Sie sind ein Grenzgänger zwischen Fashion und Beauty, waren Produktmanager bei L’Oreal und Sales Director bei Estee Lauder, dann Vertriebschef bei Windsor und Deutschland-Chef von Wolford. Zuletzt waren Sie 15 Jahre Geschäftsführer bei Babor. Solche Karrieren sind immer noch selten, obwohl Fashion und Beauty doch viel miteinander zu tun haben.
Das stimmt. Es war damals tatsächlich ungewöhnlich, dass ein 29jähriger Excel-König von L‘Oreal in die Fashion-Branche zu Windsor wechselte. Der damalige CEO fand es spannend, einen Markenartikler in die Organisation zu holen, der vielleicht etwas analytischer an viele Themen rangeht als die vielfach eher intuitiv agierenden Vertriebler im Modebusiness.
Und ist es tatsächlich so?
Das waren in der Tat zwei Welten, was ich zugleich super-spannend fand. Ich musste feststellen, dass die Fashion-Leute stets ein bisschen neidisch waren auf die Beauty-Leute, die irgendwie strategischer unterwegs waren. Und die Kosmetik-Leute fanden die Fashion-Welt viel glamouröser und schneller und toller als ihr eigenes Business. Natürlich sind das auch Vorurteile. Ich fand tatsächlich die Geschwindigkeit im Modebusiness immer spannend. Gleichzeitig habe ich mir mit den Kreativen nicht immer leicht getan, die ja doch manchmal schwer einzufangen sind.
Zuletzt waren Sie dann doch in die Beauty zurückgekehrt. Warum sind Sie denn nun nach 15 Jahren bei Babor ausgestiegen. War Ihnen langweilig geworden?
Langweilig war es nie. Das war rückblickend sicher die schönste Zeit meines Berufslebens. Aber nach 15 Jahren war es Zeit für eine Veränderung. Ich wollte einfach noch einmal was Neues machen. Ich habe in meiner Babor-Zeit ein tolles Netzwerk in die Marken‑, Start-up- und Celebrity-Szene aufgebaut…
…das Sie nun unternehmerisch nutzen.
Genau. Meine Firma m4trinity ist ein ‚Beauty Accelerator Network‘. Dahinter steht ein globales Netzwerk von gut 100 Experten aus den unterschiedlichsten Feldern. Wenn jetzt jemand kommt und sagt: Ich möchte eine Marke aufbauen im Healthcare‑, Beauty- oder Wellness-Bereich, dann bringe ich die Menschen und Organisationen zusammen, die so etwas exekutieren können. Angefangen bei der Produktentwicklung über das Brand Building bis hin zum Vertrieb und der internationalen Expansion. Daneben investiere ich auch selbst in Start-ups, zusammen mit anderen Business Angels und Venture Capital-Gebern.
Was kann die Fashion-Branche von Beauty lernen? Was die Beauty-Welt von Fashion?
Ein großes Thema in der Beauty-Branche, das im Modebereich erst in den Anfängen steckt, ist sicherlich die Vermarktung von Celebrities. Das geht heute vielfach über Düfte hinaus und umfasst zunehmend auch den Skincare-Bereich. Was man früher nicht glaubwürdig fand, hat sich in den letzten Jahren komplett gedreht. Es gibt kaum eine Celebrity-Brand mehr, die nicht auch eine Skincare-Linie hätte, ob das nun Alicia Keys, Nicole Kidman oder Gwyneth Paltrow ist. Es ist erstaunlich, was der Markt da alles aufnimmt. Und dann kommen neuerdings auch noch Influencer dazu. Das ging mit Coops los, dann gab es vielleicht mal eine Capsule oder ein Co-Branding, inzwischen machen einige ihre eigene Linie als Private Label. Das funktioniert selbst hier in Deutschland in der Follower Top 10 wie Pamela Reif, Caro Daur oder NovaLanaLove.
Sind solche neuen Brands in der Beauty leichter aufzuziehen als in der Mode?
Ich denke schon. Du hast als Start-up im Beauty-Bereich zwar auch einen langen Vorlauf von etwa einem Jahr. Es ist aber mit wenigen Produkten darstellbar und somit nicht so investitionsintensiv mit dem Vorhalten aller Modelle und Konfektionsgrößen.
"Viele neue Brands starten heute zunächst D2C und online. Aber das reicht meiner Meinung nach nicht, um eine echte Marke aufzubauen. Als solche müssen Sie über kurz oder lang an unterschiedlichen Touchpoints präsent sein."
Die Modeindustrie ist eher zurückhaltend, was Influencer-Kollektionen angeht. Weil man nicht weiß, wie lange so ein Instagram-Star angesagt ist. Und weil man auch das Risiko scheut, sich an eine Person zu binden, die ja morgen schon out sein kann oder deren Lebensentwurf nicht mehr zum Marketingplan passt.
Vielleicht muss man sich von der Vorstellung verabschieden, dass eine solche Marke über Jahrzehnte gleich bleibt und sich nicht entwickelt. Die Zielgruppe entwickelt sich ja häufig mit. Nehmen Sie so ein innovatives Konzept wie Hello Body von Invicible Brands: Man nimmt ein paar tolle Influencer, macht ein qualitativ eher einfaches Produkt dazu und entwickelt ein Bundle mit Code. Dann funktioniert das zumindest eine Weile, zuletzt auch bei vielen TikTok Stars. Um langfristig erfolgreich zu sein, braucht es heute aber schon einen etwas nachhaltigeren Ansatz: einen authentischen Purpose, am besten auch ein bisschen tech-driven, dann hat das sehr viel mehr Langlebigkeit und USP. Auch Qualität und Performance der Produkte sind entscheidend, da sind die Endverbraucher heute total informiert. Die wissen am liebsten ganz genau, was drin ist. Naturnah und clean soll es heute sein und geichzeitig Performance bieten und eine angenehme Textur haben. Auch was das Packaging angeht, sind die Leute sensibler geworden: am liebsten natürlich ohne Cellophanierung, recyclefähig und so weiter. Mal so eben ein Beauty-Produkt auf den Markt zu werfen, das geht heute auch nicht mehr.
Ich habe vor Jahren mal einen Vortrag des damaligen Coty-CEOs gehört. Der sprach eine Stunde über Parfüms, über große Namen, ästhetisches Packaging und den attraktiven POS-Auftritt. Das Wort „Duft“ hat er kein einziges Mal in den Mund genommen. Als sei es egal, wie das Parfum riecht….
Bei Düften spielt der Name, der Flakon etc. sicherlich eine große Rolle. Aber auch hier sind artisanale Nischendüfte auf dem Vormarsch. Wenn es um Skincare geht, kommt es aber natürlich entscheidend auf die Inhaltsstoffe an. Zugleich sind die Margen bei Beauty tendenziell höher als bei Fashion, und der Spielraum für Marketingspendings ist damit größer. Die Herstellungskosten sind bei Kosmetik nicht ganz so hoch und das Sourcing ist grundsätzlich einfacher. Das kann man alles in Deutschland produzieren lassen. Im Gegenteil ist es sogar ein Asset, wenn das Produkt „Made in Germany“ ist.
Man hat den Eindruck, dass Nischen-Brands sich in der Beauty leichter tun als im Fashion-Bereich. Nimm solche Aufsteiger-Marken wie Barbara Sturm, Byredo oder Aesop. Wäre dieser schnelle Erfolg eigentlich auch in einer Offline-Welt möglich gewesen? Oder hängt das unmittelbar mit dem Online-Business zusammen, wo man mit großer Reichweite kleinere Zielgruppen ansprechen kann?
Das ist ganz klar so. Die Skalierungsmöglichkeiten sind online natürlich ungleich größer und die Vertriebskosten erstmal kleiner, als wenn du einen Streckenvertrieb mit Außendienst, Trainern etc. aufziehen musst, die den Fachhandel bereisen. Viele neue Brands starten deshalb zunächst D2C und online. Aber das reicht meiner Meinung nach nicht, um eine echte Marke aufzubauen. Als solche müssen Sie über kurz oder lang an unterschiedlichen Touchpoints präsent sein. Das ist bei Kosmetik nicht anders als bei Mode. Babor kommt auch aus dem reinen Instituts- und Hotel Spa-Kanal und hat in Deutschland inzwischen acht Kanäle aufgebaut, inklusive Travel Retail. Diese acht Kanäle miteinander zu verknüpfen und zu bespielen, ist die große Omnichannel-Kunst.
Haben die großen Marken Trends verschlafen und waren sie nicht innovativ genug? Oder muss das so sein, dass neue Brands von Independents auf den Markt gebracht werden?
Natürlich werden die sehr gechallenged von den jungen Angreifern. Aber unterschätzen Sie nicht die globale Power von L’Oreal & Co. Die wachsen hierzulande immer noch, verdienen das ganz große Geld aber in China. Dort boomt der Markt seit Jahren, und dort gibt es ebenfalls viele upcoming brands.
Die dann als Multi-Millionen-Brands irgendwann hierzulande aufpoppen?
Das sehe ich nicht. In China entwickeln sich domestic und KOL Brands. Aber zum Export von Chinese Life-Style reicht es sicher nicht. Das machen dann eher die Koreaner, ein super Beauty-affiner Markt mit den anspruchsvollsten Beautista-Konsumenten.
Viele Fashion Brands sind ja auch große Player auf dem Beauty-Feld. Braucht denn jede Marke auch ein Parfum?
Wer eine starke Marke macht, der wird gut daran tun, diese zu lizensieren. Nehmen Sie Philipp Plein. Den mag vielleicht nicht jeder, aber er ist global sicher eine der stärksten Modemarken deutscher Herkunft. Der lizensiert zurzeit extrem auch in Richtung Kosmetik und Düfte. Aber das Ganze hat auch Grenzen. Als ich bei Wolford war, gab es eine große Diskussion darüber, ob die Marke einen Duft braucht. Aber Wolford – das hat was mit Strumpfhosen und Füssen zu tun, also passt da eher kein Duft dazu.
"Formate wie Peek & Cloppenburg sollten überlegen, ob manche Häuser nicht spannender mit gut inszenierten und kuratierten Beauty-Abteilungen wären"
Derzeit tüfteln auch viele Modehändler an Beauty-Sortimenten. Engelhorn zum Beispiel oder auch Lodenfrey…
Ich bin ein großer Fan von Concept Stores. Wir haben auch mit Babor schon Aktionen im Modeumfeld gefahren. Das war spannend! Auch Formate wie Peek & Cloppenburg sollten überlegen, ob manche Häuser nicht spannender mit gut inszenierten und kuratierten Beauty-Abteilungen wären.
Wobei zu einem kompetenten Kosmetik-Sortiment ja schon ein bisschen mehr gehört als nur zwei Regale mit ein paar Düften drauf.
Klar. Es ist natürlich ein Balanceakt. Das sehen Sie auch bei H&M oder Zara. Die versuchen das ja mit Kosmetik. Das sieht häufig schick aus, aber ob das am Ende profitabel läuft, vermag ich nicht zu beurteilen.
Es ist vermutlich auch nicht trivial, als Händler in Deutschland mit einem Beauty-Sortiment Fuß zu fassen. Da gibt es mit Douglas schließlich einen dominanten Player, der seine Macht gegenüber der Industrie auszuspielen weiß. Auch Sephora brauchte zwei Anläufe. Und Zalando wird das bestimmt auch erfahren haben.
Das ist schon richtig. Ich denke, dass Zalando nach anfänglichen Schwierigkeiten inzwischen aber ordentlich performt. Es ist im Markt Platz für viele. Mytheresa ist wahrscheinlich der Nächste. Auch Amazon sollte man übrigens nicht unterschätzen. Das ist in Deutschland und weltweit einer der erfolgreichsten Beauty-Plattformen.
Wieviel Beauty geht in Deutschland über online?
So um die 15 bis 20% werden es insgesamt sein. Das Wachstum war in den vergangenen Jahren sehr stark. In den ersten Monaten dieses Jahres stagniert es weitgehend, und im stationären Bereich ist der Umsatz mangels Traffic weiterhin sehr schleppend. Möglicherweise wirken sich die Steigerungen der Lebenshaltungskosten durch die Corona-Krise und jetzt auch durch den Krieg in der Ukraine aus. Wir haben erstmals seit fünf Jahren die Situation, dass online nicht mehr zweistellig wächst.
Im Unterschied zu Mode ist Kosmetik doch sicherlich ein dankbares Versand-Produkt: kleine Verpackungen, geringere Retourenquoten…
Ja, die Retouren liegen in der Regel unter 5% mit Ausnahme von Teleshopping mit ca. 20 bis 30%. Das ist natürlich mit Mode nicht zu vergleichen.
Marktführer Douglas scheint die digitale Transformation super hinbekommen zu haben.
Douglas hat digital ordentlich Gas gegeben, sich aber auch im Sortiment und Auftritt fein entwickelt.
Werden Sie Aktien kaufen, wenn Douglas demnächst an die Börse geht?
Das sollte mal ein Thema für das vierte Quartal werden – mit nunmehr hoher Wahrscheinlichkeit auf Verschiebung angesichts des aktuellen Umfeldes. Ich bin grundsätzlich sehr risikofreudig, aber bei Aktion gibt es bei mir keine Einzeltitel und Spekulationen.