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Mytheresas Marketplace-Modell

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Jür­gen Mül­ler

Es war abseh­bar, dass Mythe­re­sa frü­her oder spä­ter ein Markt­platz-Modell ein­füh­ren wür­de. Jetzt ist es eher frü­her pas­siert. Und das wahr­schein­lich nicht unbe­dingt nur aus eige­nem Antrieb.

Die Luxu­ry Brands drän­gen ihre Online-Part­ner zum Platt­form-Busi­ness. Weil sie die Kon­trol­le über Sor­ti­men­te, Prei­se und Auf­tritt suchen und von den Web-Retail­ern letzt­lich nur die Reich­wei­te und den Zugang zu deren Ziel­grup­pe haben möch­ten. Und auch die Ana­lys­ten, denen man seit dem Bör­sen­gang in Mün­chen zuhö­ren muss, schät­zen das Mar­ket­place-Modell. Wegen des gerin­ge­ren Bestands­ri­si­kos und der mini­mier­ten Kapi­tal­bin­dung. Die Blau­pau­se hat Far­fetch gelie­fert: Der Bör­sen­wert des Mythe­re­sa-Mit­be­wer­bers hat sich seit April 2020 pha­sen­wei­se ver­zehn­facht und liegt heu­te immer noch fast 500% über Vor-Coro­na-Niveau. Dass Far­fetch ope­ra­tiv bis heu­te nur Geld ver­brennt, ist für die Spe­ku­lan­ten zweit­ran­gig. Eine Online-Bou­tique wie Mythe­re­sa könn­te auch in Zukunft ohne Mar­ket­place erfolg­reich und pro­fi­ta­bel sein – den aktu­el­len Platt­form-Hype kann man als bör­sen­no­tier­ter Online-Play­er aber halt nicht igno­rie­ren.

Umso erstaun­li­cher, dass der Kurs der MYT-Aktie am Diens­tag erst­mal zwei­stel­lig nach­gab. An den Ergeb­nis­sen kann es eigent­lich nicht gele­gen haben: Umsatz in 20/21 um 36% auf 612 Mil­lio­nen Euro gestei­gert, Gewinn auf 32 Mil­lio­nen um zwei Drit­tel gestei­gert, 110.000 Neu­kun­den dazu gewon­nen. Viel­leicht hat der ver­gleichs­wei­se ver­hal­te­ne Aus­blick für 21/22 eine Rol­le gespielt. Nach der Covid-beding­ten Online-Son­der­kon­junk­tur hat­te schon Ama­zon rück­läu­fi­ge Wachs­tums­quo­ten pro­gnos­ti­ziert. Von den von Mythe­re­sa in Aus­sicht gestell­ten 22 bis 25% Umsatz­wachs­tum bei 7 bis 9% EBIT­DA-Mar­ge kön­nen die meis­ten ande­ren Markt­teil­neh­mer indes nur träu­men.

Mög­li­cher­wei­se kam es also zum Kurs­ein­bruch, weil die Bör­se Mythe­re­sas Markt­platz-Modell nicht über­zeugt hat. Es ist halt nicht das von Far­fetch & Co. Hin­ter dem „Cura­ted Plat­form Model“ steht der Ver­such, den Dis­tri­bu­ti­ons­zie­len der Mar­ken­part­ner zu ent­spre­chen, ohne den Kura­tie­rungs­an­spruch auf­zu­ge­ben, auf dem Mythe­re­sas Mar­ken­ver­spre­chen basiert. Die Münch­ner wäh­len wie bis­her die zur Ziel­grup­pe pas­sen­den Arti­kel der Mar­ken­part­ner aus und ver­kau­fen sie über ihre Platt­form. Man ordert nicht Mona­te im Vor­aus, son­dern bedient sich aus den aktu­el­len Retail-Kol­lek­tio­nen und wird damit nach­lie­fer­fä­hig. Die Ware bleibt stets Eigen­tum der Lie­fe­ran­ten. Statt Umsatz wird am Ende eine Pro­vi­si­on ver­bucht. Lang­fris­tig sol­len bis zu 35% des Volu­mens über die Cura­ted Plat­form abge­wi­ckelt wer­den.

Es ist ein inter­es­san­tes Hybrid-Modell, das Mythe­re­sa da ver­sucht. Offen ist, wie die Lie­fe­ran­ten dar­auf reagie­ren. Wer­den sie sich auf ein sol­ches Ver­mitt­lungs­ge­schäft ein­las­sen, bei dem sie nicht das letz­te Wort über das Sor­ti­ment, aber das vol­le Risi­ko haben? Wel­che der rund 200 Mar­ken wer­den mit­spie­len? Wird das für alle Betei­lig­ten ein Zusatz­ge­schäft oder nur für Mythe­re­sa? Weil bis­lang regu­lä­res Who­le­sa­le-Busi­ness durch die­se modi­fi­zier­te Form von Kom­mis­si­ons­ge­schäft ersetzt wird? Wie kon­se­quent wird der Ein­kauf wirk­lich noch kura­tie­ren? Wird man die Schleu­sen öff­nen für inter­es­sier­te Mar­ken, die zu kau­fen den Buy­ern vor­her nicht in den Sinn gekom­men wäre? Oder am Ende Ware durch­win­ken, die ein Lie­fe­rant ger­ne ver­kau­fen möch­te, die aber streng bese­hen nicht zum Mythe­re­sa-Sor­ti­ment passt? Schließ­lich kos­tet die ja nichts mehr, ver­spricht aber Pro­vi­si­on.

Sieht man mal von sol­chen Detail­fra­gen ab: Als Mul­ti­la­bel­an­bie­ter muss man auch im Netz sei­ne eige­ne Mar­ke pfle­gen. Dazu gehö­ren mit Blick auf die Ziel­grup­pe zusam­men­ge­stell­te Sor­ti­men­te. Statt mit heu­te bereits viel­fach grö­ße­ren Platt­for­men in den Ring zu stei­gen, hat sich Mythe­re­sa für einen eige­nen Weg ent­schie­den.

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