Dieser November ist bitter. Der Wellenbrecher-Lockdown drückt Frequenzen und Umsätze unerbittlich ins Minus. Mit der Faust in der Tasche spielt man beim Black Friday mit, obwohl man vorher schon weiß, dass dieser nur Margenverluste bringen wird. Jetzt muss der Handel auch noch Mitarbeiter als Frequenzzähler am Eingang abstellen. Es ist schlimm.
Im Modehandel kämpfen zurzeit nicht wenige ums Überleben. Und was macht Zalando? Führt das Gendersternchen ein, verkauft Beautyprodukte in allen Hauttönen, sorgt für behindertengerechte Websites und will 70 neue Modemarken listen, die von schwarzen Personen geführt werden. Haben die in Berlin denn sonst keine Probleme? Bestimmt. Aber halt andere.
Man mag die Maßnahmen, die Zalando gerade in seinem ersten Diversitäts- und Inklusionsbericht auflistet, im Einzelfall albern finden. Die Konsequenz und Professionalität, mit der die Thematik umfassend angegangen wird, beeindruckt aber. Die Ernsthaftigkeit und Sorgfalt, die Zalando auf diese vordergründig fürs Geschäft nicht entscheidenden Themen verwendet, zeigt, wie meilenweit sich der Online Retailer von den Problemen abgekoppelt hat, die Modehändler ansonsten so umtreiben. Keine schlechte Pointe für ein Unternehmen, dem anfangs viele als Geldverbrennungsmaschine keine Zukunft gegeben hatten. Nicht zuletzt dokumentiert das Management, dass Unternehmenskultur nicht etwas ist, das irgendwie gewachsen oder einfach da ist, sondern ein nachhaltig wirkender Erfolgsfaktor, den man aktiv zu gestalten gedenkt.
Zalando befindet sich international in guter Gesellschaft. Ja, man hat fast den Eindruck, dass es sich um ein ausgesprochenes Mode-Thema handelt. Levi Strauss, Nike, Prada, Burberry, Chanel – alle haben sie in den letzten Monaten Diversity & Inclusion-Beauftragte installiert, fast durchgängig people of color übrigens. Auch Hugo Boss hatte eine entsprechende Stelle ausgeschrieben. Nicht immer ist ganz klar, mit welchen Kompetenzen diese Positionen ausgestattet sind, und ob sie in der HR oder doch eher in der PR angesiedelt sind. Natürlich geht es auch um Öffentlichkeit, darum, sich bei Kunden und Beschäftigten als verantwortungsbewußt und zeitgemäß zu positionieren. Angriffsflächen zu minimieren ist für börsennotierte Unternehmen nicht zuletzt IR-relevant. Das hat das Thema Diversity & Inclusion übrigens mit der Nachhaltigkeit gemeinsam, das für viele in der Industrie entgegen anderslautenden Bekenntnissen keine Herzensangelegenheit, sondern in erster Linie eine kostentreibende ‚pain in the ass‘ ist.
Heute kann man sich damit noch profilieren. Zalando nutzt diese Chance. Aber schon bald werden die Sicherstellung von Vielfalt und Gleichberechtigung in Unternehmen sowie die soziale und ökologische Verträglichkeit von Produkten von Kunden wie Mitarbeitern als selbstverständlich betrachtet werden. Und – sofern die Politik auf gesellschaftliche Stimmungen reagiert – in der einen oder anderen Form auch in staatlicher Regulierung münden. Das viel diskutierte Lieferkettengesetz ist ein Beispiel. Die von der Regierung am vergangenen Wochenende auf den Weg gebrachte Frauenquote ein weiteres.
Der nächste Zalando-Vorstand wird so oder so mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Vorständin sein. Die erste übrigens in diesem Gremium. Keine guten Aussichten für die SVPs in der zweiten Reihe, soweit sie mit einem Y‑Chromosom ausgestattet sind: Die werden sich eine baldige Beförderung wohl abschminken können.
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Und sonst?
…verschiebt Frankreich den Black Friday um eine Woche nach hinten. Dann sollen die Läden auch wieder geöffnet sein. Amazon zieht gnädigerweise mit.
…eröffnet am kommenden Montag das "Kaufhaus Österreich". Diese Initiative der Wirtschaftskammer wird in den Medien bereits zum Anti-Amazon hochgejazzt. Was wohl zuviel der Ehre ist für dieses mit Steuermitteln finanzierte bessere Adressverzeichnis.
…schließt Abercrombie seine Flagships in München, London und Paris. Jetzt erst?
…will Mytheresa in den USA an die Börse gehen. Dass dieses Unternehmen eines Tages mal an der Wall Street notiert sein könnte, hätten Susanne und Christoph Botschen im Leben nicht gedacht, als sie ihren Laden 1987 in der Münchner Fußgängerzone eröffneten.
…überbieten sich die Designer in kreativen Schauen-Alternativen. Nach Jeremy Scotts Puppenshow und Alessandro Micheles Filmfestspielen setzt Demna Gvasalia für Balenciaga auf ein Videospiel. Ein Ego Shooter, allerdings wohl kaum für Schnäppchenjäger.