"Wir haben es uns in der pseudovertikalen Hängematte bequem gemacht. Das Sortiment in einem Handelsunternehmen ist mehr als die Addition einzelner Flächenkonzepte. Deshalb müssen wir die Dinge wieder selbst in die Hand nehmen. Wir brauchen wieder 'echte' Einkäufer." Steffen Jost hat das Unbehagen vieler Einzelhändler auf den Punkt gebracht. Dabei konnte der BTE-Präsident sich der Zustimmung der Branche sicher sein. Denn die Unzufriedenheit mit vielen Flächen ist mit den insgesamt stockenden Geschäften gestiegen. Das hängt mit dem Gelangweiltsein vom eigenen Angebot zusammen, vor allem aber damit, dass die meisten Flächenkonzepte der Industrie nicht halten, was sie versprechen. Daran muss die Industrie arbeiten. Aus der Kritik an den Flächenkonzepten eine generelle Absage an eine vertikale Flächenbewirtschaftung abzuleiten, wäre indes fatal. Denn die vertikalen Partnerschaften sollten ja gerade die Antwort auf die vollvertikale Konkurrenz sein. Dieser Ansatz ist immer noch richtig, auch wenn es in der Umsetzung hapert.
Eine Rückkehr zum traditionellen Einkauf verbietet sich schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen, zumindest für die Großflächen. Die Zusammenarbeit zwischen Handel und Industrie funktioniert heute anders als noch vor zehn Jahren, inhaltlich und prozessual, und auch die Strukturen in den Unternehmen haben sich an diese Marktentwicklung angepasst.
Die Forderung nach mehr Individualität ist dazu gar kein Widerspruch. Es geht immer um beides, um Profil und Profit. Eins bedingt das andere. Differenzierung allein auf dem Sortiment aufzubauen, wird indes nicht funktionieren. Das geht nur in der Nische. Außerhalb vollvertikaler Systeme ist eine Vergleichbarkeit der Sortimente unvermeidbar; unter unabhängigen Fachhändlern, die sich nun mal größtenteils auf demselben Beschaffungsmarkt tummeln, wird es zwangsläufig zu Überschneidungen kommen. Shops machen die Vergleichbarkeit nur sichtbarer.
Auch wenn sich der Fachhandel das eine oder andere individuelle I‑Tüpfelchen im Sortiment leisten muss – seine Profilierung muss er letztlich viel stärker jenseits des Sortiments suchen: In origineller Werbung und persönlicher Kundenansprache. In vertrauenswürdiger Beratung und überragendem Service. In attraktivem Ladenbau und anregender Präsentation. In lokaler Verankerung und unübertroffener Kundennähe. Am besten bietet er alles zusammen, und da kann es gar nicht individuell genug zugehen. Dafür zu sorgen, ist der Job des Einzelhändlers. Und den machen leider auch nicht alle perfekt.
Um es mit Jost zu sagen: Wir brauchen wieder mehr echte Einkäufer, ja. Wir brauchen zugleich und vor allem: mehr echte Verkäufer.
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Wo sind die Flächenkonzepte fürs Internet? hat Engelhorn Sport-Geschäftsführer Markus Rech auf dem letzten Modehandelskongress vom Podium gefragt und die mangelhafte Vorbereitung der Lieferanten auf das anbrechende Omnichannel-Zeitalter kritisiert. Die Antwort gibt Adidas mit seinem Verbot an die Kunden, Herzogenauracher Ware übers Internet zu verschleudern. Das ist zumindest schon mal ein Konzept. Auch wenn es jetzt erst mal das Bundeskartellamt beschäftigt.
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Apropos Internet: Mit einer aktuell in den USA laufenden Kampagne zeigt Amazon, dass man sich doch mit der Haupt-Marke im Modebusiness breitmachen möchte und nicht nur mit zum Konzern gehörenden Spezialisten wir Zappos, ShopBop und Javari. Zeitweise war auch über eine Übernahme von Asos spekuliert worden. Die Schwachseite von Amazon war bislang der fehlende Fashion-Appeal der Website. Das haben die Amerikaner, wie man hier sieht, schon mal ganz gut gelöst. Parallel dazu kommt man mit Monolabel-Webshops. Yoox lässt grüßen.
Auch mit Net-a-porter ist hierzulande künftig verstärkt zu rechnen. Die Richemont-Tochter plant eine deutschsprachige Seite. Währenddessen freut sich Otto über einen Rekordgewinn. Trotzdem machen sich Kritiker über den Ottosaurus Rex lustig. Der Konzern mag einen schwierigen Anpassungsprozess vor sich haben. Aber anders als die meisten anderen Händler verdient er online wenigstens Geld.
Damit hält sich Zalando (noch) nicht auf. Die Berliner sorgten dafür auf dem Autosalon in Genf mit ihrem Concept Car für Aufsehen. Eine PR-Nummer, sicher, aber auch ein durchaus ernsthafter Denkanstoß zum Thema Mobile Shopping. Fast ging darüber der Launch des neuen Zalando-Ablegers Kiomi unter.
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TW-Redakteurin Anja Probe hat Robbie Williams anlässlich des Deutschland-Launchs seiner Modelinie Farrell in Berlin getroffen: "Werden Sie wie Victoria Beckham irgendwann die Musik an den Nagel hängen und nur noch Mode machen?" Antwort: "Nein. Denn ich kann ja singen."
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