Erst Corona, jetzt die Ukraine. Eine Krise geht nahtlos in die nächste über. Es ist nach der Pandemie ein weiterer externer Schock, den man nicht für möglich gehalten hätte. Nur dass nicht chinesische Fledermäuse der Auslöser sind, sondern ein Revanchist, der aus schwer nachzuvollziehenden Motiven die Geschichte zurückdrehen bzw. sich einen – aus unserer Sicht unrühmlichen – Platz in derselben sichern möchte. Das ist furchtbar für die Menschen in der Ukraine. Es wird aber auch nicht ohne Folgen für Deutschland bleiben, für die Politik, die Wirtschaft, den Konsum und damit auch für unser Business.
Die deutschen Ausfuhren nach Russland mögen nur 2 Prozent der Exporte ausmachen. Einzelne Unternehmen, gerade in der Modeindustrie verzeichnen dort aber einen sehr viel höheren Anteil ihrer Umsätze. Russland hat (anders als übrigens die Ukraine) keine nennenswerte eigene Bekleidungsindustrie, die meiste Ware wird importiert, wovon die hiesigen Anbieter über Jahrzehnte profitierten. Die Russen schätzen deutsche Qualität. Die Geschichten von den Einkäufern mit prallen Bargeldkoffern in Düsseldorfer Showrooms sind legendär.
Nun ist es nicht so, dass die deutsche Bekleidungsindustrie starke Schwankungen in diesem Markt nicht gewohnt wäre. Man war stets gut beraten, die Abhängigkeit nicht zu groß werden zu lassen. Das Russlandgeschäft ist seit jeher extrem volatil. Neben konjunkturellen Themen, dem Auf und Ab der Energiepreise, Währungsschwankungen etc. wird das Business dort eben auch von der politischen Großwetterlage bestimmt. Stand heute sind noch keine Exportbeschränkungen verabschiedet, von denen die Textiliten betroffen wären. Aber es wird auch so zu einem Rückgang der Ausfuhren kommen. Der Rubel hat diese Woche gegenüber dem Euro mehr als 8 Prozent verloren, was den Import für russische Modehändler verteuern wird.
Während die Aktivitäten deutscher Filialisten in der Ukraine und Russland alles in allem überschaubar sind, dürfte in den Zentralen der internationalen Ketten, in Stockholm oder La Coruna an Notfallplänen gearbeitet werden. Ähnlich ist es womöglich bei den italienischen und französischen Luxusmarken, die insbesondere in Moskau groß vertreten sind. Analysten zufolge steuern Russen und Ukrainer gut 4 Prozent zum globalen Luxusmarkt bei. Auch von den Luxusmeilen der europäischen Metropolen dürften die reichen Russen, die vor Corona dort wichtige Umsatzbringer waren, jetzt noch lange wegbleiben.
Dass die Deutschen angesichts der Ukraine-Krise als Erstes an die Gaspreise dachten, ist angesichts der Gefahr eines großen Krieges fast beschämend, aber halt auch bezeichnend. Die steigenden Energiepreise dürften die Inflation jetzt noch weiter anheizen, mit allen Konsequenzen, die das für das Konsumbudget und die Ausgabebereitschaft der Menschen hat. Sanktionen werden sich auf die Wirtschaftsleistung insgesamt auswirken, der für dieses Jahr erwartete Aufschwung wird schwächer als erwartet ausfallen. Man kann sich ausmalen, wie sich diese ganze Gemengelage auf die Kauflaune der Menschen auswirkt. Anders als die Pandemie trifft diese Krise nicht nur den stationären Einzelhandel, sondern alle Anbieter im Markt. Das ist freilich kein Trost.
Aber vielleicht kommt es ja auch weniger schlimm als befürchtet. Nach dem Ende der Kontaktbeschränkungen werden viele Menschen ihre wiedergewonnene Freiheit feiern. Gut möglich, dass das in den kommenden Monaten die Sorgen wegen des Krieges im Osten wieder verdrängt. Warten wir es ab.