Diese Woche sind wir Demna Gvasalia wieder mal voll auf den Leim gegangen. BoF postete Fotos der neuen Balenciaga-Sneaker: völlig zerstörte und verdreckte Canvas-Schuhe, die sich nach dem Waschen womöglich als Chucks-Kopien entpuppen. Das Ganze in einer Limited Edition von 100 Paar.
Über 40.000 BoF-Follower klickten „Gefällt mir“, und Hunderte kommentierten. Der Tenor war überwiegend negativ. „Wenn Christobal Balenciaga lebte und dies sähe, er würde sich umbringen.“ „Da hat einer gerade Margiela entdeckt.“ „Die kann ich im Müll umsonst bekommen.“ „Wenn die sich verkaufen, bin ich fertig.“ „Klauen wir jetzt von den Obdachlosen, weil wir selbst keine Ideen mehr haben?“ Demna Gvasalia verspotte Armut. „Es ist ekelhaft, die Verzweiflung eines Menschen, der sich keine neuen Schuhe leisten kann, in High Fashion zu verwandeln. Ich schätze, der Teufel trägt Prada, aber auch Balenciaga?“
Dabei ist es vermutlich genau umgekehrt, und Demna Gvasalia verspottet nicht die Armen, sondern die Reichen. Im Webshop gibt es die Balenciaga-„Chucks“ im Used Look für irre 1450 Euro. Es ist, als lote Gvasalia die Leidensfähigkeit von Modeopfern aus. Vielleicht, spekuliert einer, sei Balenciaga ja nur ein soziales Experiment, um herauszufinden, wie weit die Menschen in ihrem Streben nach Luxus zu gehen bereit sind. Gvasalia stelle das Wesen des Luxus völlig auf den Kopf und mache sich erneut über Menschen lustig, die einen Mindestlohn für Dinge ausgeben, die sie als Wegwerfartikel betrachten und die scheinbar wertlos sind. „Ist ein Luxushaus das richtige Medium für diese Botschaft? Ich weiß es nicht. Aber ich hasse es, es zu lieben.“
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Während die Avantgarde es nun also dirty mag, kleidet sich der Mainstream clean. Nicht nur beim Garhammer-Jubiläum erscheint zurzeit gefühlt jeder zweite Mode-Mann in weißen Sneakern. Das kann man natürlich als Konformität von Leuten geißeln, die vielleicht mehr noch als andere stilistisch etwas Besonderes sein möchten. Und man kann die Mutlosigkeit einer Branche beklagen, die sich gerne als Vorreiter sieht und von diesem Selbstverständnis letztlich auch lebt.
Mir bleibt da nur, auf Exactitudes zu verweisen, ein Kunstprojekt, das sehr schön zeigt, dass auch der größte Individualist am Ende nur der Gruppe der Individualisten angehört. Im Übrigen wird die Sneakerdichte beim Neujahrsempfang des Bürgermeisters von Waldkirchen mit Sicherheit eine andere sein.
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Wo wir schon bei Sneaker sind: Gleich zwei Übernahmen wurden am Dienstag bekannt.
Die schweizer Arklyz Group, Dachgesellschaft von The Athletes Foot mit 560 Läden in 30 Ländern, übernimmt den Darmstädter Sneaker Store Asphaltgold. Verschiedene Assets machen den Deal für die Schweizer interessant: Das Online-Know-how und die Zielgruppen-Reichweite, die der 2008 gegründete Sneaker Store mitbringt. Die Credibility, die Asphaltgold bei Sneakerheads hat. Und damit verbunden der Zugang zu bestimmten Brands und exklusiven Modellen.
Credibility ist freilich ein flüchtiges Gut. Es wird daher sehr darauf ankommen, wie die Marke 'Asphaltgold' unter dem Dach eines großen Konzerns gepflegt wird. Gründer Daniel Benz, der die Marke verkörpert, soll für die notwendige Kontinuität sorgen. Wenn alles gut geht, dann eröffnet der Deal den Darmstädtern internationales Wachstumspotenzial.
Sven Voth hat es vorgemacht. Der Snipes-Gründer hat die Firmenmehrheit vor elf Jahren an die Deichmann-Gruppe verkauft. Seither wächst das Unternehmen sehr dynamisch, wobei es gut gelingt, Kommerzialität mit Hipness zu verbinden. Aktuell nutzt Snipes die prekäre Lage vieler pandemiegeschwächter Anbieter zur beschleunigten Expansion. So wurde ebenfalls an diesem Dienstag die Übernahme der 18 Shooster-Stores in Kroatien bekanntgegeben. Im März übernahmen die Kölner den US-Filialisten Expressions, Ende vergangenen Jahres die Läden von Jimmy Jazz. 2021 expandierte Snipes mit der Übernahme der polnischen Kette Distance nach Polen. Snipes ist damit in wenigen Monaten um insgesamt 250 Standorte gewachsen und betreibt nun 680 Filialen in elf Ländern.
Im High End-Sneaker-Segment ist Snipes mit Solebox und MBCY vertreten. Die sind für Snipes so etwas wie Asphaltgold jetzt für Arklyz. Von den 561 bei Solebox gelisteten Männersneakern sind übrigens 136 – und damit mit Abstand die meisten – weiß.