Es ist die Woche der Krisenberichterstattung:
„Karstadt-Chefin verzichtet auf Kahlschlag“ – die dpa-Headline wurde diese Woche vielfach abgedruckt, garniert um die Horrorzahlen aus dem vorletzten (!) Geschäftsjahr. Wir können vor dem Hintergrund der Nachrichtenlage nur ahnen, wie die letzten 18 Monate für die Essener gelaufen sind. Die neue Chefin Eva Lotta Sjöstedt will keine Radikalkur, es gebe auch keinen „Geheimplan“ einer Fusion mit Kaufhof, stattdessen gehe es darum, sich schrittweise darauf zu konzentrieren, Karstadt wieder profitabel zu machen: mit einer Fokussierung auf die tatsächliche Kundschaft 50+, Kostensparen und einem besseren Eingehen auf lokale Bedürfnisse. Klingt vernünftig, ist aber nicht neu. Wir drücken dennoch die Daumen. Einen Kahlschlag könnte sich Karstadt im übrigen gar nicht leisten – viele Häuser zu schließen, käme kurzfristig wegen der fälligen Sozialpläne und der Mietvertragsverpflichtungen wesentlich teurer, als sie defizitär weiterzubetreiben. Das ginge wohl nur im Rahmen einer Insolvenz.
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Eine komplette Kehrtwende werden, wie es aussieht, Abercrombie & Fitch und Hollister hinlegen. Mike Jeffries würde sich im Grabe umdrehen, wenn er nicht noch lebte. Der langjährige CEO und starke Mann bei A&F verlor unlängst seinen Chairman-Posten, dann wurde ihm sein bisheriger Finanzchef Jonathan Ramsden als COO zur Seite gestellt. Nachdem Umsätze und Erträge zuletzt massiv rückläufig waren, macht die Kapitalseite Druck und greift nun auch in die Konzeption ein: Hollister soll zum Fast Fashion-Retailer werden, jünger und billiger. A&F soll höher positioniert und künftig auch im Wholesale vertrieben werden, außerdem will man das Outlet-Business ausbauen. Einzelhändler sollen also kaufen, was die Verbraucher nicht mehr haben wollen. Das wird dort, wo A&F keine Läden betreibt, vielleicht sogar funktionieren. Das revolutionäre Vertriebskonzept, das Kontrollfreak Jeffries entwickelt hat und das die Grundlage für den gewaltigen Erfolg der Marke war, ist damit aber tot. Es war angesichts zu teurer und langweiliger Produkte absehbar, dass der Hype nicht ewig tragen würde. Jetzt wird die Zitrone gepresst, solange sie noch Saft gibt.
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Kräftig Bewegung ist auch im Schuheinzelhandel. Die MSG (Merkur Shoe Group) übernimmt 23 der 50 Filialen von Fink Schuhe + Sport. Der Verlust des Gründungsmitglieds wäre für den Einkaufsverbund ein arger Schlag ins Kontor gewesen. Deshalb hat man sich nun zur Flucht nach vorne entschieden und übernimmt überlebensfähige Standorte, um sie unter den Verbundpartnern aufzuteilen. Und auch bei Görtz scheint sich eine Entscheidung anzubahnen. Die Hamburger haben in den vergangenen Monaten kräftig aufgeräumt, Mitarbeiter entlassen, Filialen geschlossen und mit Pasito-Fricker das Schweiz-Geschäft abgestoßen. Jetzt geht es um neue Geldgeber. Otto hatte bekanntlich abgewunken. Diese Woche ist nun durchgesickert, dass die HR Group 75,1% an dem Hamburger Schuhfilialisten übernehmen möchte. Für die Osnabrücker Schuh-Holding wäre Görtz eine sinnvolle Ergänzung fürs Portfolio. Und Görtz würde mit einem strategischen Investor auf lange Sicht wohl besser fahren als mit einem Finanzinvestor.
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Als hätten Josef Roosen und Tobias Viehoff es bei der Konzeption ihrer Veranstaltung gewußt, geht es beim Dachmarkenforum in der kommenden Woche um das Thema „Risk Management“. Auf dem Podium u.a. Raoul Spanger (Gebr. Heinemann), Peter Horvath (Leder & Schuh), Johannes Reichel (EQT) und Christoph Huber (Garhammer). Infos und Anmeldung hier.
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