ist.

… über ein für sich genom­men genia­les Geschäfts­mo­dell, das eine Blau­pau­se für das Mode­ge­schäft der Zukunft sein kann, weil es tat­säch­lich kun­den­zen­triert und nach­fra­ge­ori­en­tiert arbei­tet und Über­pro­duk­ti­on weit­ge­hend ver­mei­det.

…über die Ver­ti­ka­li­sie­rung des einst viel­stu­fi­gen Mode­markts, die von Retail­ern wie Zara und H&M vor­an­ge­trie­ben wur­de und denen der Kun­den­zu­gang jetzt von einer Online­platt­form strei­tig gemacht wird, die sich die Wert­schöp­fung nur noch mit den chi­ne­si­schen Pro­du­zen­ten tei­len muss, die den west­li­chen Mode­mar­ken und Impor­teu­ren, für die sie tra­di­tio­nell fer­ti­gen, damit jetzt direkt Kon­kur­renz machen.

…über den kurio­sen Umstand, dass Shein ein rei­nes Export­mo­dell ist und in Chi­na nicht ver­kauft. Angeb­lich, weil die Prei­se dort nicht kon­kur­renz­fä­hig sind. Das hat auch einen poli­ti­schen Kon­text. Der  Export­über­schuss (nicht nur bei Beklei­dung) ist von der chi­ne­si­schen Füh­rung gewollt, weil er dazu bei­trägt, die hei­mi­sche Pro­duk­ti­on zu stüt­zen und das für die sozia­le Sta­bi­li­tät im Reich der Mit­te not­wen­di­ge Wirt­schafts­wachs­tum zu gene­rie­ren.

…über den seit Jah­ren kol­por­tier­ten IPO, der unter Bör­sia­nern als Run­ning Gag gilt, da die Bewer­tung ste­tig sinkt, bevor die Aktie über­haupt in den Han­del gekom­men ist. Und die damit zusam­men­hän­gen­de PR-Offen­si­ve des eigent­lich äußerst zuge­knöpf­ten Unter­neh­mens, die die­se Woche in einem glatt­ge­bü­gel­ten Inter­view mit der TW ihre Fort­set­zung fndet. "Das Ziel ist nie­mals zu viel zu pro­du­zie­ren“, so der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­chef Peter Per­not-Day. Natür­lich. Aber selbst­ver­ständ­lich so viel wie mög­lich zu ver­kau­fen.

…über die skan­da­lö­se und wett­be­werbs­ver­zer­ren­de Aus­nut­zung der hie­si­gen Zoll­vor­schrif­ten für den Ein­zel­ver­sand, noch dazu per Luft­fracht, die zwar (noch) nicht ille­gal ist, aber den Sus­taina­bi­li­ty-Schwü­ren des Shein-Manage­ments Hohn spre­chen.

…über die Tat­sa­che, dass vie­le Kon­su­men­ten lie­ber wochen­lang auf die bestell­te Ware war­ten, wenn sie dafür ein paar Euro spa­ren. Same Day Deli­very à la Ama­zon ist nur ein Argu­ment, soweit es dar­um geht, den (theo­re­ti­schen) Wett­be­werbs­vor­teil des sta­tio­nä­ren Ein­zel­han­dels (die sofor­ti­ge Ver­füg­bar­keit) zu ega­li­sie­ren. Für ganz vie­le Kon­su­men­ten schlägt hin­ge­gen der Preis die Con­ve­ni­ence.

.…über kon­kur­renz­lo­se Bil­lig­prei­se und eine algo­rith­men­ge­trie­be­ne Kun­den­an­spra­che, die den Über­kon­sum und damit die Res­sour­cen­ver­schwen­dung för­dern und eine Flut an kaum wie­der­ver­wend­ba­ren Bil­lig­tex­ti­li­en aus­lö­sen, die die Kanä­le der Tex­til­re­cy­cler ver­stop­fen und alle Bemü­hun­gen um eine res­sour­cen­scho­nen­de Kreis­lauf­wirt­schaft kon­ter­ka­rie­ren.

…über den mit den nied­ri­gen Prei­sen ver­bun­de­nen Wert­ver­fall von Beklei­dung, der uns euphe­mis­tisch als „Demo­kra­ti­sie­rung der Mode“ ver­kauft wird, die Kun­den aber fra­gen lässt, wes­halb T‑Shirts anders­wo mehr als ein Kaf­fee bei Star­bucks kos­ten.

.…Über den anste­hen­den Launch von Tik­Tok-Shop, der Shein dem­nächst womög­lich alt aus­se­hen lässt. Von der Ersatz­teil­ka­ta­log-Ästhe­tik von zalando.de und amazon.com mal gar nicht zu reden.

Aber ich habe heu­te lei­der kei­ne Zeit…

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