Es hatte sich angedeutet, eine Bilanzvorlage verschiebt man als börsennotiertes Unternehmen ja nicht zum Spaß. Mittwochabend dann die Nachricht, die lange erwartet worden war: Tom Tailor trennt sich von Bonita. Und zieht einen Schlussstrich unter ein Engagement, das die Hamburger viel Geld gekostet hat.
Schon die Übernahme vor gut sechs Jahren war seinerzeit umstritten und wohl im Wesentlichen dem Drang nach Größe und dem Schüren von Analystenphantasien geschuldet. Die Verluste überstiegen indes die Synergien. Das Bonita-Format, bis in die Nuller-Jahre unter Günter Biegert mal eine echte Perle, hatte seinen Zenit offenkundig überschritten. Der Gründer zog sich mit dem Verkauf geschickt aus der Affäre und hat dann mit dem Verkauf seiner Tom Tailor-Anteile an Fosun ein weiteres Mal Kasse gemacht. Ex-CEO Dieter Holzer hatte Bonita nach der Übernahme als "eines der intelligentesten Retail-Konzepte in Europa" gepriesen. Das neue Tom Tailor-Management erbte vier Jahre später indes einen Klotz am Bein, von dem es sich jetzt befreit. Die Börse hat das gestern mit einem vorübergehenden Kurssprung von über 10% honoriert, am Ende des Tages waren es immerhin noch 7%. So weit der gute Teil der Nachricht.
Der andere Teil betrifft den neuen Eigentümer. Man reibt sich die Augen und schlägt gleichzeitig die Hände über dem Kopf zusammen: es ist Victory & Dreams. Der niederländische Investor, der gerade mit der Insolvenz seiner Tochter Miller & Monroe Schlagzeilen macht. Ein Unternehmen, das vor zwei Jahren aus dem Nichts auftauchte und seither durch die Übernahmen malader Filialisten wie Charles Vögele in den Niederlanden, Deutschland und Österreich, von Witteveen und Men at Work in den Niederlanden und jetzt von Bonita zu einem Konglomerat von über 1200 Läden gewachsen ist. Ein undurchsichtiges Konstrukt, hinter dem unter anderem Manager stehen, die 2016 schon den Bekleidungsfilialisten MS Mode mit ein paar hundert Läden über die Wupper gehen haben lassen.
Welches Geschäftsmodell Victor & Dreams verfolgt, darüber kann man nur spekulieren. Neben dem Verkauf von Bekleidung profitiert man offensichtlich als Problemlöser für in Schieflage geratene Konzerne und Filialisten. Dass Tom Tailor diesen Weg wählen musste, Bonita loszuwerden, ist fragwürdig. Es zeigt auch, wie groß der Druck in Hamburg sein muss.
Und sonst?
… zieht sich C&A‑CEO Alain Caparros wegen Herzproblemen zurück. Das ist bitter für ihn. Und nicht gut für C&A.
… verdienen die Zalando Co-CEOs ab sofort nur noch 65.000 Euro im Jahr, wie im Handelsblatt zu lesen ist. Die Long Term-Incentives von David Schneider, Robert Gentz und Rubin Ritter belaufen sich dem Bericht zufolge dafür auf 170 Millionen, sofern in fünf Jahren die hochgesteckten Ziele erreicht sind. 170 für jeden.
… erlöste Levi Strauss beim gestrigen Börsengang über 600 Millionen Dollar. Was wird der Erfinder der Jeans mit dem vielen Geld anfangen? Womöglich Lee und Wrangler kaufen, die VF loswerden möchte?
… hat das Heavy Metal Open Air in Wacken einen neuen Sponsor: Kaufland! Demnächst taucht bei Coachella dann wahrscheinlich das Kik-Logo auf und SXSW wird von Fressnapf gehostet.
… heißt Kaufstadt jetzt Galeria Karstadt Kaufhof. Man hätte es auch Galeria-Karstadt-Quelle-Kaufhof-Neckermann-Horten-Arcandor nennen können, witzelt Olaf Kohlbrück in Etailment. Er hat Hertie vergessen.
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