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Kering ohne Pelz. Freiburg ohne Kaiser.

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Jür­gen Mül­ler

Frei­tag, 24. Sep­tem­ber. Kering ver­zich­tet künf­tig auf Pelz. Nicht nur bei Guc­ci, wo der Pelz-Bann längst gilt, son­dern für alle sei­ne Mar­ken. Das lässt inso­fern auf­hor­chen, als dass Luxus und Pelz nach wie vor eng mit­ein­an­der asso­zi­iert wer­den. Wirt­schaft­lich ist das aller­dings längst kein Fak­tor mehr: Pelz­ar­ti­kel steu­er­ten zuletzt ledig­lich 0,2% zum Kering-Umsatz bei. Es ist viel­mehr eine Ent­schei­dung mit Sym­bol­cha­rak­ter, wie Fran­çois-Hen­ri Pinault gegen­über BoF erklärt. Im Hin­blick auf eine zuneh­mend wer­te­be­wuss­te Kund­schaft ver­su­che Kering sei­ne Mar­ken auf ethi­sche und umwelt­ver­träg­li­che Geschäfts­prak­ti­ken aus­zu­rich­ten. “Unter die­sem Blick­win­kel haben eini­ge Mate­ria­li­en im Luxus kei­nen Platz mehr”, so Pinault. Der fran­zö­si­sche Luxus­kon­zern folgt einem brei­ten Trend. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren haben sich etli­che Häu­ser von der Pelz­ver­ar­bei­tung ver­ab­schie­det, dar­un­ter Cha­nel, Pra­da, Ver­sace und Bur­ber­ry.

Ob die­se Kon­zes­si­on an die poli­ti­cal cor­rect­ness tat­säch­lich auch im Sin­ne von mehr Nach­hal­tig­keit ist, sei mal dahin­ge­stellt. Natür­lich ist es falsch, wenn Tie­re nur ihres Pel­zes wegen getö­tet wer­den. „Aber solan­ge wir Fleisch essen, kön­nen wir uns nicht über Pel­ze beschwe­ren“, hat schon Karl Lager­feld pos­tu­liert. Das gilt auch, wenn man Fast Fashion als Resour­cen­ver­schwen­dung ansieht und statt des­sen lang­le­bi­ge Pro­duk­te und Vin­ta­ge pro­pa­giert. Weni­ge Klei­dungs­stü­cke über­le­ben bei guter Pfle­ge die Jahr­zehn­te so wie Omas Pelz­man­tel.

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Sonn­tag, 26. Sep­tem­ber. Die Bun­des­tags­wahl brach­te nicht das Ergeb­nis, dass sich die meis­ten Unter­neh­mer gewünscht haben. Jetzt hof­fen alle, dass die Ampel wenigs­tens mög­lichst Gelb leuch­tet.

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Mon­tag, 27. Sep­tem­ber. Zara launcht sei­ne neue Linie „Ori­g­ins“ – Con­tem­po­ra­ry Basics im Jil San­der-Look zu Arket-Prei­sen. Und fei­ert das mit der Eröff­nung eines Popup-Store in Paris. Sich im Umfeld der Desi­gner­schau­en zu prä­sen­tie­ren, ist mitt­ler­wei­le fast schon Stan­dard im Mar­ke­ting­mix inter­na­tio­na­ler Retail Brands. So hat Cos neu­lich in Lon­don gezeigt. Zalan­do fei­er­te ver­gan­ge­ne Woche in Mai­land den Start sei­ner Desi­gner-Kam­pa­gne mit einem “mul­ti­sen­so­ri­schen, künst­le­ri­schen Din­ner” im Museo del­la Sci­en­za. Auf­stei­ger About You nutz­te in die­sem Jahr noch die Ber­lin Fashion Week als Platt­form. Die­se hat zwar nicht ganz die Strahl­kraft von Mai­land und Paris, die Strea­mings schaff­ten nach eige­nen Anga­ben trotz­dem über eine Mil­li­ar­de Reich­wei­te.

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Diens­tag, 28. Sep­tem­ber. Die Schlie­ßung von Kai­ser in Frei­burg ist ein ziem­li­cher Schock. Die Nach­richt bestä­tigt vie­le Befürch­tun­gen, die es in Fach­han­del und Indus­trie nach den Lock­downs gibt. Das Unter­neh­men mit sei­nen fünf Geschäf­ten und den über 200 Mit­ar­bei­ten­den gehör­te jahr­zehn­te­lang zu den ers­ten Adres­sen der Bran­che. Seit dem Tod von Ger­hard Kai­ser hat man wenig aus Frei­burg gehört, jetzt die Ankün­di­gung der Liqui­da­ti­on im Juni 2022 durch Inha­ber Frank Motz: Man habe in den ver­gan­ge­nen zehn Jah­ren nicht mehr aus­rei­chend Gewinn erzielt, so dass Kapi­tal nach­ge­schos­sen und Bank­kre­di­te auf­ge­nom­men wer­den muss­ten. Die Lock­downs und Fre­quenz­ein­bu­ßen hät­ten zu einem erheb­li­chen finan­zi­el­len Scha­den geführt, der kurz­fris­tig auf­ge­setz­te Online Shop habe den Scha­den nur ver­grö­ßert und wer­de wie­der ein­ge­stellt. In sämt­li­chen Sze­na­ri­en wer­de deut­lich, dass das Geschäfts­mo­dell auch zukünf­tig nicht in der Lage sei, erfor­der­li­che Ren­di­ten zu erwirt­schaf­ten. „Ein Haus unse­rer Grö­ße ist kein klei­nes, wen­di­ges Segel­schiff, das sich behän­de mit dem Wind navi­gie­ren und auf Kurs hal­ten lässt“, heißt es auf der Kai­ser-Web­site, „es ist viel­mehr ein besat­zungs­star­ker Damp­fer, der dau­er­haft die Kraft star­ker Tur­bi­nen und den Raum des offe­nen Mee­res braucht. Die Gewäs­ser sind unkal­ku­lier­ba­rer gewor­den, die damit ver­bun­de­nen Risi­ken sind nicht trag­bar für uns.“

Es ist eine frus­trie­ren­de Bilanz unter­neh­me­ri­scher Per­spek­tiv­lo­sig­keit, die indes nur in Tei­len all­ge­mein­gül­tig sein wird. Die kata­stro­pha­le Markt­la­ge der ver­gan­ge­nen 18 Mona­te hat alle Mode­ein­zel­händ­ler getrof­fen, und wer vor­her schon wirt­schaft­lich ange­schla­gen war, den hat die Coro­na-Kri­se dem Abgrund näher gebracht. Manch einer könn­te fol­gen. Am Ende hän­gen sol­che Ent­schei­dun­gen aber stets auch an pri­va­ten Umstän­den und der per­sön­li­chen Lebens­pla­nung. Wenigs­tens ent­schie­den die Inha­ber sich für eine geord­ne­te Abwick­lung, statt eine har­te Insol­venz ein­zu­lei­ten. Das lin­dert den Scha­den für die Lie­fe­ran­ten und ver­schafft vor allem den betrof­fe­nen Mit­ar­bei­ten­den die Zeit, sich umzu­ori­en­tie­ren. Frei­burg als Ein­kaufs­stand­ort wird ohne Kai­ser indes zwei­fel­los an Viel­falt und Attrak­ti­vi­tät ver­lie­ren.

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