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Kippt Wöhrl?

XDass die Geschäf­te bei Wöhrl nicht rund lau­fen, war in der Bran­che seit län­ge­rem klar. Da ist der Nürn­ber­ger Filia­list ja kei­ne Aus­nah­me. Und so war es wie stets, wenn es sozu­sa­gen nach­rich­ten­amt­lich wird: Der Schritt unter den  Schutz­schirm kam dann doch über­ra­schend.

Wöhrl war die­se Woche in aller Mun­de, nicht nur bei den Lie­fe­ran­ten, die um einen wei­te­ren wich­ti­gen Kun­den ban­gen müs­sen, son­dern auch bei vie­len Fach­han­dels-Kol­le­gen. Teils aus per­sön­li­cher Ver­bun­den­heit mit der Fami­lie (Ger­hard Wöhrl hat­te den einen oder ande­ren in der Nacht zum Diens­tag vor­in­for­miert), aber auch aus poten­zi­el­ler Betrof­fen­heit: schließ­lich steht man vor den­sel­ben Her­aus­for­de­run­gen wie das Nürn­ber­ger Tra­di­ti­ons­un­ter­neh­men.

Es ist eine Mischung aus haus­ge­mach­ten The­men und der Markt­ent­wick­lung, die das Unter­neh­men in die miss­li­che Lage gebracht hat. Hin­ter der Über­nah­me von Sinn­L­ef­fers – um nur einen Punkt anzu­spre­chen – mögen stra­te­gisch rich­ti­ge Über­le­gun­gen gestan­den haben. Die Fusi­on wur­de indes zu zag­haft ange­gan­gen und bean­spruch­te zugleich mas­siv die Auf­merk­sam­keit des Manage­ments – Zeit und Geld, die man bes­ser in die Zukunfts­si­che­rung von Wöhrl inves­tiert hät­te, zumal das Unter­neh­men vor drei Jah­ren auch schon nicht gera­de vor Kraft strotz­te. Aber Hin­ter­her ist man immer schlau­er. Jetzt ist auch die Zukunft von Sinn­L­ef­fers, das ja bereits ein Insol­venz­ver­fah­ren hin­ter sich hat, wie­der unge­wiss.

Man kann die Wöhrl-Schief­la­ge als wei­te­ren Beleg für den Nie­der­gang des tra­di­tio­nel­len Mul­ti­la­bel-Retails sehen. Noch vor 20 Jah­ren war dies das domi­nie­ren­de Geschäfts­mo­dell im deut­schen Mode­han­del. Seit­dem haben die schnel­le­ren und pro­fi­ta­ble­ren ver­ti­ka­len Ket­ten den klas­si­schen Fach­händ­lern in punc­to modi­scher Kom­pe­tenz den Rang abge­lau­fen, bran­chen­frem­de Food-Retail­er und Dis­coun­ter haben wei­te Tei­le des tex­ti­len Brot-und-But­ter-Geschäfts über­nom­men, und jetzt zie­hen auch noch Online-Play­er wie Ama­zon und Zalan­do mas­siv Markt­an­tei­le ab. “Zwi­schen Zara und Zalan­do ist nur noch ver­dammt wenig Platz”, sag­te Katag-Chef Dani­el Ter­ber­ger ges­tern der WE LT. So ist seit den 90er Jah­ren ein Gut­teil der Fach­han­dels­un­ter­neh­men vom Markt ver­drängt wor­den.

Und doch mag man in den Schwa­nen­ge­sang nicht unein­ge­schränkt ein­stim­men. Vie­le loka­le Platz­hir­sche, aber auch Depart­ment Store-Ket­ten wie die Kade­We-Group oder Breu­nin­ger fin­den nach wie erfolg­reich vor ihre Kun­den. Gut gemach­te, span­nen­de Mul­ti­la­bel-Häu­ser sind für vie­le anspruchs­vol­le­re Kon­su­men­ten immer noch attrak­ti­ver als die über­all glei­chen Ket­ten. Mit hoher Wahr­schein­lich­keit ist es so, dass immMul­ti­la­bel-Seg­ment die Soli­tä­re sogar im Vor­teil sind gegen­über den Filia­lis­ten. Heu­te zäh­len hier Kun­den­nä­he, Indi­vi­dua­li­tät und kur­ze Wege mehr als Grö­ßen­vor­tei­le im Ein­kauf, die zudem in aller Regel mit erhöh­ter, teu­rer und lang­sa­mer Kom­ple­xi­tät ein­her­ge­hen.

Ob Wöhrl die Insol­venz abwen­den kann, wer­den die nächs­ten Wochen zei­gen. Die neue Füh­rung unter Andre­as Mach tut in die­ser Situa­ti­on jeden­falls das ein­zig Rich­ti­ge: Sie kom­mu­ni­ziert mög­lichst offen, wie die Lage ist und wie sie gegen­steu­ern will. Nur so lässt sich salopp gesagt der Laden zusam­men­hal­ten und das Ver­trau­en schaf­fen, das eine wesent­li­che Grund­la­ge für eine erfolg­rei­che Sanie­rung ist. Die­se wird schwer genug, und es ist dem neu­en Manage­ment eine glück­li­che Hand dabei zu wün­schen. Mit­tel­fris­tig ist die Fra­ge zu beant­wor­ten, was Wöhrl für die Kun­den sein möch­te. „Mode mit star­ken Mar­ken“ war offen­sicht­lich zu wenig.

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Eine Antwort zu “Kippt Wöhrl?

  1. Links und rechts wird es enger. Bei Aldi geht die Mise­re mit einem Dip Dye T‑Shirt für 4,99 Euro los, geht bei Primark/New Yor­ker wei­ter und dann kom­men unse­re Hel­den des Sys­tem­ver­triebs und freu­en sich dar­über wenigs­tens noch 14,99 Euro ver­lan­gen zu dür­fen. Die­ser Kram liegt dann 100 Meter neben dem “Mul­ti­brand” Händ­ler im eige­nen Mar­ken­shop und wird hier und auf der eige­nen Web­site per­ma­nent mit 50% off ver­scher­belt. Wo soll denn da auch noch Platz für die Wöhrls die­ser Welt sein, fragt man sich. Und wie soll man in solch einem Umfeld Geld ver­die­nen?
    Die Fra­ge einer Sanie­rung lässt sich nicht nur mit der Schlie­ßung der “schlech­ten” Filia­len beant­wor­ten. Es müs­sen die “Coo­len” wie­der in den Laden kom­men. Die zie­hen die ande­ren hin­ter­her. Weiß jeder, hält sich aber kei­ner dran. Alle sind geil auf die Mas­sen und die gehen gera­de ger­ne woan­ders hin. Wo man noch mehr Baum­wol­le fürs Geld bekommt.
    Irgend­wann ist halt der Moment gekom­men, wo man nicht mehr nur dar­über nach­den­ken soll­te, dass Mul­ti­brand Han­del nicht heißt, Brands die an “mul­ti­blen” Stand­or­ten lie­gen zu behei­ma­ten. Das hat bekannt­lich zur Fol­ge, dass sich die Kids abwen­den und nach Alter­na­ti­ven gegen die vom Han­del erzeug­te Lan­ge­wei­le suchen (Urban Out­fit­ters, Kauf dich glück­lich, …). Ger­ne wird ver­ges­sen, dass die­se Kids heu­te halt auch mal leicht 35 Jah­re alt sind. Deren Kauf­ver­hal­ten rummst dann bis in die Mens­wear und die DOB. DAS pas­siert gera­de JETZT und jetzt ist kaum einer vor­be­rei­tet. Abzu­se­hen war es. 1.000 mal geschrieben/gelesen und doch nicht ver­in­ner­licht.

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