
…über ein Unternehmen, das in kürzester Zeit zu einem der größten Modeanbieter der Welt aufgestiegen ist – eine unternehmerische Erfolgsstory, die zeigt, welche disruptive Kraft im E‑Commerce steckt und was in einem gesättigten Markt wie der Bekleidung nach wie vor möglich ist.
… über ein für sich genommen geniales Geschäftsmodell, das eine Blaupause für das Modegeschäft der Zukunft sein kann, weil es tatsächlich kundenzentriert und nachfrageorientiert arbeitet und Überproduktion weitgehend vermeidet.
…über die Vertikalisierung des einst vielstufigen Modemarkts, die von Retailern wie Zara und H&M vorangetrieben wurde und denen der Kundenzugang jetzt von einer Onlineplattform streitig gemacht wird, die sich die Wertschöpfung nur noch mit den chinesischen Produzenten teilen muss, die den westlichen Modemarken und Importeuren, für die sie traditionell fertigen, damit jetzt direkt Konkurrenz machen.
…über den kuriosen Umstand, dass Shein ein reines Exportmodell ist und in China nicht verkauft. Angeblich, weil die Preise dort nicht konkurrenzfähig sind. Das hat auch einen politischen Kontext. Der Exportüberschuss (nicht nur bei Bekleidung) ist von der chinesischen Führung gewollt, weil er dazu beiträgt, die heimische Produktion zu stützen und das für die soziale Stabilität im Reich der Mitte notwendige Wirtschaftswachstum zu generieren.
…über den seit Jahren kolportierten IPO, der unter Börsianern als Running Gag gilt, da die Bewertung stetig sinkt, bevor die Aktie überhaupt in den Handel gekommen ist. Und die damit zusammenhängende PR-Offensive des eigentlich äußerst zugeknöpften Unternehmens, die diese Woche in einem glattgebügelten Interview mit der TW ihre Fortsetzung fndet. "Das Ziel ist niemals zu viel zu produzieren“, so der Kommunikationschef Peter Pernot-Day. Natürlich. Aber selbstverständlich so viel wie möglich zu verkaufen.
…über die skandalöse und wettbewerbsverzerrende Ausnutzung der hiesigen Zollvorschriften für den Einzelversand, noch dazu per Luftfracht, die zwar (noch) nicht illegal ist, aber den Sustainability-Schwüren des Shein-Managements Hohn sprechen.
…über die Tatsache, dass viele Konsumenten lieber wochenlang auf die bestellte Ware warten, wenn sie dafür ein paar Euro sparen. Same Day Delivery à la Amazon ist nur ein Argument, soweit es darum geht, den (theoretischen) Wettbewerbsvorteil des stationären Einzelhandels (die sofortige Verfügbarkeit) zu egalisieren. Für ganz viele Konsumenten schlägt hingegen der Preis die Convenience.
.…über konkurrenzlose Billigpreise und eine algorithmengetriebene Kundenansprache, die den Überkonsum und damit die Ressourcenverschwendung fördern und eine Flut an kaum wiederverwendbaren Billigtextilien auslösen, die die Kanäle der Textilrecycler verstopfen und alle Bemühungen um eine ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft konterkarieren.
…über den mit den niedrigen Preisen verbundenen Wertverfall von Bekleidung, der uns euphemistisch als „Demokratisierung der Mode“ verkauft wird, die Kunden aber fragen lässt, weshalb T‑Shirts anderswo mehr als ein Kaffee bei Starbucks kosten.
.…Über den anstehenden Launch von TikTok-Shop, der Shein demnächst womöglich alt aussehen lässt. Von der Ersatzteilkatalog-Ästhetik von zalando.de und amazon.com mal gar nicht zu reden.
Aber ich habe heute leider keine Zeit…