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Wir Retourenkönige

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Jür­gen Mül­ler

“Schrei vor Glück. Oder bring’s zurück.” Mit dem Wer­be­slo­gan-Klas­si­ker hat Zalan­do vor bald 15 Jah­ren den Markt auf­ge­mischt. Der Online Retail­er hat damit eine neue Kun­den­ge­ne­ra­ti­on für den guten alten Ver­sand­ein­kauf begeis­tert, den sie noch von ihren kata­log­schmö­kern­den Eltern und Groß­el­tern kann­ten. Das unver­bind­li­che Bestel­len und Zurück­schi­cken war bequem und attrak­tiv. Zeit­wei­se sol­len sich Freun­des­krei­se gar zu „Zalan­do-Par­ties“ getrof­fen haben.

Die Retou­re hat das Ber­li­ner Start­up indes nicht erfun­den. Das Wider­rufs­recht ist in Deutsch­land gesetz­lich ver­brieft. Es waren Ver­sand­häu­ser wie Otto, Quel­le und Necker­mann, die die Deut­schen über Jahr­zehn­te zu den Retou­ren­kö­ni­gen in Euro­pa erzo­gen haben. Mit Gra­tis­rück­sen­dun­gen, ana­log zum sta­tio­nä­ren Umtausch. Zalan­do hat die­sem Ver­spre­chen ledig­lich einen zeit­ge­mä­ßen Anstrich ver­passt.

Das dürf­te den Ver­sand­haus-Mana­gern sei­ner­zeit das eine oder ande­re graue Haar beschert haben. Denn Gewinn oder Ver­lust hän­gen in die­sem Geschäft nicht unwe­sent­lich von der Retou­ren­quo­te ab. Das unver­bind­li­che Bestel­len und Zurück­schi­cken der­art offen­siv zum USP zu erklä­ren wie Zalan­do, wäre Otto & Co indes eher nicht in den Sinn gekom­men.

Aber das inves­to­ren­ge­trie­be­ne Start­up konn­te auf sei­nem rasan­ten Wachs­tums­kurs buch­stäb­lich kei­ne Rück­sicht auf Ver­lus­te neh­men. Der Erfolg war bekannt­lich phä­no­me­nal. Das bör­sen­no­tier­te Zalan­do muss jetzt damit klar­kom­men, knapp ein Drit­tel der 440 Mil­lio­nen Mode-Retou­ren, die allein in Deutsch­land im Jahr anfal­len, gewinn­ver­träg­lich zu hän­deln.

Hin­zu kommt, dass Retou­ren heu­te nicht mehr nur Kos­ten­fak­tor sind, son­dern glei­cher­ma­ßen zum Prüf­stein für die Nach­hal­tig­keits­ver­spre­chen gewor­den sind, die sich die Unter­neh­men auf die Fah­ne geschrie­ben haben. Und da hat Zalan­do die­se Woche eine gewal­ti­ge „Retour­kut­sche“ kas­siert, wie die ZEIT dop­pel­deu­tig titelt. Ein Inves­ti­ga­tiv-Team von Flip, SWR und ZEIT weist in einer auf­se­hen­er­re­gen­den Repor­ta­ge detail­liert nach, dass Zalan­do in sei­nem Retou­ren­ma­nage­ment in punc­to Kli­ma­neu­tra­li­tät und Res­sour­cen­scho­nung weit hin­ter der offi­zi­el­len Selbst­dar­stel­lung zurück­bleibt. Die Recher­che liest sich plau­si­bel. Unab­hän­gig von den ein­zel­nen Fak­ten bleibt das Bild eines Unter­neh­mens, das sei­ne Kun­den täuscht und Green­wa­shing betreibt.

Normalerweise macht sich Otto Normalverbraucher ja keine Vorstellung davon, was er mit einer Rücksendung auslöst. Es steht zu befürchten, dass es ihm/ihr auch überwiegend egal ist.

Da haben Jour­na­lis­ten wie­der mal einem bösen Kon­zern vors Schien­bein getre­ten, der mit sei­nen Sus­taina­bi­li­ty-Reports halt glück­li­cher­wei­se auch jede Men­ge Ansatz­punk­te lie­fert, an denen er dann gemes­sen wer­den kann. Von einem Shein ist dage­gen kaum eine Tele­fon­num­mer her­aus­zu­be­kom­men. Aber die “Letz­te Gene­ra­ti­on” klebt sich ja auch lie­ber auf deut­sche Auto­bah­nen statt an chi­ne­si­sche Koh­le­kraft­wer­ke.

Das eigent­li­che Ver­dienst der Recher­che ist, ein Licht auf die Pra­xis des Retou­ren­ma­nage­ments gewor­fen zu haben. Nor­ma­ler­wei­se macht sich Otto Nor­mal­ver­brau­cher ja kei­ne Vor­stel­lung davon, was er mit einer Rück­sen­dung aus­löst. Es steht zu befürch­ten, dass es ihm/ihr auch über­wie­gend egal ist. Die Distanz­händ­ler inves­tie­ren des­halb mas­siv in Retou­ren­ver­mei­dung, von bes­se­ren Pro­dukt­be­schrei­bun­gen und detail­lier­te­ren Dar­stel­lun­gen bis hin zur Imple­men­tie­rung von Tools wie Fit­fin­der oder vir­tu­al dres­sing. Dass, wie Flip in “Zick­zack Zalan­do” her­aus­ge­fun­den hat, ein Baby­stramp­ler 7000 Kilo­me­ter kreuz und quer durch Euro­pas kut­schiert wird, lässt sich damit offen­sicht­lich trotz­dem nicht ver­hin­dern.

Wenn man Umwelt­schutz ernst nimmt, wird man des­we­gen über kurz oder lang um Retou­ren­ge­büh­ren nicht her­um kom­men. Das scheu­en die Ver­sand­händ­ler natür­lich wie der Teu­fel das Weih­was­ser, weil es mit hoher Wahr­schein­lich­keit zu weni­ger Käu­fen führt. Lie­ber kal­ku­liert man die Retou­ren­kos­ten mit ein, die dann von allen Kun­den mit­be­zahlt wer­den.

Des­we­gen muss da wohl der Gesetz­ge­ber ran. Auch gegen Plas­tik­tü­ten­ver­bot und Dosen­pfand ist der Ein­zel­han­del lan­ge Sturm gelau­fen. Heu­te schlep­pen die Leu­te ohne gro­ßes Mur­ren ihre Fla­schen in den Super­markt. Und die Unter­neh­men haben kos­ten­ver­träg­li­che Lösun­gen gefun­den.

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