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Spekulationen um Galeria. Aus für H&M‑Innovationslabor. Gegenwind für Shein.

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Jür­gen Mül­ler

Sams­tag, 27. April. 16 Schlie­ßun­gen. Nur. Bis­lang war von 30 Häu­sern die Rede gewe­sen. Inso­fern war die Nach­richt eine Über­ra­schung. Trotz­dem hat­te man nach der auf­ge­reg­ten Bericht­erstat­tung den Ein­druck, Gale­ria mel­de­te gera­de ein vier­tes Mal Insol­venz an. Ob man sich hin­ter den Kulis­sen mit Ver­mie­tern geei­nigt hat und Filia­len von der Strei­chungs­lis­te genom­men hat? Oder kommt da noch was nach? Genau­so gut könn­te sein, dass von den 16 ver­kün­de­ten Schlie­ßun­gen noch Häu­ser “geret­tet” wer­den. Wir wer­den sehen.

Wenn es nach den Exper­ten geht, scheint das alles jeden­falls zu wenig. Allen­falls 50 Häu­ser sei­en über­le­bens­fä­hig, hieß es, bevor Baker/Beetz den Zuschlag erhiel­ten. Maxi­mal 40 attes­tier­ten man­che Exper­ten eine Chan­ce. Der ehe­ma­li­ge Kauf­hof-Chef Lov­ro Man­dac sieht Bedarf für maxi­mal 30 Filia­len. Wer jetzt noch in die Schlag­zei­len will, muss die­se Zah­len schon unter­bie­ten. Es wird Zeit, dass die­ses spe­ku­la­ti­ve Begleit­kon­zert auf­hört.

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Mon­tag, 29. April. Die Ver­brau­cher­zen­tra­le (VZBZ) mahnt Shein ab, nach­dem die EU-Kom­mis­si­on den Ultra-Fast-Fashion-Anbie­ter als „Very Lar­ge Online Plat­form“ im Sin­ne des Digi­tal Ser­vices Act ein­ge­stuft hat­te. So wie 19 ande­re Diens­te, z.B. Ama­zon, Zalan­do oder Porn­hub. Shein füh­re Ver­brau­cher aufs Glatt­eis und miss­ach­te Regeln des Ver­brau­cher­schut­zes, schreibt VZBZ-Che­fin Ramo­na Popp auf Insta­gram. Aus­nahms­wei­se dürf­ten die deut­schen Ein­zel­händ­ler den Ver­brau­cher­schüt­zern uni­so­no applau­die­ren.

Die Chi­ne­sen scheint das in ihren ehr­gei­zi­gen Plä­nen nicht zu tan­gie­ren. Jeden­falls wenn man deren Wachs­tums­zie­le für 2024 sieht, die Exci­ting Com­mer­ce unter Beru­fung auf das chi­ne­si­sche Wirt­schafts­me­di­um Late­post mel­det: Shein +40% auf 63 Mil­li­ar­den Dol­lar, Ali­E­press +125% auf 90 Mil­li­ar­den, Tik­Tok Shop +150% auf 50 Mil­li­ar­den, Temu +233% auf 60 Mil­li­ar­den. Dass hier zulan­de alle von  Kon­sum­kri­se reden, scheint die Chi­ne­sen eben­so wenig zu irri­tie­ren.

Es gibt im Übri­gen in Euro­pa auch Pro­fi­teu­re. Bei DHL stam­men angeb­lich bereits 10 Pro­zent der täg­lich sechs Mil­lio­nen Sen­dun­gen aus dem grenz­über­schrei­ten­den E‑Commerce, berich­tet die Wirt­schafts­wo­che in ihrer aktu­el­len Aus­ga­be. Die Bil­lig­por­ta­le nutz­ten neben Flug­ge­sell­schaf­ten aus Chi­na bevor­zugt Ethio­pean Air­lines, die u.a. des­we­gen bil­lig sei­en, weil sie anders als euro­päi­sche Flug­li­ni­en den schnel­le­ren Weg über Russ­land neh­men kön­nen. Auch für die Flug­hä­fen ist es ein gutes Geschäft. Ins­be­son­de­re Lüt­tich sei ein Dreh­kreuz für die Paket­post aus Chi­na: nied­ri­ge Kos­ten, schnel­le Abfer­ti­gung und vor allem: wenig Kon­trol­len.

„Weder der euro­päi­sche noch der deut­sche Gesetz­ge­ber sind in der Lage, ihre Ver­ord­nun­gen und Geset­ze gegen­über chi­ne­si­schen Unter­neh­men voll­stän­dig durch­zu­set­zen“, zitiert die Wirt­schafts­wo­che den Car­go-Exper­ten Hei­ner Sieg­mund. Mal sehen, was pas­siert, wenn Shein & Co die Vor­ga­ben des DSA nach Ablauf der Frist in vier Mona­ten igno­rie­ren.

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Diens­tag, 30. April: H&M macht sein Ber­li­ner Inno­va­ti­ons­la­bor dicht. H&Mbeyond wur­de 2020 als „Zel­le zur Ko-Krea­ti­on inno­va­ti­ver Pro­duk­te und Ser­vices mit Kun­den, Krea­ti­ven, For­schung, Start-ups und ande­ren Unter­neh­men“ gegrün­det. Das Team hat­te seit­her immer mal wie­der mit Pro­jek­ten von sich reden gemacht: mit einem vir­tu­el­len Show­room für die Medi­en, mit Kör­per­scan­nern für Umklei­den, mit einer On Demand-Pro­duk­ti­on von Hem­den und mit dem Ver­leih von Klei­dung. So rich­tig aus­roll­bar war das alles nicht.

Aber natür­lich waren die­se Akti­vi­tä­ten immer auch dem PR-Etat zuzu­rech­nen. Das Signal: Ein Mul­ti­mil­li­ar­den-Kon­zern leis­tet sich eine hip­pe, klei­ne F&E‑Abteilung, die das Busi­ness und glei­cher­ma­ßen die Welt ver­bes­sern soll. Dafür ist das Signal jetzt: Kei­ne Expe­ri­men­te mehr, wir müs­sen spa­ren.

Braucht es in Krisen mehr oder weniger Innovation?

Dar­an schlie­ßen sich zwei Fra­gen an. Ers­tens: Was ist nur bei H&M los? Unab­hän­gig von den publi­zier­ten Ergeb­nis­sen, die zuletzt gar nicht mal so schlecht waren, macht der Kon­zern mit Per­so­na­li­en Schlag­zei­len. Sowohl der lang­jäh­ri­ge Deutsch­land-Chef Thors­ten Min­der­mann als auch CEO Hele­na Hel­mers­son nah­men ihren Hut, um nur die zwei pro­mi­nen­tes­ten Abgän­ge zu nen­nen. Das H&M‑Format ist unter Druck. Es ist mit den­sel­ben Kos­ten­stei­ge­run­gen wie die Wett­be­wer­ber kon­fron­tiert, kann die­se aber anders als die qua­li­ta­tiv bes­ser posi­tio­nier­te Kon­kur­renz aus Spa­ni­en nicht auf die Prei­se abwäl­zen. Gleich­zei­tig grei­fen von unten Shein & Co an. Wenn die Kund­schaft ihr Geld in den chi­ne­si­schen Online-Spiel­ca­si­nos aus­ge­ge­ben hat, ist sie für das Mar­ke­ting der Schwe­den kaum mehr emp­fäng­lich. Zumal sich die Col­lab-Masche lang­sam tot­läuft. Ghia­bor­gi­ni oder Heron Pres­ton sind halt alles ande­re als mas­sen­taug­li­che Namen.

Fra­ge Num­mer Zwei ist gene­rel­ler Natur: Braucht es in Kri­sen mehr oder weni­ger Inno­va­ti­on? Natür­lich muss man sich Expe­ri­men­te leis­ten kön­nen. Aber von Kos­ten­ma­nage­ment allein kann ganz sicher kein Unter­neh­men leben.

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Mon­tag, 7. Mai. Cele­bri­ty-Glot­zer müs­sen am Mon­tag lan­ge wach blei­ben. Ab 24 Uhr über­trägt Vogue den Live­stream vom roten Tep­pich der Met Gala in New York. Die wird erst­mals von Tik­Tok gespons­ort, was vor dem Hin­ter­grund der Ver­bots­dis­kus­si­on in den USA beson­ders pikant ist. Ob Anna Win­tour dazu auch noch ein flot­tes Tänz­chen auf­führt?

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