Auch wenn man manchmal den gegenteiligen Eindruck hat, beschränkt sich Modemarketing längst nicht nur auf Preiswerbung. Wer umgekehrt glaubt, man müsse nur großflächig seine aktuelle Kollektion plakatieren und schon läuft das Geschäft, könnte ebenso falsch liegen. Um die Kunden zu locken, muss man sich schon mehr einfallen lassen. Idealerweise zahlen Aktionen aufs Markenimage ein und sich zugleich an der Kasse aus. So ist man relativ schnell bei Kollaborationen. Das Co-Branding bekannter Namen gibt es nicht erst, seit H&M auf die Idee mit Lagerfeld kam. C&A hat schon vor 40 Jahren mit Yves Saint Laurent für Schlagzeilen gesorgt. Es ist also ein alter Hut. Was die Modeleute dennoch nicht davon abhält, sich diesen aufzusetzen.
Und wie. In diesem Frühjahr hat die Branche ein Feuerwerk an marketinggetriebenen Kollektionen gezündet. Ein kleiner Auszug: Esprit verlängert seine Frischekur mit Opening Ceremony. About You‘s Lena Gercke-Kollektion ist im Nu ausverkauft. Mytheresa stellt Capsule-Kollektionen mit Off-White und Miu Miu vor. Vilebrequin entwickelt eine Strandmoden-Kollektion mit Karl Lagerfeld. Schuhhersteller Santoni und Steppjacken-Spezialist Duvetica kommen mit einer gemeinsamen Sneaker-Kollektion. Sutor Mantelassi lässt Sartorialist-Blogger Scott Schumann für drei Sneaker-Modelle ran. Raf Simons, Christopher Raeburn, AMI und Vetements schicken bei den Schauen in London, New York und Paris ihre Entwürfe von Eastpak über den Catwalk. Die Taschenmarke kooperiert darüber hinaus bei Reisegepäck mit dem Modelabel Paul & Joe. Diesel und Naomi Campbell haben sich für eine Kollektion zusammengetan, deren Erlöse einer Flüchtlingsorganisation zugute kommen. Dabei könnte Diesel das Geld zurzeit selbst gut gebrauchen. Und Aldi-Süd bringt die „Mach Dich krass“-Fitness-Kollektion mit Daniel Aminati in seine Filialen.
Besonders angesagt sind zurzeit Künstler-Kooperationen. So lässt Agnes B. pünktlich zu den Filmfestspielen in Cannes zwei T‑Shirt-Motive von Regisseur David Lynch designen. Wrangler feiert sein 70jähriges mit einer Capsule Collection des Pop Art-Künstlers Peter Max. Der britische Illustrator Steve Wilson hat Artikel für Karl Lagerfeld gestaltet. &other Stories kooperiert mit der isländischen Künstlerin Hrafnhildur Arnardóttir. Die nennt sich klugerweise Shoplifter, was für eine Zusammenarbeit mit einem Einzelhändler wiederum nicht ohne Witz ist.
Uniqlo bringt seit langem regelmäßig von Künstlern gestaltete T‑Shirts in seine Läden. In diesem März waren das André Saraiva, Futura und KAWS. Diese Woche kommen die 25 Gewinner-Shirts des Uniqlo-Designwettbewerbs mit Nintendo-Motiven in die Läden. Für den Herbst gestaltet J.W. Anderson eine Kollektion. Und den Launch des neuen Bademoden-Sortiments begingen die Japaner mit der französischen Marke Princesse Tam Tam (die bekanntlich Uniqlo-Mutter Fast Retailing gehört).
Auch für Popstars gibt es im Modebusiness schöne Nebenverdienstmöglichkeiten: So begeht Marc O’Polo sein 50jähriges Firmenjubiläum mit einer von Robbie Williams gestalteten Kollektion. Deichmann lässt in diesem Frühjahr Ellie Goulding mit Schuhmodellen ran. H&M hat sich die Dienste Zara Larssons gesichert, im Herbst kommt die Kollektion der Rapperin Nicki Minjai in die Läden. Carhartt arbeitet mit Eminem zusammen und Adidas erneut mit Pharell Williams. Und das, obwohl der doch bekanntlich zu G‑Star gehört.
Auch andere Branchen bedienen sich übrigens des Mechanismus‘. So lässt Caran d’Ache eine Schreibgeräte-Linie von Peter Marino entwerfen; die „Leder-Couture“ liegt bestimmt gut in der Hand. Google verkauft zum Launch seiner neuen „Really Blue“-Smartphones eine gleichnamige Jeans-Kollektion des britischen Designers Christian Cowan. Ikea lässt Dekorationsartikel von der Star-Stylistin Bea Akerlund gestalten. Und Harald Glööckler stellt eine Swarovski-Harley Davidson auf einer Karlsruher Designmesse aus. Will Swarovski damit rockiger werden? Oder Harley Davidson weiblicher? Ganz klar ist das nicht.
Co-Branding fast schon zum Geschäftsmodell erhoben hat Supreme. Das Streetwear-Label hat seine schlichten Sweatshirts mit Louis Vuitton, Acquascutum, Brooks Brothers und Comme des Garcons veredelt bzw. diesen eher gesetzten Brands irgendwie edgyness verschafft. Diese Woche geisterten nun Fotos von Supremes neuer Michael Jackson-Kollektion durch Instagram.
Das Modemarketing koppelt sich zunehmend vom klassischen Saisonrythmus der Branche ab, und das nicht nur deshalb, weil das Wetter sich allzu häufig nicht an die Marketingpläne der Brands hält. An die Stelle der saisongetriebenen tritt zunehmend eine aktionsgetriebene Kommunikation. Das hängt natürlich mit dem übersättigten Markt zusammen, der zu kreativen Kapriolen zwingt. Und mit der immer komplexeren Medienlandschaft, die nur noch besondere Werbebotschaften durchdringen lässt und bei der nicht mehr Zeitschriften oder TV-Sender Reichweite bringen, sondern Fans und Follower bei Instagram und YouTube. Anlässe, Inhalte und Timing ändern sich. Schließlich bieten Webshops die Flexibilität, jederzeit und unabhängig vom Saisonzeitpunkt Anstöße zu geben. In ausgedehnten Filialnetzen ist das sehr viel aufwändiger. Das Geschäft wird sich mit der Digitalisierung weiter beschleunigen, viel mehr Aktion und schnellere Reaktion erfordern. Es verlangt nach Impulsen, die der modische Wandel allein nicht mehr setzen kann.