Windsor dob

Sicherheit statt Spaß?

Es gibt nicht wirklich viel neue Kaufanreize für modische Frauen. Umso wichtiger ist es, nach Highlights Ausschau zu halten.
Ds mueller portrait studio preview
Sabi­ne Spie­ler

Auf die Par­ty folgt der Kater. Nach­dem wir uns in den ver­gan­ge­nen Sai­sons mit Pail­let­te und Glit­zer den All­tag etwas gla­mou­rö­ser gemacht haben, als er tat­säch­lich war, kehrt sich die Mode jetzt ab vom Bling-Bling-Effekt und lan­det für die Ein­kaufs­run­de Herbst 2024 in der Rea­li­tät.

Auf Far­be und modi­sche Extra­va­ganz mit Pail­let­ten­ho­se zum Cash­me­re-Pull­over fol­gen nicht­far­bi­ge Hosen­an­zü­ge, graue Pull­over zur Jeans oder wei­ten Woll­ho­se. Kein Fir­le­fanz, son­dern Kon­zen­tra­ti­on aufs Pro­dukt mit wer­ti­gen Mate­ria­li­en und mul­ti­op­tio­na­len Ver­wen­dungs­mög­lich­kei­ten. Das Mot­to der Pra­da-Herbst­kol­lek­ti­on lau­tet: Rea­li­ty – und damit beweist die ita­lie­ni­sche Desi­gne­rin mit ihrem Co-Desi­gner Raf Simons wie­der ein­mal ihr Gespür für den Puls der Zeit.

Es ist ohne Fra­ge eine Sai­son der lei­sen Töne. Sicher­heit statt Spaß. Unauf­ge­regt­heit statt Show­time. Ver­nunft statt Risi­ko. Man merkt, dass die Lie­fe­ran­ten auf Num­mer Sicher gehen und ver­su­chen, einen Mehr­wert zu schaf­fen und – ganz wich­tig – das Gros der Teil ganz­jäh­rig ein­setz­bar zu machen. Die­se Ent­wick­lung passt sicher, dass Men­schen in schwie­ri­gen Zei­ten eher nach Beklei­dung suchen, die lang­le­bi­ger ist und ein gutes Preis-Leis­tungs­ver­hält­nis bie­tet. Ein Aspekt, der nach den Erfah­run­gen im letz­ten Herbst sicher sinn­voll ist.

Ängs­te, Unsi­cher­heit und die her­aus­for­dern­den gesell­schaft­li­chen und poli­ti­schen Rah­men­be­din­gun­gen wecken die Sehn­sucht nach guten alten Zei­ten mit ver­trau­ten Din­gen. Der pol­nisch-bri­ti­sche Sozio­lo­ge Zyg­munt Bau­mann spricht von Retro­pia, der glo­ba­len Epi­de­mie der Nost­al­gie.

Die­sem Bedürf­nis nach ver­trau­ten Din­gen ent­spricht die neue Herbst­mo­de. Ruhe und Rea­lis­mus bestim­men die Sai­son. Ver­trau­tes wie wei­te Hosen und Tail­oring gehen in die nächs­te Run­de. Woll­män­tel bekom­men mehr Gewicht. Bei den Ober­tei­len wird es etwas kör­per­nä­her und kür­zer, eine Ent­wick­lung, die der Erfah­rung geschul­det ist, dass kür­ze­re Tops als Pen­dant zu den wei­ten Hosen gefehlt haben. Röcke pro­fi­tie­ren von der geball­ten Lan­ge­wei­le beim Kleid. Gla­mour kommt nur noch wohl­do­siert in Form von Lurex oder leich­tem Schim­mer zum Ein­satz.

Kurz­um: Bestehen­de The­men wer­den wei­ter­ge­dreht, mit einem ins­ge­samt läs­si­ge­ren Tenor. Man könn­te auch pro­vo­kant sagen: Es gibt nicht wirk­lich viel neue Kauf­an­rei­ze für modi­sche Frau­en. Umso wich­ti­ger ist es, nach High­lights Aus­schau zu hal­ten – und einen Teil des Bud­gets viel­leicht für den ein oder ande­ren Schnell­schuss in Paris oder Bolo­gna zurück­zu­hal­ten.