Es wird für viele die heisseste Eröffnung des Jahres: Morgen startet Abercrombie & Fitch in Düsseldorf seine Deutschland-Expansion. An der Kö, nach wie vor die erste Adresse in der Stadt. Aber natürlich hat man sich auf der anderen Seite des Kanals, der die Straße teilt, eingemietet. Dort, wo Einzelhandel eigentlich nie so recht funktioniert hat. Bei Abercrombie liebt man solche Lagen. Auch in London war die Mainstream-Marke in einer Offsite-Location gestartet: in einem ehemaligen Bankgebäude an der Savile Row (Heritage!!!), wo Jil Sander zuvor gescheitert war (Tragedy!!!). Sich abseits der ausgetretenen Pfade zu bewegen, ist bei den Amerikanern bekanntlich in jeder Hinsicht Programm. Mit seiner radikalen Differenzierung vom gewohnten Kauferlebnis gelingt es Abercrombie & Fitch, seine letztlich banalen Produkte zu überhöhten Preisen zu verkaufen. Die A&F‑Stores übertragen das Konzept der Animier-Bar auf den Einzelhandel: Man geht rein, um sich anmachen zu lassen, und am Ende bezahlt man das Dreifache für ein Bier.
Seit Jahren hatten sich Expansionsleiter und Immobilienmakler zugeraunt, wo Abercrombie & Fitch angeblich seinen ersten deutschen Laden eröffnen wird. Mal war es München, dann Hamburg. Vor gut einem Jahr sickerte dann durch, dass die Amerikaner in Düsseldorf unterschrieben haben. Angeblich wurden für das deutsche Flagship 25 Mill. Euro verbaut. Eine Wahnsinnssumme für rund 2000 qm Verkaufsfläche.
Letzte Woche geisterten dann nach einem Pressetermin die ersten Waschbrettbäuche durchs Netz, die Abercrombie in Düsseldorfer Muckibuden rekrutiert hat. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass das Rheinland genauso Schlange stehen wird wie die Hessen bei der A&F‑Schwester Hollister in Frankfurt. Dort muss man selbst zwei Jahre nach der Eröffnung zu manchen Zeiten noch auf Eintritt warten. Auch in Düsseldorf werden die Kunden sich in einem stickigen, dunklen und lauten Laden drängen, mit den gut aussehenden "Store Models" schäkern und am Ende ihre überteuerten Shirts auf der Kö (natürlich auf der richtigen Seite!) spazierentragen. Bis sie realisieren, dass zu viele und vor allem die falschen Leute A&F tragen und Verknappung in Zeiten des Internets und der billigen USA-Flüge sowieso eine Illusion ist.
Abercrombie & Fitch sucht sein Wachstum in neuen Märkten, wo sich das Konzept – anders als im Heimmarkt – noch nicht totgelaufen hat. Das wird hierzulande genauso passieren, wenn das Sortiment so langweilig bleibt, wie es ist. Den Kollegen von Gap ging es nicht anders. Wozu immer wieder neue Shirts kaufen, auf denen ja doch nur die Buchstaben A und F variiert werden? Mit jedem neuen Standort wird die Faszination abnehmen. Dann werden frequenzarme B‑Lagen wie in Düsseldorf zum Problem. Und sich womöglich nur noch Store Models mit Schwimmringen finden lassen.
Aber bis dahin werden noch viele Jahre vergehen, und wenn die Amerikaner keine allzu groben Schnitzer bei der Expansion machen, werden sie sich in Europa eine goldene Nase verdienen. Für 2012 stehen bereits Openings in Hamburg und München fest. Und so ist Abercrombie & Fitch ein Musterbeispiel dafür, welche Macht Merchandising und Marketing entfalten können. Vermutlich bewundert die Branche das Unternehmen vor allem deshalb, weil ihr selbst der Mut für ein solches, radikal anderes Konzept fehlt.
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