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Hey Siems, kommen jetzt die Smart Glasses in Mode? Also diesmal wirklich?

Es gibt im Ame­ri­ka­ni­schen die etwas maka­ber anmu­ten­de Rede­wen­dung „to beat a dead hor­se“. Wer mag, kann sich bei Gele­gen­heit gern mal in die Ety­mo­lo­gie ver­tie­fen und dar­über schmun­zeln, dass die Tier­schutz­or­ga­ni­sa­ti­on PETA selbst bei die­ser Flos­kel blut­rot sieht. Beschrie­ben wird damit natür­lich die Unsin­nig­keit, einem aus­sichts­lo­sen Pro­jekt wei­ter­hin Auf­merk­sam­keit, Tat­kraft und Bud­get zu wid­men.

Dar­an muss­te ich bei der jüngs­ten Ankün­di­gung, dass Face­book-Mut­ter Meta nun gemein­sam mit Ray-Ban Smart Glas­ses auf den Gad­get­markt schmeisst, sofort den­ken. Ver­netz­te Bril­len mit adäqua­tem Stil­fak­tor, qua­si eine zier­li­che Ver­si­on der fast zeit­gleich lan­cier­ten, klo­bi­gen „Quest 3“-Sichtkästen. Deren Vor­gän­ger setz­ten, mun­kelt die Tech-Jour­nail­le, selbst bei den ear­ly adop­ters rasch Staub an. Also nach anfangs eupho­ri­schen Expe­ri­men­ten in künst­li­che Poly­gon­wel­ten, samt In-Schrän­ke-Lau­fen und dem Stol­pern über ver­schreck­te Haus­tie­re.

Trotz­dem glaubt Team Zucker­berg, dass sich das „tote Pferd“ Vir­tu­al Rea­li­ty in der rich­ti­gen Ver­pa­ckung und durch Mar­ke­ting­mil­lio­nen irgend­wann doch noch in einen blin­ken­de Dol­lars defä­kie­ren­den Gold­esel ver­wan­deln lässt. Not­falls eben über die Acces­soires-Abtei­lung. Nur, war­um eigent­lich?

Meta
Smart Ray-Ban von Meta: Dead hor­se?

Ich erin­ne­re mich noch gut an den sehr kurz­le­bi­gen Hype, den die Goog­le Glas­ses bei ihrem Lauf­steg-Debüt in New York 2012 aus­lös­ten. Ser­gey Brin, Co-Grün­der des Such­ma­schi­nen­kra­ken, und Wickel­kleid-Iko­ne Dia­ne von Fürs­ten­berg in der Front Row ihrer Show auf der New York Fashion Week. Auf der Nase alber­ne Sci­Fi-Gestel­le, mit denen kein Fiel­mann-Ver­käu­fer einen Kun­den ins Tages­licht ent­las­sen wür­de. Den­noch gab es Schlag­zei­len, die in die­sem Pro­jekt die Vor­stu­fe zum Cyborg sahen, im bun­ten gemus­ter­ten wrap dress. Der Nach­klapp die­ser Kol­la­bo­ra­ti­on nur zwei Jah­re spä­ter – exklu­siv erhält­lich auf Net-a-Porter.com – lös­te schon deut­lich weni­ger Medi­en­feed­back aus. Wie vie­le der High­tech-Visie­re über­haupt über The­ken und in Online­wa­ren­kör­be wan­der­ten? So geheim wie Net­flix-Ein­schalt­quo­ten.

Schon damals fand ich die Wahl von Dia­ne von Fuers­ten­berg selt­sam, bei aller Sym­pa­thie für die­se self-made woman. Zu frisch waren damals die Ein­drü­cke, die mein Besuch in ihrer Pari­ser Zim­mer­flucht hin­ter­las­sen hat­te, der eine Schmuck­kol­lek­ti­on für H. Stern zum Anlass hat­te. Beim Inter­view hock­ten wir auf der hoch­flo­ri­gen Aus­le­ge­wa­re – ich im unge­len­ken Schnei­der­sitz, sie bar­fuß, voll mäd­chen­haf­ter Anmut – und kram­ten in Juwe­len­pro­to­ty­pen her­um. Zwi­schen­drin frag­te eine Haus­häl­te­rin, ob wir etwas bräuch­ten. Nein, als fre­ne­ti­schen High­tech-Fan habe ich La Fürs­ten­berg nicht erlebt. Kei­ne Ahnung, ob sie die cle­ve­ren Fea­tures der Goog­le Glas­ses jemals aus­pro­biert hat. War­um auch. Sie ist DvF. Punkt.

Gut, wäre ich Ortho­pä­de, mir gefie­len die durch Smart Glas­ses even­tu­ell redu­zier­ten Nacken­schmer­zen vom andau­ern­den Glot­zen aufs Smart­phone-Dis­play. Das wird ja wohl in Tei­len auf die Mini­schei­ben gewor­fen, oder? Weni­ger Mas­sa­ge­re­zep­te und lee­re Tiger­bal­sam-Tie­gel also. Okay. Und dann der pro­ji­zier­ba­re Con­tent, der sich wie ein Pixel­schlei­er auf unser Bild der Wirk­lich­keit legen lässt – famos. Außer­halb von indus­tri­el­len Anwen­dungs­be­rei­chen, etwa im Flug­zeug­bau oder in der Ama­zon-Logis­tik, das ist mein Bauch­ge­fühl, lösen die klu­gen Bril­len kein real exis­tie­ren­des Pro­blem. Weder für Pri­vat­ver­wen­der noch für um ihren Pfad in die Zukunft ban­gen­de Social-Media-Gigan­ten.

Außer­dem fin­de ich, dass unse­re Welt ganz ohne zwei­te, drit­te oder fünf­te Daten­ebe­ne vor der Netz­haut längst kom­plex und ver­murkst genug ist. Eine grö­ße­re Detail­tie­fe der Mise­re brau­che, nein: will ich wahr­lich nicht. Sach­te Zwei­fel dürf­ten auch die­se Über­schrift in Busi­ness of Fashion inspi­riert haben, mit der das Bran­chen­me­di­um von dem Pro­jekt mit Ray-Ban berich­te­te: „Big Tech is Try­ing to Make Smart Glas­ses the Next Must-Own Device“. Hm, ja, net­ter Ver­such. Next.

Siemsluckwaldt
Siems Luck­waldt

Siems Luck­waldt ist seit rund 20 Jah­ren ein Exper­te für die Welt der schö­nen Din­ge und ein Ken­ner der Men­schen, die die­se Welt mög­lich machen. Ob in sei­nem aktu­el­len Job als Life­style Direc­tor von Capi­tal und Busi­ness Punk, für Luft­han­sa Exclu­si­ve, ROBB Report oder das Finan­cial Times-Sup­­p­­­le­­­­ment How To Spend It. Oder sei­nem eige­nen Medi­um Luxus­Pro­ble­me. Dort gibt es alle zwei Wochen sei­ne Sicht auf News und Trends der Bran­che, aufs moder­ne Arbeits­le­ben und Phä­no­me­ne der Pop­kul­tur. Hier geht es direkt zum Abo.

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