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Amazon im Shitstorm

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Ama­zon und kein Ende. Erst ver­blüff­te der Online Retail­er die Fach­welt mit uner­war­tet hohen Umsät­zen; mit 6,4 Mrd. Euro haben die Ame­ri­ka­ner heu­te bereits mehr als ein Fünf­tel des gesam­ten deut­schen Ver­sand­han­dels erobert. Dann kam die ARD-Doku­men­ta­ti­on über aus­beu­te­ri­sche Machen­schaf­ten und angeb­li­che Nazi-Auf­se­her in Bad Hers­feld. So wur­de Ama­zon-Grün­der Jeff Bezos bin­nen weni­ger Tage vom strah­len­den Mes­si­as eines neu­en Han­dels­zeit­al­ters zum düs­te­ren Darth Vader, der sich der Macht des Inter­nets bedient, um wahl­wei­se sei­nen Mit­ar­bei­tern, dem Ein­zel­han­del, dem Steu­er­zah­ler oder der Umwelt zu scha­den. Und die­sel­ben, die vor­her über das tol­le Ange­bot, die kos­ten­lo­se Zustel­lung, den per­fek­ten Ser­vice und das bril­lan­te Geschäfts­mo­dell von Ama­zon schwärm­ten, schimp­fen jetzt über unlau­te­re Prak­ti­ken, unver­schäm­te Pro­vi­sio­nen, unfai­ren Wett­be­werb, Kar­tell­rechts­ver­stö­ße, Steu­er­spar­mo­del­le und die stei­gen­de Umwelt­be­las­tung durch immer mehr Bestell­ver­kehr.
Die Poli­tik for­dert Kon­se­quen­zen. Als hät­te sie nichts mit den Zeit­ar­beits­re­ge­lun­gen zu tun, die Ama­zon – wie ande­re Unter­neh­men – legi­ti­mer­wei­se aus­nutzt. Und auch die Rufe nach einem Kauf­boy­kott sind wohl­feil. Solan­ge die Ver­brau­cher dem Bil­ligs­ten den Vor­zug geben, neh­men sie poten­zi­ell Miss­stän­de in Kauf. Denn es dürf­te sich inzwi­schen her­um­ge­spro­chen haben, dass einer immer den Preis bezahlt (ein her­vor­ra­gen­der Bei­trag dazu steht im aktu­el­len Spie­gel). Ama­zon steht da in der unse­li­gen Tra­di­ti­on ande­rer Han­dels­un­ter­neh­men, von Schle­cker über Lidl bis hin zu Kik. War­um soll­te es im Inter­net sau­be­rer zuge­hen? Vir­tu­ell ist bei Ama­zon schließ­lich nur die Benut­zer­ober­flä­che. Auch in Bad Hers­feld müs­sen Gabel­stap­ler bewegt und Klos geputzt wer­den. Selbst die ARD, die den Shit­s­torm mit ihrer Doku­men­ta­ti­on aus­lös­te, ist nicht über jeden Zwei­fel erha­ben. Die Arbeit der Jour­na­lis­ten in allen Ehren. Aber mit dem auf­klä­re­ri­schen Ges­tus der TV-Doku­men­ta­tio­nen ver­bin­det sich auch ein hand­fes­tes Quo­ten­in­ter­es­se: die Kik-Sto­ry, die diver­sen Mar­ken­checks von H&M über Rewe bis hin zu Apple oder auch der effekt­hei­sche­ri­sche ZDF-Bei­trag über Zalan­do waren ziem­li­che Publi­kums­ren­ner. Eigent­lich erwar­tet man von die­sen Sen­dun­gen schon gar nichts ande­res mehr als die Bestä­ti­gung, dass in all die­sen Unter­neh­men Ver­bre­cher zugan­ge sind. Schwie­rig wird es dann, wenn Vor­ur­tei­le nicht nur bestä­tigt, son­dern – wie sei­ner­zeit bei Zalan­do und auch bei Chris­toph Lüt­gerts Kik-Sto­ry - zugleich bedient wer­den.
Ama­zon erweck­te zunächst den Anschein, als wol­le man die Sache aus­sit­zen. Wenn es um Öffent­lich­keits­ar­beit geht, ver­hält sich der Online Retail­er nicht anders als vie­le sta­tio­nä­re Geheim­nis­krä­mer. Es dau­er­te über eine Woche, bis Deutsch­land-Chef Ralf Kle­ber erst­mals zu den Vor­wür­fen Stel­lung nahm, in einem sicht­lich sorg­fäl­tig redi­gier­ten Inter­view mit Spie­gel Online. Auch im "Bild-Kreuz­ver­hör" wirkt der sonst so elo­quen­te Mana­ger, als hiel­te ihm ein PR-Scher­ge hin­ter der Kame­ra eine Tafel mit dem rich­ti­gen Text in die Höhe. In Spie­gel Online ver­teil­te Kle­ber Beru­hi­gungs­pil­len an die Kon­kur­renz: "Die Mehr­zahl aller Pro­duk­te in Deutsch­land wird immer noch Off­line ver­kauft." Dass er sei­ne Mit­ar­bei­ter ermun­te­re, Betriebs­rä­te zu grün­den, war dann aber viel­leicht doch ein biss­chen zuviel des Guten.
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