Wenn man wollte und es über kurz oder lang nicht langweilig wäre, könnte man sich jeden Tag über Amazon auslassen. Da war am Montag die Meldung von der Eröffnung von Amazon Go. Der kassenlose Convenience Store wurde bereits vor über einem Jahr angekündigt, das Opening aus technischen Gründen aber immer wieder verschoben. Einerseits ist es ja irgendwie beruhigend, dass selbst ein Tech-Gigant bisweilen mit der Technik kämpft. Andererseits dürften die Karriereperspektiven für Supermarkt-Kassierer seit dieser Woche nicht besser geworden sein.
Dass sich auch die Modeleute warm anziehen müssen, hat sich ebenso herumgesprochen. Nach einer ebenfalls am Montag veröffentlichten Studie hat mehr als jeder zweite US-Verbraucher in den vergangenen sechs Monaten bei Amazon Mode gekauft. Die Autoren haben ausgerechnet, dass in 2017 Bekleidung für 28 Milliarden Dollar bei Amazon.com verkauft wurde. Und wenn es nur die Hälfte wäre, es wäre allerhand. Knapp 15,6 Milliarden Euro setzte der gesamte Onlinehandel in Deutschland mit Bekleidung und Schuhen im Jahr 2017 um. Das meldete der BEVH diesen Montag, ein Plus von 6 Prozent, was unterdurchschnittlich ist und – so die TW – auf eine Sättigung hinweise. Abwarten.
Das Amazon-Sortiment ist so breit, da verliert man vor lauter Big Data schon mal die Übersicht. So musste Amazon vorgestern mal wieder Artikel auslisten. Die T‑Shirts und Handyhüllen mit dem Aufdruck "Slavery gets shit done“ (in etwa: „Sklaverei kriegt Dinge erledigt“) hatten einen Shitstorm ausgelöst. Angeblich war das Zeug seit zwei Jahren auf dem Marktplatz erhältlich. Es hat sich bislang nur niemand darüber aufgeregt. Womöglich hat H&Ms coolest monkey die Sensibilität für Unkorrektes erhöht (Dass die Jungs von Dandy Diary den grünen Hoodie nachproduziert haben, dürfte den Schweden übrigens nicht gefallen). Also aufpassen bei Statement-Shirts, liebe Designer!
Über die militärischen Anforderungen in der Amazon-Logistik habe ich mich gestern ausgelassen. Ebenfalls gestern kam aus den USA die Nachricht, dass Amazon die Gebühren für seine Marktplatz-Partner anhebt. Auch nicht unbedingt eine vertrauensbildende Maßnahme.
Dafür erhält Jeff Bezos dieses Jahr, wie am Dienstag verkündet wurde, den Axel Springer Award. Dabei dürfte er sein Lebenswerk noch lange nicht abgeschlossen haben.
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Vorerst keinen Stich macht Amazon im Luxusmarkt. Da wird nach anderen Regeln gespielt, und es kommt auf das rechte Umfeld an. Louis Vuitton würde ja auch keinen Laden auf der Zeil oder der Mönckebergstraße eröffnen, selbst wenn dort die meiste Frequenz ist. Hinzu kommt, dass die Ubiquität des Internets dem Exklusivitätsversprechen der Luxury Brands zuwiderläuft. Das erklärt wenigstens zum Teil deren anfängliche Reserviertheit gegenüber dem Medium. Diese Zurückhaltung haben die Luxusmarken inzwischen weitgehend abgelegt. Zu groß sind die Chancen, Geschäft zu generieren. Und die Angst, in dem auf Hochtouren laufenden Verteilungskampf zu unterliegen.
Vor diesem Hintergrund ist das Übernahmeangebot von Richemont für YNAP zu sehen. Bis zu 2,7 Milliarden Euro will der Genfer Luxuskonzern für die Kontrollmehrheit auf den Tisch legen. Es geht um den Zugang zum Luxuskunden, den man bei Richemont offenbar über den reichweitenstarken Multilabelanbieter besser zu erreichen glaubt als allein über den Aufbau eigener Kanäle für die diversen Brands der Gruppe (darunter Cartier, Montblanc, Chloé u.a.).
Net-a-Porter gehört zu den Pionieren des Luxury-E-tails. Durch die Fusion mit dem Luxusschnäppchen-Portal Yoox entstand der globale Marktführer. Der ist keinesfalls unangefochten. Multilabel-Anbieter wie Matches.com und Mytheresa.com wachsen schnell wie die Feuerwehr, und es tauchen immer wieder neue Player auf diesem Feld auf. So starten die Mytheresa-Gründer Susanne und Christoph Botschen demnächst ihr neues Online-Schuhgeschäft MarthaLouisa.com. Mit 24sevres ist ein ernstzunehmender Mitbewerber aufgetaucht, hinter dem mit LVMH de Nummer 1 im weltweiten Luxusmarkt mit all seinen Marken steht (und der gestern Rekordgewinne verkündete). Im Offprice-Markt sind Milliarden-Player wie Vente Privee unterwegs. Und Farfetch hat ein Marktplatzmodell etabliert, das nicht nur unabhängigen Boutiquen, sondern perspektivisch auch den Verticals der Brands eine Web-Heimat bietet. Die Luxusmarken-Lieferanten sind mit ihren eigenen Shops potenziell ohnehin der gefährlichste Gegner der Multilabel-Webstores. Das gilt online mehr noch als stationär.
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Und sonst?
.… sei auf die Veranstaltung im Rahmen der Munich Fabric Start hingewiesen: Am kommenden Mittwoch gibt Trendforscherin Li Edelkoort eine Private Lecture mit bislang unveröffentlichten Inhalten und Ausblicken auf die Saison Fall/Winter 2019/20. Veranstaltungsort ist die BMW-Welt. Alle Details dazu und Anmeldung hier.
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