Die zweite Welle trifft alle in der Branche, und die Messen ganz besonders. Denn die müssen ihr Geschäft an sechs Tagen im Jahr machen. Nachdem die Sommerveranstaltungen abgesagt werden mussten, stehen die kommenden Termine erneut auf der Kippe. Je größer die Abhängigkeit von internationalen Besuchern und Ausstellern, desto wahrscheinlicher ist eine Absage oder Verschiebung. Frankfurt hat bereits vor einigen Wochen alle Januar-Messen nach hinten verlegt. Diesen Montag gab die ISPO die Absage ihrer Münchner Präsenzveranstaltung bekannt, im Februar wollen die Sportler sich lediglich digital treffen. In Florenz verlangt der Pitti-Chef Planungssicherheit von der Politik. Was passiert, wenn er die bekommt, ist freilich unklar. In Berlin zögern die Veranstalter noch mit einer Entscheidung. Aber die Vorzeichen sind problematisch. Die Infiziertenzahlen schnellen gerade nach oben. Am Mittwoch hat die Regierung weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens verkündet und Großveranstaltungen für die nächste Zeit im Prinzip untersagt. In diesen Tagen, wo nicht wenige Unternehmen die eigenen Mitarbeiter nicht ins Büro lassen, ist kaum vorstellbar, dass sie sie im Januar zum Branchen-Mingling nach Berlin schicken.
Eine erneute Absage wäre natürlich eine Katastrophe für die Messeveranstalter. Die digitalen Formate, an denen sich jetzt alle versuchen, sind kein adäquater Ersatz für Veranstaltungen, deren Sinn und Hauptzweck in der persönlichen Begegnung liegt. Die Berliner Messen trifft die Pandemie zudem zu einem sensiblen Zeitpunkt. Sollte es im Januar erneut zu einer Absage kommen, werden zwischen der letzten Premium und Neonyt in Berlin und der neuen Messe in Frankfurt eineinhalb Jahre Zeit vergangen sein (so die Corona-Situation bis nächsten Sommer beherrschbar ist)! Das kann positiv sein, weil die Branche bis dahin besonders messehungrig ist, und die Erinnerung an Berlin verblasst, was Frankfurt umso strahlender dastehen ließe. Kann aber auch sein, dass sich bis dahin andere Plattformen und Treffpunkte etabliert haben und man sich mit der Messelosigkeit irgendwie arrangiert hat.
Es ist ohnehin so, dass die Bedeutung der Modemessen mit den Marktanteilverlusten des Multilabel-Handels geschrumpft ist. Die Zaras dieser Welt haben mit dem Wholesale Business, das dort abgewickelt wird, nichts am Hut. Die großen Brands wie Hugo Boss und Adidas fokussieren ihr Marketing auf B2C, deren Handelspartner kommen auch in den Schauraum. Und in den Geschäftsmodellen von Amazon und Zalando sind Messen auch nicht vorgesehen.
Sollte die Corona-Krise wie so vieles nun also auch den Niedergang der Messen beschleunigen? Hoffen wir, dass es nicht soweit kommt. Denn die halbjährlichen Treffen haben bei allem Gegenwind eine wichtige Funktion für Handel und Industrie: Als internationale Meeting Points und Plattformen zur Kommunikation. Als Taktgeber und effiziente, saisonale Fixtermine in allen Kalendern. Für Inspiration und Innovation – wo sonst sollen neue Labels Marktzugang finden. Als Anlässe für die Community, sich selbst zu feiern und zu motivieren.
Als Face-to-Face-Business braucht die Modebranche Face-to-Face-Plattformen. Wenn es sein muss halt mit Maske.