Für alle in Handel und Industrie, die es nicht mitbekommen haben: Diese Woche war Fashion Week in Berlin!
Bevor Einkäufer und Vertriebsleute jetzt nervös werden, dass sie einen Termin übersehen haben: Sie haben nichts verpasst. Zumindest nicht, wenn man die üblichen Messe-Maßstäbe anlegt. Die Berlin Fashion Week, die bislang schon ein Hybrid aus B2B und B2C, aus Branchenveranstaltung, Kulturevent, Marketing- und Medienspektakel war, ist einstweilen in Richtung B2C abgebogen. Hier geht es darum, deutschen Designern und dem Nachwuchs eine Bühne zu bieten, für Mode aus Deutschland als förderungswürdigem Kulturgut zu trommeln, den Mythos von Berlin als Modestadt weiter zu pflegen, Kreativszene und Kulissen zur Positionierung von Auto- und sonstigen Marken zu nutzen. Von unmittelbarer kommerzieller Relevanz für den Handel war das alles nicht. Es wäre auch der falsche Termin gewesen. Jetzt, Anfang September, geht es ums Verkaufen, nicht ums Einkaufen. So wie bei About You; der Web Retailer nutzt den Fashion Week-Rahmen für seine eigenen Catwalks; von Samstag an werden Millionen Kund*innen online in der First Row Platz nehmen, um dann sogleich zu shoppen.
Die Messen, die ja mal der Nukleus der Berlin Fashion Week waren, sind weg. Handel und Industrie treffen sich im Januar in Frankfurt. An der Spree geblieben sind die Mercedes Benz-Modenschauen, der Berliner Salon, Nachwuchsschauen wie Neo.Fashion, diverse Ausstellungen, Kongresse und Symposien sowie Empfänge und Events. Gefördert mit Millionen vom Berliner Senat, wohl in der Hoffnung, das zarte Pflänzchen, das die Berliner Modewirtschaft darstellt, am Leben zu erhalten. Die Standortkonkurrenz mit der Mainmetropole hat einen Schulterschluss der vielen Player und Initiativen bewirkt, die die Berliner Modeszene ausmachen. Und weil das eine sehr bunte Szene ist, die Designer und Modeschüler, Kreative und Medienmacher, Ladenbetreiber und Start-ups, Künstler und Kulturschaffende, Nachhaltigkeitsapostel und Techies, Influencer und Celebrities vereint, ergibt das mitunter ein diffuses Bild. Auch ist fraglich, wieviele Symposien wir noch brauchen, um uns gegenseitig zu erzählen, wie dreckig unser Geschäft und wie wichtig Sustainability ist. Bei einigen Formaten kann man sich schon fragen, wen außerhalb der eigenen Blase das Ganze eigentlich erreichen soll. Geschenkt.
Wobei es die eine Blase ohnehin nicht gibt. In Berlin trafen bei rechtem Licht besehen stets verschiedene Welten aufeinander. Selbst als es Premium und Panorama hier noch gab, haben sich kaum Einkäufer auf die Schauen verirrt. Jetzt sind Sie nicht mal mehr in der Stadt. Es ist schade, dass es soweit gekommen ist. Show und Business zusammen entwickelten medial mehr Wumms. Wovon alle profitierten. Der Glamour-Aspekt war, erinnern wir uns, auch das schlagende Argument, als sich Berlin und Düsseldorf battelten. Die Hauptstadt hat sich durchgesetzt.
Als die Messen noch in der Stadt waren, waren die vielen Sideevents so etwas wie der Ketchup auf der Currywurst. Jetzt ist nur noch der Ketchup übrig. Und in Frankfurt müssen sie dafür jetzt ordentlich Musik machen, damit den Handkäs einer bestellt.