McKinsey hat diese Woche eine interessante Studie zum Thema Beschaffungs-Kosten vorgelegt: Danach erwarten drei Viertel der befragten Chefeinkäufer steigende Preise im Sourcing, zwischen 2 und 4%, manche auch bis zu 6%. Insbesondere die Billiganbieter sind von steigenden Löhnen und höheren Rohstoffkosten betroffen. „Wir haben einen Wendepunkt erreicht“, so der Autor der Studie, Achim Berg.
Über Jahrzehnte war die Branche daran gewöhnt, dass es immer noch billiger ging. Die Produktion suchte sich weltweit die günstigsten Standorte, und wenn ein Land zu teuer wurde, zog die Karawane eben weiter. Die Vertikalisierung sorgte durch die Ausschaltung von Zwischenstufen sowie durch eine zeitnähere und damit risikolosere Planung für mehr Effizienz in der sogenannten "textilen Pipeline".
Wenn man es positiv formulieren möchte, dann war die Bekleidungs-Branche ein Vorreiter und Antreiber der Globalisierung. Andererseits ist das Modegeschäft damit heute ungleich stärker als früher den Schwankungen des Weltmarkts ausgeliefert. Da geht es nicht nur um Währungsrelationen, Rohstoffpreise oder Produktions- und Logistikkosten. Auch das Mega-Thema Nachhaltigkeit drängte erst in dem Maße auf die Agenda, wie wirtschaftliche Zwänge die Unternehmen in eine letztlich unkontrollierbare globale Vernetzung getrieben haben. Solange die Produktion auf der Schwäbischen Alb erfolgte, brauchte es keine NGOs, die die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards anmahnten.
Jahrzehntelang kannten die Preise im Handel nur eine Richtung: nach unten. Hier scheint – und das belegt die McKinsey-Studie – eine Grenze erreicht. Billiger geht’s nimmer.
Ob im Umkehrschluss die Preise für Bekleidung demnächst steigen werden, ist dennoch fraglich. Dass die Beschaffung teurer geworden ist, interessiert die deutschen Verbraucher nämlich herzlich wenig. Sie erwarten günstige Preise wie gehabt, haben ihre Vorstellungen, was ein Hemd, eine Hose oder ein Mantel kosten darf und über Jahre hinweg gelernt, dass es immer einen gibt, der noch günstiger anbietet. Nach oben ist deswegen wenig Spielraum, neue Eckpreislagen werden ebenso schwer durchsetzbar sein.
Wie also mit dem erhöhten Kostendruck umgehen?
Produktionsverlagerung bleibt ein Thema. Die Arbeitskosten in China werden weiter steigen, nicht zuletzt, weil andere Branchen im Reich der Mitte besser bezahlen. Das ist auch politisch gewollt: die chinesische Regierung setzt auf Sektoren mit höherer Wertschöpfung als Textil. Länder wie Bangladesch profitieren davon. Mit den bekannten skandalösen Risiken und traurigen Nebenwirkungen.
China als wichtigste Nähfabrik der Welt ist – wenn überhaupt – aber nicht von heute auf morgen zu ersetzen. Zwar gingen die Importe aus China 2012 laut AVE um 9,4% zurück, mit 1,17 Mrd. Euro beziehen wir aber immer noch mehr als viermal so viel Ware von dort als etwa aus Bangladesch. Schon reden manche von Afrika als künftigem Billig-Produktionsstandort. Das wird dauern, nicht nur wegen der politischen und sozialen Instabilität auf dem schwarzen Kontinent.
So bleibt kurzfristig nur ein verschärftes Kostenmanagement und eine weitere Optimierung der Prozesse in Unternehmen und Supply Chain. Und natürlich die Option, am Wareneinsatz und an den Qualitäten zu drehen. Was – siehe Esprit – nicht ungefährlich ist.
Besonders groß ist der Druck sicherlich für die Billiganbieter. Gut möglich, dass die Discounter ihre Preise auch über höhere Mengen durch schmalere Sortimente und/oder durch eine forcierte Expansion zu halten versuchen werden.
Gottlob ist es so, dass für die meisten Kunden der Preis nicht allein entscheidend ist. Gerade bei Mode ist die Qualitätswahrnehmung sehr subjektiv und durch Marketing beeinflussbar. Wieso kaufen wir bei Abercrombie & Fitch, wenn es die vergleichbare T‑Shirt-Qualität nebenan zum halben Preis gibt? Weshalb glauben wir, dass Sportschuhe mit drei Streifen besser sind als ohne? Warum werden die Mädels H&M demnächst die Bude einrennen und Oversize-Sweatshirts von Isabel Marant kaufen, die es als Kopie bei den Schweden schon vor einem Jahr viel billiger gab?
Besondere Produkte werden immer besondere Preise erzielen. Auch Kreativität bringt Marge.
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Und sonst?
Kämpft Wolfgang Urban jetzt gegen Piraten. Seine neue Firma Sea Control 360 will für Sicherheit auf See sorgen, schreibt das Handelsblatt. Das erinnert mich an eine Begegnung zu KarstadtQuelle-Zeiten: Urban hatte in den erstklassig ausgestatteten Weinkeller von Karstadt in Dortmund eingeladen: "Was ist die teuerste Flasche hier unten?" fragte er die versammelten Journalisten. "Ich!" Urban hat selbst am lautesten gelacht.
Hat nach Karstadt auch C&A in Düsseldorf ein Pilothaus eröffnet. Bei der TW sieht man, wie Brenninkmeyers Antwort auf Primark aussieht. Der eröffnet demnächst schräg gegenüber an der Schadowstraße.
Will Autohersteller Bugatti mit einer Modekollektion Gas geben. Das wird man bei der Bugatti Holding (Brinkmann) in Herford nicht lustig finden. „Ich denke nicht, dass Verwechslungsgefahr besteht“, so der Bugatti-Chef in Mailand. Der heißt übrigens Ferrari, ausgerechnet.
Startet die Porzellan-Manufaktur Meissen eine Couture-Kollektion. Designerin Frida Weyer darf die Cocktailkleider zum Kaffeegeschirr machen. Offensichtlich gibt es außerhalb der Branche nicht wenige, die glauben, mit Mode ließe sich Geld verdienen.
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