Passiert large

Peak Amazon?

Img
Jür­gen Mül­ler

Es gibt den Mode­han­del. Der ver­zeich­ne­te im Deutsch­land 2024 im Schnitt einen Umsatz in Vor­jah­res­hö­he. 2023 war auch schon nicht so toll, und sieht man die gestie­ge­nen Kos­ten, war die Geschäfts­ent­wick­lung ins­ge­samt eher uner­freu­lich.

Es gibt den deut­schen Ein­zel­han­del. Der leg­te 2024 um 2,2 Pro­zent zu. Was durch­aus über­ra­schend war. Der HDE hat­te weni­ger pro­gnos­ti­ziert. Für 2025 rech­net der Ver­band mit nomi­nal 2 Pro­zent Zuwachs, was real annä­hernd Null­wachs­tum bedeu­tet.

Es gibt den Online­han­del. Die Web­shops wuch­sen 2024 nach HDE-Anga­ben um 3,5 Pro­zent. Immer­hin. Nach zwei Minus­jah­ren scheint der E‑Commerce in Deutsch­land das Tal der Trä­nen jetzt hin­ter sich zu las­sen.

Und es gibt Ama­zon.

Der US-Online-Gigant spielt längst in sei­ner ganz eige­nen Liga. Das doku­men­tie­ren mal wie­der die Ergeb­nis­se, die das Unter­neh­men die­se Woche vor­leg­te.

Ama­zon hat sei­nen Umsatz glo­bal um 11 Pro­zent bzw. 63 Mil­li­ar­den auf sagen­haf­te 638 Mil­li­ar­den Dol­lar gestei­gert. Das ist annä­hernd so viel wie der kom­plet­te deut­sche Ein­zel­han­del umsetzt (664 Mil­li­ar­den Euro laut HDE). In sei­nem stärks­ten Aus­lands­markt Deutsch­land stei­ger­te Ama­zon die Erlö­se um knapp 9 Pro­zent auf über 37 Mil­li­ar­den Euro, das ist fast dop­pelt so viel wie vor Coro­na und vier­mal mehr als vor zehn Jah­ren. Bald jeder zwei­te Euro, der in Deutsch­land online aus­ge­ge­ben wird (laut HDE sind das gut 88 Mil­li­ar­den Euro), lan­det in den Kas­sen der Ame­ri­ka­ner. Wenn es hier­zu­lan­de eine Kon­sum­kri­se gibt, dann ist Ama­zon nicht davon tan­giert.

Und wo vie­le Omnich­an­nel-Anbie­ter in ihrem Online­ka­nal über­wie­gend Ver­lus­te gene­rie­ren, ist das einst ewig defi­zi­tä­re Ama­zon inzwi­schen eine Pro­fit­ma­schi­ne. Der Betriebs­ge­winn liegt bei über 68 Mil­li­ar­den Dol­lar, 59 Mil­li­ar­den blei­ben nach Steu­ern übrig. Und es ist nicht so, dass der Online-Rie­se die­ses Geld aus­schließ­lich über sei­ne flo­rie­ren­de AWS-Spar­te ver­dient. Alle Geschäfts­be­rei­che – der Online­han­del, das sta­tio­nä­re Geschäft (v.a. Who­le Foods), der Mar­ket­place, das Abo­ge­schäft (Prime) und das rasant wach­sen­de Retail Media-Busi­ness – sind pro­fi­ta­bel.

„Ama­zon wird eines Tages schei­tern. Wenn man sich gro­ße Unter­neh­men ansieht, beträgt ihre Lebens­dau­er heu­te in der Regel nicht mehr 100, son­dern allen­falls 30 Jah­re."

Vor Jah­ren wur­de in den ein­schlä­gi­gen Fach­me­di­en dar­über spe­ku­liert, wann Ama­zon sei­nen Peak erreicht. Es sieht nicht danach aus, als sei dies bald der Fall. Allein die Tat­sa­che, dass gut 60 Pro­zent des Ama­zon-Geschäfts immer noch in den USA erwirt­schaf­tet wer­den, zeigt, wel­ches Poten­zi­al es noch zu heben gibt. Auch inter­na­tio­nal ist man seit 2024 in den schwar­zen Zah­len.

Gibt es denn nichts und nie­man­den, der Ama­zons Vor­marsch gefähr­det?

Ein Blick in die vie­len eng bedruck­ten Sei­ten des aktu­el­len Risi­ko­be­richts zeigt, dass Ama­zon grund­sätz­lich kei­ne ande­ren Her­aus­for­de­run­gen hat als alle ande­ren Markt­teil­neh­mer. In dem Maße, wie man in neue Märk­te drängt, bekommt man es frei­lich mit neu­en Mit­be­wer­bern zu tun. Mit Beklei­dung erzielt Ama­zon sicher­lich rele­van­te Umsät­ze, die Platt­form hat zugleich aber kein wirk­li­ches Pro­fil als Mode­an­bie­ter. Die rasant wach­sen­den chi­ne­si­schen Anbie­ter wie Temu und Shein kom­bi­nie­ren die Platt­form­idee mit einem preis­ag­gres­si­ven M2C-Geschäfts­mo­dell. Tik­Tok-Shop krönt das auch noch mit einer indi­vi­dua­li­sier­ten und spie­le­ri­schen Kun­den­an­spra­che.

Gefah­ren dro­hen von staat­li­chen Ein­grif­fen – die Megamärk­te Chi­na und Indi­en schüt­zen ihre Märk­te durch Regu­lie­run­gen. Dass Ama­zon in den USA auf­grund von Anti-Trust-Regeln zer­schla­gen wer­den könn­te, ist unter der neu­en Regie­rung zumin­dest nicht wahr­schein­li­cher gewor­den. Und der KI-Boom, der vie­le Märk­te in den kom­men­den Jah­ren durch­ein­an­der­wir­beln wird, ist für Ama­zon sicher mehr Chan­ce als Risi­ko.

So kann der Kon­zern vor­läu­fig höchs­tens sich selbst ein Bein stel­len und an der eige­nen Kom­ple­xi­tät und Grö­ße schei­tern. Wes­we­gen Jeff Bezos den mehr als 1,5 Mil­lio­nen ‚Ama­zo­ni­ans‘ den Day One-Spi­rit ver­schrie­ben hat. „Nur wer an jeden neu­en Tag so her­an­geht, als sei er der ers­te, ver­mei­det Träg­heit und bleibt inno­va­tiv“, so das Cre­do des Ama­zon-Grün­ders. „Der zwei­te Tag steht für Still­stand, gefolgt von Irrele­vanz, gefolgt von qual­vol­lem Nie­der­gang.“ Zugleich ist der 61jährige Rea­list: „Ich sage vor­aus, dass Ama­zon eines Tages schei­tern wird. Wenn man sich gro­ße Unter­neh­men ansieht, beträgt ihre Lebens­dau­er heu­te in der Regel nicht mehr 100, son­dern allen­falls 30 Jah­re."

So gese­hen hat Ama­zon sein Ver­falls­da­tum 2024 bereits erreicht.

Schlagworte: