Immerhin, die Politik hat das Problem erkannt, das ja nicht erst seit Corona existiert, aber wie so vieles durch die Pandemie beschleunigt wurde: Die Regierung schickt sich an, den Verfall der Innenstädte aufzuhalten. Der Runde Tisch, der diesen Dienstag auf Einladung des Wirtschaftsministers tagte, sollte der Startschuss zur „Gegenoffensive“ sein. „Wir wollen dem Eindruck entgegenwirken, dass der Einzelhandel seine besten Tage hinter sich hat“, so Peter Altmaier. Ziel der Veranstaltung sei es gewesen, „ein Handlungskonzept zu erstellen, das die Ziele definiert, das die Strategien festlegt, das die Instrumente konkretisiert, und das die erforderlichen Mittel bereitstellt, die wir brauchen.“ So weit, so wolkig.
Bis Mitte kommenden Jahres soll der Instrumentenkoffer gepackt sein. Es steht zu befürchten, dass ihn viele Kaufleute dann nicht mehr brauchen werden. Ende dieses Jahres läuft die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht aus, und die milliardenschweren Überbrückungshilfen sind im Einzelfall häufig auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Konkret diskutierte Maßnahmen wie etwa eine Liberalisierung der Sonntagsöffnung kann der Wirtschaftsminister nicht beschließen, weil Regierungspartner SPD dagegen ist und die Zuständigkeit sowieso bei den Ländern liegt. Und bei dem Vorschlag, das Weihnachtsgeld vorzuziehen, hat der Einzelhandel selbst abgewunken. Denn das Problem ist ja nicht, dass die Leute kein Geld haben, sondern, dass sie es nicht – oder dass sie es online ausgeben. So war die Berliner Veranstaltung in erster Linie eine Beruhigungspille für die um ihre Existenz bangenden Kaufleute. Altmaiers zentrale Message: „Wir lassen die Einzelhändler nicht im Stich.“
Auf die Politik sollten die Unternehmen indes nicht warten. Diese setzt lediglich die Rahmenbedingungen, auf nationaler wie auf lokaler Ebene. Das ist wichtig, und natürlich sollten die Interessenvertreter Einfluss nehmen, wo das möglich ist. Dass beispielsweise große Internet-Konzerne ihre in Deutschland erwirtschafteten Gewinne in Steueroasen verlagern, während bei Gerda’s Modelädchen gnadenlos die Gewerbesteuer eingetrieben wird und Gerda 30.000 Euro Stellplatzabgabe zahlen muss, ist eine krasse Wettbewerbsverzerrung. Zugleich sollte der Staat nicht Wirtschaftsbereiche künstlich am Leben halten. Es reicht, dass die Gesellschaft Bauern und Bergleute durchfüttern muss.
Am Ende müssen es die Unternehmen deshalb selbst regeln. Gerade lokale Fachhändler sind mit ihrer buchstäblichen Kundennähe in keiner schlechten Ausgangposition. Unter dem Eindruck der Corona-Krise haben viele ihre Ladentheke ins Internet verlängert, die davor nicht so recht die Notwendigkeit fürs Omnichanneling gesehen haben. Ein Kraftakt. Denn die erforderlichen Investitionen sind noch schwerer zu stemmen, wenn das stationäre Stammgeschäft lahmt. Auch der Citymanager allein kann es nicht richten. Das beste Stadtmarketing ist immer noch, wenn jeder Einzelne für ein möglichst attraktives Angebot sorgt.
Bei Altmaiers Rundem Tisch waren übrigens Vertreter von Google, Zalando und Ebay dabei. Ob das die richtigen Entwicklungshelfer für die Stationären sind? Galeria Karstadt Kaufhof als wichtiger City-Player war, wie es aussieht, nicht vertreten. Der Konzern ist zurzeit damit beschäftigt, drei Dutzend seiner Häuser zu schließen. Früher, als Warenhausfürsten wie Walter Deuss oder Lovro Mandac der Politik als die Gesichter des Einzelhandels galten, wäre eine Einladung des Wirtschaftsministers selbstverständlich gewesen. Für das Missmanagement von 30 Jahren bezieht Investor Rene Benko jetzt die Prügel; in Düsseldorf zerschlugen GKK-Beschäftigte eine Benko-Pappfigur. Im Karneval wird die ja nun keine Verwendung mehr finden.