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Wer spät zur Party kommt, …

...muss besser tanzen können. Stefan Wenzel zieht ein paar Learnings aus der P&C-Insolvenz.
Stefan wenzel
Ste­fan Wen­zel

P&C Düs­sel­dorf mel­det Insol­venz in Eigen­ver­wal­tung an, und die Bran­che reagiert mit Schock und Über­ra­schung. Geschockt sind vor allem die Lie­fe­ran­ten, weil nach Gale­ria ein zwei­ter Groß­kun­de aus den guten, alten Zei­ten schwankt und man kei­ne Alter­na­ti­ven auf­ge­baut hat. Ver­wun­dert sind vor allem die Händ­ler, weil sie in P&C die Bench­mark für Mode­han­del nach alter Schu­le gese­hen haben.

Schock und Ver­wun­de­rung hilft aber nicht, die wesent­li­che Fra­ge ist doch: Was kann man dar­aus ler­nen? Hier drei Denk­feh­ler, die wahr­schein­lich wei­ter ver­brei­tet sind als es gut tut:

For­mat ver­sus Kun­din: Es geht um rele­van­te, betriebs­wirt­schaft­lich sinn­vol­le Kun­den­zu­gän­ge, nicht um For­ma­te oder Kanä­le. Wer die Logik dreht und mit dem For­mat (Laden) beginnt, muss an ande­rer Stel­le der Erd­an­zie­hung ein Schnipp­chen schla­gen. Bei 50% Brut­to-Mar­ge und 30% Miet­kos­ten vom Umsatz (als Fix­kos­ten) kommt mit rück­läu­fi­gen Fre­quen­zen und dadurch sin­ken­den Umsät­zen der Nie­der­gang des sta­tio­nä­ren For­mats von ganz allein. Die Stell­schrau­ben der Retail-Phy­sik sind bekannt: Bestands­kun­den-Traf­fic, Cap­tu­re- und Con­ver­si­on-Rate, Durch­schnitts-Bon, Brut­to-Mar­ge, Miete/Kosten. Sin­ken­de Fre­quen­zen und kei­nen Trick im Ärmel? Das Immer-so-wei­ter wird nicht funk­tio­nie­ren.

Digi­ta­li­sie­rung ver­sus Stra­te­gie: Sta­tio­nä­re Kon­zep­te konn­ten in der Prä-Inter­net-Zeit über Jahr­zehn­te funk­tio­nie­ren, weil das Ange­bot lokal begrenzt war und Kund:innen aus dem vor Ort Ver­füg­ba­ren sämt­li­che Kauf­ent­schei­dun­gen tref­fen muss­ten. Seit 25 Jah­ren ist das anders und es gibt heu­te im World Wide Web jeder­zeit und bei vol­ler Preis­trans­pa­renz wort­wört­lich alles. Des­halb reicht es nicht, sein auf loka­lem Gebiets­schutz basie­ren­des, aber ansons­ten über­all ver­füg­ba­res Ange­bot ins Netz zu stel­len. Es geht nicht um die Elek­tri­fi­zie­rung des Laden­lo­kals oder dar­um, end­lich einen Online-POS zu haben. Es geht statt des­sen um eine kon­tex­tu­al wett­be­werbs­fä­hi­ge Pro­po­si­ti­on. Und da sich im Netz der Kon­text ändert, muss auch die Pro­po­si­ti­on dar­auf ange­passt oder neu ent­wi­ckelt wer­den: die brei­tes­te Aus­wahl, die rele­van­tes­te Kura­ti­on, die span­nends­ten Ser­vices, die schnells­te Lie­fe­rung, der bes­te Preis – was auch immer es ist, es muss Wert stif­ten und in Abgren­zung zum Wett­be­werb im Netz bes­ser sein. Aus Sicht der Kund:in, nicht der Geschäfts­füh­rung. Und wem dazu nichts Über­zeu­gen­des ein­fällt, soll­te nicht in Tech­no­lo­gie inves­tie­ren, son­dern allem vor­an in die Pro­po­si­ti­on als Teil einer ehr­li­chen Stra­te­gie.

Stra­te­gie ver­sus Plan: Eine Stra­te­gie defi­niert das Spiel­feld und wie man dar­auf gewin­nen wird. Fashion für den geho­be­nen Main­stream ist als Spiel­feld ver­lo­ckend groß, allein die gro­ßen Gegen­spie­ler aus Ham­burg und Ber­lin haben sich dar­auf aber schon ordent­lich breit gemacht. Wer da gewin­nen oder auch nur halb­wegs ernst­haft mit­spie­len möch­te, muss eine Zah­lungs- und Wech­sel­be­reit­schaft bei den Kund:innen trig­gern. Das geht nur durch aus­rei­chend gro­ße Mehr­wer­te in Abgren­zung zu den Wett­be­wer­bern. Je spä­ter man zur Par­ty kommt, des­to bes­ser muss man eben tan­zen kön­nen. Die Ent­wick­lung einer eige­nen Tech­no­lo­gie für den Online-Shop und Click & Coll­ect, eine neue Bild-Spra­che, ein neu­es Logo oder eine neue Web-Adres­se – das alles sind dis­ku­ta­ble Plä­ne, sie defi­nie­ren aber eben nicht das Spiel­feld und wie man dar­auf gewinnt. Ohne eine ehr­li­che Stra­te­gie arbei­tet man zwangs­läu­fig am Ziel vor­bei, ver­brennt Res­sour­cen, Zeit und die Moti­va­ti­on der Teams. Weg­schau­en funk­tio­niert bei dem The­ma nicht, der Markt sorgt für Trans­pa­renz. So kom­pli­ziert, wie es klingt, ist es aber auch nicht. Ein­fach mal machen.

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6 Antworten zu “Wer spät zur Party kommt, …

  1. Erfri­schend kla­re Wor­te, vie­len Dank dafür. Man muss auch nicht 30 Jah­re bei P&C gear­bei­tet haben, um die Din­ge beim Namen zu nen­nen und die Lösung muss schon jeder für sich defi­nie­ren. Ich befürch­te nur, dass vie­le in unse­rer Bran­che das alles lei­der nicht wirk­lich ver­ste­hen und hof­fen, dass die alten Zei­ten wie­der zurück kom­men.

  2. Sau­be­re, sehr kla­re Ana­ly­se. Wenn man das so liest, befürch­tet man in der Tat wei­te­re Aus­fäl­le in unse­rer lei­der immer noch so wenig digi­ta­len Bran­che.

  3. Es ist schon lus­tig zu lesen, wer jetzt wie­der die Patent­lö­sun­gen für ein struk­tu­rel­les Pro­blem unse­rer Repu­blik und des Mark­tes – spe­zi­ell für Tex­ti­li­en parat hat.
    Die Nie­der­gang der Markt­mit­te ist schon lan­ge zu sehen und das Ster­ben von Ein­zel­han­del nicht an 3 Ver­säum­nis­sen auf­zu­ma­chen. Über­all gibt es Chan­cen und Händ­ler, die noch oder gera­de des­halb erfolg­reich sind. Scha­de nur, dass die­se Insol­venz oder das Schutz­schirm­ver­fah­ren vie­le Lie­fe­ran­ten mit in die Zah­lungs­un­fä­hig­keit rei­ßen und kei­nem mehr die Chan­ce zur Ver­än­de­rung las­sen wird.

  4. Das Fami­li­en­un­ter­neh­men P&C hat über Jahr­zehn­te sehr ordent­li­che Gewin­ne mit Hil­fe der Lie­fe­ran­ten erzielt.
    Und die­se Lie­fe­ran­ten wer­den jetzt wegen Manage­ment­feh­lern bei P&C um deren For­de­run­gen betro­gen.
    Das sind kei­ne ehr­ba­ren Kauf­leu­te!
    !!

  5. Das Fami­li­en­un­ter­neh­men P&C hat über Jahr­zehn­te sehr ordent­li­che Gewin­ne mit Hil­fe der Lie­fe­ran­ten erzielt.
    Und die­se Lie­fe­ran­ten wer­den jetzt wegen Manage­ment­feh­lern bei P&C um deren For­de­run­gen betro­gen.
    Das sind kei­ne ehr­ba­ren Kauf­leu­te!

  6. Sehr lesens­wer­ter Bei­trag, der die aktu­el­len Her­aus­for­de­run­gen und mög­li­che Hand­lungs­op­tio­nen für Händ­ler auf­zeigt.
    Der Fall P&C zeigt, dass auch frü­he­re „Platz­hir­sche“ nicht unan­tast­bar sind.

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