Montag, 17. Januar. Corona nervt alle. Da sind Auseinandersetzungen mit renitenten Impfgegnern das Allerletzte, was man noch braucht. Die aggressiven Vorfälle – Diskussionen, die in Streit und Beschimpfungen enden und zu Vandalismus und teilweise körperlichen Auseinandersetzungen führen – häufen sich seit Einführung der 2G-Regeln. Das war zu befürchten. Als im September in Idar-Oberstein ein Maskenverweigerer einen Tankwart erschoss, war das ein schrecklicher Extremfall. Aber es zeigt, wie Kundenkontakte unter Pandemiebedingungen neuerdings eskalieren können. Mit der 2G-Kontrollpflicht sind Verkäuferinnen und Verkäufer nun zu Außendienstmitarbeitenden der Gesundheitsämter geworden. Dabei ist ihre Aufgabe doch eigentlich, den Kunden ein schönes Einkaufserlebnis zu ermöglichen…
Aber es nützt ja alles nichts. Wir müssen da durch. Es liegt an den Arbeitgebern, Rahmenbedingungen zu schaffen, dass ihre Angestellten nicht die Lust verlieren und bei der Stange bleiben. Auch wenn die Stimmung hochzuhalten schwer ist in einer Situation, wo in den Unternehmen Unsicherheit und Kurzarbeit regieren und die Pandemie auch das Privat- und Familienleben massiv beeinträchtigt.
Es ist nicht allzu häufig Gegenstand von medialen Betrachtungen, aber die Corona-Krise trifft auch die Chefs und bringt auch viele Top-Entscheider mental an ihre Grenzen. Unternehmer, die im Laufe ihres Lebens mehr richtig als falsch gemacht haben, sehen sich plötzlich vor existenziellen Herausforderungen, ausgelöst durch einen externen Schock. Selbst funktionierende Geschäftsmodelle sind aktuell keine Erfolgs-Garantie mehr.
Bislang zeigen sich die meisten Unternehmen – wie man neuerdings so schön sagt – resilient. Was nicht nur an staatlichen Hilfen, sondern auch damit zusammenhängt, dass die Beteiligten – zumindest in gut geführten Firmen – sich gegenseitig stützen und jeder an seinem Platz am gemeinsamen Erfolg arbeitet. Das gilt ganz besonders in der akuten Ausnamesituation. Und das wird auch gelten, wenn Corona eines Tages wieder nur eine Biermarke ist.
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Dienstag, 18. Januar. Die Athleten sind größtenteils noch nicht abgeflogen, aber das Virus ist schon mal gelandet. Keine drei Wochen vor dem Start der Olympischen Winterspiele durchkreuzt Omikron die Zero Covid-Strategie der Chinesen. Nun könnte man Schadenfreude empfinden angesichts einer von Prestigedenken getriebenen Politik, die das Pandemiemanagement als Beleg für die Überlegenheit des eigenen Systems stilisiert. Aber dafür ist die Abhängigkeit unserer Wirtschaft von China zu groß. Wenn der Absatz in der Volksrepublik lahmt, schadet das auch der Wirtschaft und dem Arbeitsmarkt hierzulande und damit mittelfristig dem Konsum. Und kurzfristig wirkt sich die drakonische Schließung ganzer Städte und Häfen auf die Produktion und die Lieferketten aus. Worunter wiederum die Bekleidungs- und Schuhindustrie ganz direkt und besonders leidet.
Diese Entwicklung war zu befürchten, weshalb viele Unternehmen ihre Produktentwicklungsprozesse und den Beschaffungskalender angepasst haben. Auswirkungen wird das Ganze zudem auf die Preise haben. Mittelfristig wird die unsichere Lage in Fernost Nearshoring attraktiver machen, und tatsächlich wird überall an der Verlagerung von Produktion und Beschaffung in europanähere Regionen gearbeitet. Wenn C&A in Mönchengladbach gerade eine Jeansfabrik eröffnet hat, ist das ein ziemlich spektakulärer Move und ein seltenes Beispiel von echter Forschung & Entwicklung im Modehandel. Den Denim-Bedarf des Filialunternehmens wird die hochautomatisierte Hosen-Näherei aber auch im letzten Ausbaustadium nur zu 3 Prozent decken können.
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Mittwoch, 19. Januar. Von wegen Ladendiebstahl betrifft nur Läden! In den USA werden neuerdings immer mehr Güterzüge aufgebrochen und Pakete geplündert. Die Süddeutsche Zeitung zeigt Fotos von Bahngleisen, die wie Müllhalden aussehen – übersäht von zehntausenden von aufgerissenen Paketen und weggeworfener Ware, die sich nicht weiterzuverkaufen lohnt. 90 Container werden dem Bericht zufolge täglich aufgebrochen. Dahinter steht offenbar organisierte Kriminalität. „Die Plünderungen werden zum Symbol dafür, wohin Bequemlichkeitskapitalismus führen kann“, so der SZ-Autor. Dumm für die Verbraucher ist nur, dass der „Ladendiebstahl“ erst nach dem Verkauf stattfindet.
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Freitag, 21. Januar. Ist dies das Warenhaus der Zukunft? In dem nahe L.A. geplanten ersten, rund 3000 m² großen "Amazon Style"-Store wählen die Kunden "ihre" Artikel im Verkaufsraum. Die richtige Größe wird dann aus dem angeschlossenen Lager in eine intelligente Anprobe geschickt, wo man bequem weitere Artikel anfordern kann und einem zudem algorithmengesteuert Vorschläge auf Basis der persönlichen Präferenzen gemacht werden. Also fast so wie im Fachhandel, nur praktisch ohne Verkaufsberater.
Nur wer macht dann bloß die 2G-Kontrollen?