Die Mercedes Benz Fashion Week war von Anfang an von einem Irrtum begleitet. Mit dem Schauen-Reigen sollte Berlin aufsteigen in die erste Liga der Modehauptstädte. Paris, Mailand, New York, oder wenigstens London. Das war jedenfalls die Illusion, die die Medien produzierten und die die Veranstalter nach Kräften befeuerten. Man weiß es nicht, aber mit dem Ausstieg von Hauptsponsor Mercedes Benz steht das IMG-Event jetzt womöglich zur Disposition.
Das Spektakel in Berlin ist letztlich eine Karikatur der Schauen, wie sie in Mailand oder Paris stattfinden. Eine Veranstaltung ohne wirkliche Relevanz für Markt und Trend und dementsprechend uninteressant für professionelle Einkäufer. Diese muss man im Publikum denn auch mit der Lupe suchen. Es fehlt an Internationalität (deutsche Modemacher wie Wolfgang Joop/Wunderkind und Talbot Runhof zeigen lieber in Paris). Und es fehlt an großen Namen. Da reichte schon die Anwesenheit von Suzy Menkes, um Tumulte auszulösen. Und die macht allenfalls indirekt Mode. Einzig P&C (!) brachte mit Stardesignern wie Zac Posen, Alber Elbaz und in vier Wochen erneut Stella McCartney internationales Flair auf den Catwalk.
Die Mercedes Benz Fashion Week war nie mehr als ein Marketing-Event. Aber auch nicht weniger. Als solches erfüllte sie nämlich ihre Funktion. Für den schwäbischen Autokonzern, der seine Marke – wie man so schön sagt – emotional aufladen wollte. Für die deutsche Hauptstadt, die an ihre glorreiche Mode-Vergangenheit anzuknüpfen hoffte. Für die zahllosen Promis der A‑, B- und C‑Liga, die von medialer Aufmerksamkeit leben. Für die People Press, die neues Futter für ihre Society-Seiten bekam. Für die vielen Menschen, die davon träumen, einmal im Leben bei einem solchen glamourösen Ereignis dabei sein zu können.
Für sie alle ist Mode letztlich Unterhaltung, immerhin, und die Fashion Week eine Kulisse für Selbstinszenierung und Amüsement. In Berlin wirkt dies nur aufgesetzter als etwa in London oder New York. Auch in Mailand und Paris sind die Einkäufer längst nicht mehr die Hauptzielgruppe der Schauen, sondern man adressiert via Medien den Weltmarkt. Aber in diesen Modemetropolen wirken halt – man möchte kess hinzufügen: noch – die größeren Namen. In deren Kalendern ist für Berlin keine Zeit. Man sollte sich ihnen eh nicht anbiedern.
Berlin kann den etablierten Plätzen das Frische, das Schräge, das Unfertige einer Stadt im Aufbruch entgegenhalten. Immer noch. Der Idealismus der kreativen Szene mag bisweilen dilettantisch ausgelebt werden, aber er ist ein nicht zu unterschätzender Standortfaktor. Das Image Berlins als Hot Spot der internationalen Kunstszene wie als Start-up-Metropole hat Strahlkraft, die sich Modemarken zunutze machen können.
Die Messen mögen aus Business-Sicht die Hauptsache sein, und noch ist unklar, was aus dem IMG-Event wird. Gut möglich, dass sich ein neuer Sponsor findet. Mit dem Catwalk in der Brunnenstraße verlöre die Modestadt Berlin jedenfalls eine publicityträchtige Bühne. Der Berliner Modesalon könnte freilich zum Nukleus eines relevanteren und authentischeren Schauenzirkus' werden.
Mercedes Benz bleibt Berlin im Übrigen erhalten, als Partner des Fashion Council Germany. Diese lobenswerte Initiative möchte kreativen Kräften mit Rat und Tat und Geld und PR aufs Fahrrad helfen. Dass Mercedes Benz sich jetzt an dieser Stelle einbringt, ist clever. Und wahrscheinlich billiger.
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