Freitag, 1. April. Nach F‑35 (USA) und Arrow 3 (Israel) plant Berlin den nächsten Großauftrag ins Ausland zu vergeben: Die Bundeswehr kauft Unterwäsche in Großbritannien ein. Das hat profashionals aus Regierungskreisen erfahren. Die Bestellung im Wert von rund 1,5 Milliarden Euro soll an Four Marketing gehen, die Dachgesellschaft der Dessousmarke Agent Provocateur, die sich im Besitz des britischen Unternehmers Mike Ashley (Sports Direct) befindet.
In der Londoner Finanzszene wird bereits spekuliert, dass es einen Zusammenhang mit der Aufstockung von Ashleys Anteilen an der Hugo Boss AG geben könnte. Der Brite wolle sich den Zugriff auf Ressourcen des deutschen Modeunternehmens sichern, das unlängst einen Ausbau seiner Produktion im türkischen Izmir bekannt gegeben hat. Branchenbeobachtern scheint dies durchaus plausibel. Nicht nur, dass die Metzinger eine gewisse Tradition als Armeeausstatter haben, mit 'Boss Green' verfügen sie auch über ein passendes Label. Zudem weisen Äußerungen des neuen Kreativchefs Marco Falcioni in diese Richtung: “Auf die Casualisierung folgt jetzt die Militarisierung”, zitieren interne Quellen aus seiner Antrittsrede am 1. März.
Mike Ashley mochte sich zu solchen Spekulationen nicht äußern. Der Deal scheint dennoch beschlossene Sache. Die Bundesregierung sah sich nach der Kritik von Eva Högl unter Zugzwang. Die Wehrbeauftragte hatte nach einem Truppenbesuch in Litauen erschreckende Ausrüstungsmängel beklagt. “Mir haben reihenweise Soldatinnen und Soldaten erzählt, dass sie keinen ausreichenden Kälte- und Nässeschutz haben”, sagte die SPD-Politikerin der dpa. Dies sei ein Skandal für eines der reichsten Länder der Welt. 100 Milliarden Euro hat Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner historischen Zeitenwende-Rede der Bundeswehr versprochen, 1,5 Milliarden sollen nun in Unterhosen und Büstenhalter für die Soldatinnen und Soldaten investiert werden.
Die Aussicht auf baldigen Nachschub hat die Verteidigungsministerin veranlasst, kurzfristig 5000 Unterwäsche-Sets aus DDR-Beständen zur Lieferung an die Ukraine freizugeben. Dies sei ein “ganz deutliches Signal: Wir stehen an Eurer Seite”, sagte Christine Lambrecht der dpa. Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk begrüßte die angekündigte Lieferung der Textilien, kritisierte sie zugleich aber als “reine Symbolgeste”. Wäsche könne sehr wohl eine Waffe sein. Aber die Auftritte von Präsident Selenskyj vor Parlamenten in aller Welt zeigten, dass Unterhemden das Letzte seien, was die Ukraine aktuell benötige.
“Meine Interpretation von 'Zeitenwende' ist genderfluid”: Soldatinnen und Soldaten sollen eine Unisexausstattung erhalten.
Auch die deutsche Industrie sieht das Vorhaben der Bundesregierung kritisch. “Angesichts der aktuellen Situation unserer Branche können wir eine Auftragsvergabe nach England nicht gutheißen” heißt es beim Unternehmerverband, "dafür fehlt uns das Verständnis, auch wenn wir uns selbst ‘Germanfashion’ nennen”.
Die Wäscheproduzenten Schiesser, Mey und Triumph halten sich mit offiziellen Äußerungen zurück. Lediglich Wolfgang Grupp wagt sich aus der Deckung. Trigema war mit seinem Vorschlag, nach 'The Länd'- nun 'The Wehr'-Shirts zu liefern, beim Beschaffungsamt in Koblenz abgewiesen worden. “100 Milliarden, um die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr herzustellen? Es wundert mich, dass keiner sagt, wer diese Misere zu verantworten hat”, wetterte der Trigema-Chef unlängst im Interview mit Focus. “Wenn wir bei Trigema über 1000 Nähmaschinen haben und keine davon läuft, dann würde ich sofort dafür verantwortlich gemacht.”
"Unsere Wäsche ist definitiv für den Nahkampf geeignet", verspricht indes Sarah Shotton. Die langjährige Kreativdirektorin von Agent Provocateur hat gut informierten Kreisen zufolge die stilistische Federführung bei der Entwicklung der neuen Bundeswehr-Kollektion übernommen. Gegenüber profashionals bestätigt sie die Gerüchte. Ihre erste Kollektion sei von ‘Fifty Shades of Green’ inspiriert, sagt die britische Wäscheveteranin: “Meine Interpretation von 'Zeitenwende' ist genderfluid.” Soldatinnen und Soldaten sollen eine Unisexausstattung erhalten. Angesichts des Fitnesszustands vieler Kämpfer könne ein Oberteil nicht schaden. Es gehe auch darum, den cis-Soldaten ihre toxische Maskulinität auszutreiben.
Nur auf Spitze will die Agent Provocateur-Kreative verzichten. “Wir wollen Putin nicht unnötig reizen.”