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About Zalando

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Jür­gen Mül­ler

„The Eagle has lan­ded“ hat­te Tarek Mül­ler zum Launch von About You get­wit­tert. Die Anspie­lung auf die Mond­lan­dung von Apol­lo 11 war tref­fend. Damals ver­folg­te man in der Tech-Sze­ne noch moonshot pro­jects. Heu­te, wo ande­re ihre Vor­ha­ben D‑Day nen­nen, denkt man bei dem Spruch eher an die gleich­na­mi­ge Kriegs­ac­tion­s­chmon­zet­te. Zumin­dest wenn man schon in den 70ern vor dem Fern­se­her saß. Aber das ist ein ande­res The­ma…

About You war ein ambi­tio­nier­tes Pro­jekt. Der Otto-Kon­zern woll­te mit der Neu­grün­dung sei­ne Fähig­keit zur Inno­va­ti­on demons­trie­ren. Es ging dar­um, ein zwei­tes Zalan­do zu eta­blie­ren, das damals, fünf Jah­re nach dem Start bereits 1,8 Mil­li­ar­den Euro ver­buch­te. Und es war das Gesel­len­stück des Grün­de­ren­kels Ben­ja­min Otto. Der 49jährige wird im Früh­jahr 2026 den Vor­sitz des Stif­tungs- und Gesell­schaf­ter­rats von sei­nem Vater über­neh­men und damit end­gül­tig sei­nen Meis­ter­brief erhal­ten.

In zehn Jah­ren wuchs About You auf zuletzt 1,9 Mil­li­ar­den Euro. Zalan­do hat sei­nen Umsatz seit­her auf über 10 Mil­li­ar­den mehr als ver­fünf­facht. Anders als die Ber­li­ner, die seit dem Bör­sen­gang regel­mä­ßig Gewin­ne schrei­ben, ist About You aus den roten Zah­len nie wirk­lich her­aus­ge­kom­men. Selbst im Coro­na-Boom blieb das Unter­neh­men ein teu­res Zuschuss­ge­schäft.

Ent­spre­chend hat sich die Aktie ent­wi­ckelt. Am Diens­tag­abend kos­te­te sie 3,92 Euro und lag damit mei­len­weit unter dem Aus­ga­be­preis von 2021 (über 23 Euro). Wäh­rend E‑Com­mer­ce-Play­er wie Ama­zon und auch Zalan­do in den ver­gan­ge­nen zwölf Mona­ten um mehr als 60% stie­gen, ist About You zwei­stel­lig abge­sackt. Am Mitt­woch sprang der Kurs dann auf den in Aus­sicht gestell­ten Kauf­preis von 6,50 Euro. Zalan­do stürz­te dage­gen erst­mal ab, um sich anschlie­ßend schnell wie­der zu erho­len. Die Ber­li­ner zah­len die 1,1 Mil­li­ar­den aus der Por­to­kas­se.

Die Groß­ak­tio­nä­re von About You – die Otto Group, die Fami­lie Otto, Heart­land sowie das Manage­ment – wer­den wis­sen, ob es ein guter Deal ist. Offen­kun­dig bewer­te­ten sie die Chan­ce, mit About You in abseh­ba­rer Zeit eine 65%-Wertsteigerung zu rea­li­sie­ren, als nicht sehr wahr­schein­lich. Otto, so war ges­tern zu lesen, spült der Ver­kauf 400 Mil­lio­nen in die Kas­se. Ein ordent­li­cher Trost­preis.

Trei­ben­de Kraft hin­ter dem Deal war mög­li­cher­wei­se Heart­land, die Hol­ding­ge­sell­schaft von Anders Holch Povlsen. Der Best­sel­ler-Inha­ber ord­net zur Zeit sei­ne E‑Com­mer­ce-Betei­li­gun­gen. Povlsen ist zugleich mit rund 10% Groß­ak­tio­när bei Zalan­do. Und er hält maß­geb­li­che Antei­le an Asos. Der bri­ti­sche Online­händ­ler hat zur­zeit eben­falls zu kämp­fen; zuletzt mach­te der Ver­kauf der Top­shop- und Top­man-Mehr­heit an Heart­land Schlag­zei­len, der den Bri­ten 135 Mil­lio­nen Pfund ein­ge­bracht hat. So ist die About You-Über­nah­me womög­lich nur der nächs­te Akt bei der vor­an­schrei­ten­den Kon­so­li­die­rung der euro­päi­schen E‑Com-Sze­ne. In den ver­gan­ge­nen zwölf Mona­ten sind mit Far­fetch (an Cou­pang), Matches (an Frasers) und YNAP (an Mythe­re­sa) drei gro­ße Play­er über­nom­men wor­den.

Für die Markenindustrie ist die Übernahme nicht unbedingt eine gute Nachricht. Künftig wird der Key Account Zalando noch mächtiger.

Wie geht es jetzt wei­ter für Zalan­do und About You?

Wie bei sol­chen Deals üblich, wer­den Syn­er­gien in Aus­sicht gestellt. Auf lang­fris­tig rund 100 Mil­lio­nen wird das Poten­zi­al taxiert. So eine Zahl ist schnell hin­ge­schrie­ben und kaum über­prüf­bar. Der neue Kon­zern soll bis 2028 eine durch­schnitt­li­che jähr­li­che Wachs­tums­ra­te von 5 bis 10% sowohl beim GMV als auch beim Umsatz errei­chen und eine berei­nig­te Ebit-Mar­ge von 6 bis 8% erwirt­schaf­ten.

Syn­er­gien heben heißt in der Regel Stel­len abbau­en. Ins­be­son­de­re in Ham­burg, in der Logis­tik aber auch für man­che Funk­tio­nen in Ber­lin und anders­wo wer­den Mit­ar­bei­ten­de um ihre Arbeits­plät­ze fürch­ten müs­sen. Die About You-Mit­grün­der Sebas­ti­an Betz, Tarek Mül­ler und Han­nes Wie­se wol­len angeb­lich an Bord blei­ben. Dar­auf soll­te man nicht wet­ten. Tarek Mül­ler hat­te immer mal wie­der öffent­lich­keits­wirk­sam mit einem Wech­sel in die Poli­tik gelieb­äu­gelt. Die nächs­te Bür­ger­schafts­wahl ist aller­dings schon in zwölf Wochen. Schlech­tes Timing.

Sinn macht das Zusam­men­ge­hen wohl im B2B-Bereich. About Yous Shop-Tech-Lösung Sca­le gilt als eine gute Ergän­zung zu Zalan­dos Full­fill­ment-Ser­vice ZEOS. "Ein ver­bor­ge­nes Juwel zum Schnäpp­chen­preis”, jubelt Ana­lys­tin Kers­tin Flo­rack-Abrom­at in der TW. Fun Fact: Künf­tig arbei­ten Otto-Ver­sen­der wie Witt oder Baur auf einem Betriebs­sys­tem, das Zalan­do gehört.

Für die Mar­ken­in­dus­trie ist die Über­nah­me nicht unbe­dingt eine gute Nach­richt. Zalan­do ist heu­te schon für vie­le der größ­te Kun­de. Künf­tig wird die­ser Key Account noch mäch­ti­ger. Ob eine Zwei-Mar­ken-Stra­te­gie aus Ber­li­ner Sicht mit­tel­fris­tig Sinn ergibt, wird sich zei­gen. So rich­tig klar sind die bei­den Anbie­ter zumin­dest aktu­ell am Markt nicht von­ein­an­der dif­fe­ren­ziert. Wahr­schein­lich ist zudem ein Delis­ting von About You.

Der Zalan­do-Kon­zern wird nach der Fusi­on ein grö­ße­res Stück aus dem euro­päi­schen 450 Mil­li­ar­den-Online­markt her­aus­bre­chen. Grö­ße ist gera­de im E‑Commerce ein Fak­tor. Zugleich darf sich das Unter­neh­men nicht zu lan­ge mit sich selbst beschäf­ti­gen. Dass die Inte­gra­ti­on schnell gelingt, wird ent­schei­dend sein.

Die Disruptoren des Stationär- und Versandhandels werden demnächst womöglich selbst disruptiert

Der E‑Commerce ver­än­dert sich zur­zeit extrem dyna­misch. Die Dis­rup­t­o­ren des Sta­tio­när- und Ver­sand­han­dels wer­den dem­nächst womög­lich selbst dis­rup­tiert. Mit Shein und Temu sind mäch­ti­ge Mit­be­wer­ber auf­ge­taucht, die sich in Win­des­ei­le in Zalan­dos Home Mar­ket eta­bliert haben. Die chi­ne­si­schen Anbie­ter grei­fen die hie­si­gen Mul­ti­la­bel-Händ­ler mit ihrem extrem preis­ag­gres­si­ven Manu­fac­tu­ring to Con­su­mer-Modell an. Die­ses ist den in wei­ten Tei­len nach wie vor klas­sisch han­deln­den Online Retail­ern poten­zi­ell über­le­gen. Mul­ti­la­bel-Sor­ti­men­te sind online ohne­hin einer maxi­ma­len Preis­trans­pa­renz aus­ge­setzt und damit ungleich schwie­ri­ger pro­fi­ta­bel zu ver­mark­ten als D2C-Brands. Unver­ges­sen Alex­an­der Grafs ätzen­der Ver­gleich von Zalan­do als Kar­stadt ohne Rolltep­pen.

In Sachen M2C  wer­den die Euro­pä­er auf lan­ge Sicht nicht kon­kur­renz­fä­hig sein. Wenn Shein und Temu ihre Reich­wei­te auch als Markt­platz für D2C-Brands ein­set­zen, wird es end­gül­tig gefähr­lich. Die Markt­plät­ze wer­den es auf Sicht zudem mit der Enter­tain­ment­ma­schi­ne Tik­Tok-Shop zu tun bekom­men, die die Auf­merk­sam­keit der Kon­su­men­ten über user gene­ra­ted con­tent bin­det. „Fusio­nie­ren zwei Fil­ter­wüs­ten und raus kommt Kun­den­zen­triert­heit?“ hat einer den Deal auf Lin­ke­dIn pas­send kom­men­tiert.

Last but not least dro­hen KI-Anwen­dun­gen wie Per­ple­xi­ty die Suche und Aus­wahl von Pro­duk­ten zu revo­lu­tio­nie­ren. Ste­fan Wen­zel hat das die­se Woche in pro­fa­shio­nals aus­ge­führt. Zu den Inves­to­ren hin­ter dem KI-Start­up gehört bekannt­lich Ama­zon-Grün­der Jeff Bezos. Er wird wis­sen war­um.

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