Montag, 4. April. Heute ist ‚Freedom Day‘, wenn auch hierzulande nicht so umfassend wie andernorts, aber wenigstens von den Masken hat die Regierung uns weitgehend befreit. Und obwohl das eine verkaufsfördernde Maßnahme sein könnte, sind die meisten Einzelhändler nicht glücklich darüber. Angesichts der immer noch hohen Inzidenzen und einer vermutlich noch viel höheren Dunkelziffer bei den Infektionen kommt der Schritt aus Sicht der Kaufleute zu früh. Es geht um den Schutz der Mitarbeiter. Denn solange die Quarantänevorschriften so sind, wie sie sind, sind Ausfälle bei der Belegschaft zu befürchten.
Aus der angekündigte Lockerung der Quarantänebestimmungen wird ja nach Lauterbachs Volte am Dienstag vorerst nichts. Und die Impfpflicht wird diese Woche ebenso scheitern. So wird die Maske vermutlich noch für lange Zeit zur Dienstbekleidung im Einzelhandel gehören.
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Dienstag, 5. April. Frisches Geld für Snocks: Das Mannheimer Start-up, gerade mal sechs Jahre alt, hat seinen Umsatz im vergangenen Jahr auf 32 Millionen Euro verdreifacht. Diese Performance hat den Finanzinvestor Cathay offenbar überzeugt, einen zweistelligen Millionenbetrag für das weitere Wachstum bereitzustellen.
Die Cousins Felix Bauer und Johannes Kliesch schlagen damit das nächste Kapitel ihrer unwahrscheinlichen Erfolgsgeschichte auf: Zwei gelernte Banker steigen ins Textilgeschäft ein, mit einem reinen Commodity-Produkt, das sonst über Supermärkte und Discounter möglichst billig verkauft wird: Sneakersocken. Amazon macht's möglich, und die beiden Digital Natives wissen die Mechanismen des Marketplace wie die Möglichkeiten von Performance Marketing zu nutzen. 2019 kürt Amazon Snocks zum Verkaufspartner des Jahres.
Inzwischen bietet der Onlineshop ein breites Sortiment an Socken und Unterwäsche an, und die Produktpalette soll weiter wachsen: „Wir wollen die führende Basic-Fashion-Brand in Europa und darüber hinaus werden“, so Felix Bauer zur TW. „Unser Slogan lautet 'Why not?'“, sekundiert Johannes Kliesch. „Wir wollen das Gefühl transportieren, dass einer alles schaffen kann.“
Es braucht wohl solche von Branchenfremden initiierten Start-ups wie Snocks, die mit frischen Ideen und anderen Methoden ans Geschäft gehen, und die zeigen: Es geht noch was in diesem Markt.
Vom Groß denken haben sich die meisten etablierten Player im Textilgeschäft dagegen verabschiedet – die Krise, der Preiswettbewerb, die vollen Kleiderschränke. Es braucht wohl solche von Branchenfremden initiierten Start-ups wie Snocks, die mit frischen Ideen und anderen Methoden ans Geschäft gehen, und die zeigen: Es geht noch was in diesem Markt.
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Mittwoch, 6. April. Groß denken, das praktiziert man auch bei Shein. Bloomberg hatte gemeldet, dass der chinesische Online Player im Zuge einer Finanzierungsrunde mit 100 Milliarden Dollar bewertet wird – mehr als Inditex und H&M zusammen, wie die Fachpresse in aller Welt munter voneinander abschreibt. So richtig hergeleitet hat diese Bewertung freilich keiner. Fakt scheint zu sein, dass Investoren wie General Atlantic, Tiger Global und Sequoia jetzt eine Milliarde in das Unternehmen gepumpt haben, das seit vielen Monaten als Börsenkandidat gehandelt wird. Und nachvollziehbar scheint auch, dass der Pure Player mit seinem Faster Fashion-Konzept die vorwiegend stationären Schweden und Spanier während des Corona-Lockdowns outperformt hat. Aber so genau weiß man es wie gesagt nicht. Die Chinesen mauern, wenn es um Zahlen geht und geben auch jetzt keinen Kommentar ab.
Beeindruckend ist die Zahl von 314.877 Styles, die Shein im Jahr angeblich neu in den Webshop bringt – „Thousands of new items every day“, wie BoF schreibt. Man kann sich im Redaktionsschluss-Stress in der allgemeinen Shein-Superlativ-Euphorie schon mal verrechnen. Dass das Unternehmen in 250 Länder weltweit vertreibt, wie Fashionnetwork schreibt, oder in über 200 aktiv ist, wie die TW verkündet, widerlegt hingegen Google: Es gibt nur 195.
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Donnerstag, 7. April. Nachdem Chanel den Verkauf an russische Kundinnen weltweit eingestellt hat, ist deren Empörung groß: "Das ist ein Schock für eine Frau, die seit mehr als 20 Jahren Chanel Haute Couture kauft und bei den Schauen in der ersten Reihe saß", so die Influencerin Yana Rudkoskaya (6 Millionen Follower) gegenüber dem Mirror. Sie habe im Laufe der Jahre mehr als eine Million Euro bei Chanel ausgegeben und empfinde das Kauf-Verbot als "etwas demütigend". Die Sängerin mit dem militant klingenden Namen Anna Kalashnikova (2,4 Millionen Follower) erinnert daran, „dass Coco Chanel nicht nur die Geliebte eines Nazi-Offiziers war, sondern auch eine Agentin des deutschen Geheimdienstes. (…) Es ist so niederträchtig, Faschismus und Russophobie zu unterstützen." Putins Geschichtsklitterung verfängt offensichtlich bei russischen Modeopfern.
Und während die reichen Russen jetzt wieder Slava Zaitsev tragen müssen, rüstet der Westen die Ukraine modisch auf: Der US-Konzern Capri Holdings will Kleidung seiner Marken Versace, Michael Kors und Jimmy Choo im Wert von umgerechnet mehr als einer Million Euro spenden.
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Freitag, 8. April. Gleich zum Frühstück zwei aufsehenerregende Zahlen:
Auf 53.625.150,18 Euro Schadenersatz hat das OLG Hamm sechs frühere Aufsichtsräte der 2009 insolvent gegangenen Arcandor AG verurteilt. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, dürfte dies manche Rente empfindlich schmälern.
Auf 133 Millionen Euro beläuft sich die Vergütung der Zalando-Gründer Robert Gentz und David Schneider sowie des im Sommer ausgeschiedenen Rubin Ritter laut Geschäftsbericht 2021. Schreit da jemand vor Glück?