"Ich frage mich, wie man es als Chef eines totgesagten Formats auf die Rednerliste dieser Tagung schafft." Das Auditorium kannte die Antwort, und Stephan Fanderl kannte sie auch: Gerade weil Karstadt jahrelang am Abgrund stand, war man gespannt auf den ersten öffentlichen Auftritt des neuen CEO. Insofern war Fanderls Anmerkung kokett, zumal er dem GDI seine Zusage bereits vor Monaten gegeben hatte. Da war er ja vermutlich sicher, dass es Karstadt bis zum Herbst schaffen würde.
"Das Management hat selbst nicht mehr daran geglaubt", gab Fanderl offen zu. Und so bestand seine Therapie zunächst darin, die Veränderungsbereitschaft der Organisation zu wecken. "In der ersten Woche haben wir die Vorstandsetage in Essen geschlossen. Die Geschäftsführung sitzt jetzt im Großraum. Wir sind in den Maschinenraum des Unternehmens gegangen – in Vertrieb, Einkauf und Marketing."
Fanderl selbst stellte sich in etlichen Ortsbesuchen den Fragen und Anmerkungen der Mitarbeiter. Zu allem Überfluss habe man zwölf Streikwellen über sich ergehen lassen müssen. Drei Monate lang habe man über 100 Führungskräfte durch die Republik geschickt, um bestreikte Filialen offen zu halten, was bis auf drei Vormittagsstunden in Hamburg auch gelungen sei. "Das hat das Wir-Gefühl auf allen Ebenen gestärkt."
Insgesamt hat Karstadt nach Fanderls Antritt rund 20 Prozent der Stellen abgebaut, in der Essener Zentrale gar 40 Prozent, und sechs Führungsebenen abgeschafft. In den Filialen wurde ein neues Operations-Modell eingeführt, in vielen Filialen eine neue Kassenabwicklung und eine neue Personaleinsatzplanung implementiert, das Incentivierungssystem geändert und in Sortiment und Marketing eine neue Linie umgesetzt. "Es gibt jetzt keinen 'Wow-Sale' mehr, sondern wieder den guten, alten 'Schlussverkauf'." Unsere Prospekte tragen heute 8 bis 10 Prozent zum Umsatz bei, vor zwei Jahren waren es nur 2 Prozent."
Fanderl ließ durchaus Kritik an seinem Vorgänger Andrew Jennings anklingen. "Wenn Du die Sprache deines Kunden nicht sprichst, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, falsche Entscheidungen zu treffen. Unser Fehler war, die Mode in kurzer Zeit höher und jünger zu positionieren. wir haben die DOB mit einem fremden Markenteppich völlig zerpflückt und sind jetzt dabei, sie wieder neu zusammenzusetzen." Mit guten Ergebnissen, was die richtigen Signale in die Organisation gegeben habe, "denn mit der Performance dieser Abteilung steht und fällt der Erfolg im Warenhausgeschäft".
Die Rosskur hat sich nach Darstellung Fanderls gelohnt. Karstadt schreibe seit kurzem wieder schwarze Zahlen. Nur noch vier Häuser verzeichneten noch ein negatives EBITDA. 2015/16 rechne man mit einer EBITDA-Marge von 2,5%. 2017, spätestens 2018 eröffne man erstmals seit 30 Jahren in Berlin wieder ein neues Warenhaus.
Neulich sei ein Mitarbeiter auf ihn zugekommen. “’Wissen Sie, Herr Fanderl’, hat er gesagt, ‘ich habe seit Jahren keinem mehr erzählt, dass ich bei Karstadt arbeite. Heute habe ich kein Problem, aus dem Haus zu gehen und die Kachel am Revers zu lassen.’ Es macht richtig Spaß, wiederzubeleben, was verloren gegangen war.”