Gundel

“Man muss nicht Weiß tragen, um als Feministin durchzugehen”

Politiker wären geradezu dumm, Outfits nicht für Botschaften zu nutzen, sagt Gundel Ekeldoort. Die Grande Dame der internationalen Trendforschung über Kamala Harris’ Look, Trumps Haare und Merkels Blazer.

Gun­del Ekel­doort, war­um reden nach Bidens Wahl­sieg nun alle nur noch über Kama­la Har­ris’ Out­fits?

Über Donald Trump haben wir lan­ge genug gere­det.

Der hat ja jetzt auf ein­mal wei­ße Haa­re.

Das habe ich auch gese­hen. Ver­mut­lich übt er schon mal für sei­ne neue Rol­le als Elder Sta­tes­man. Viel­leicht soll­te ihm mal jemand sagen, dass das nicht nur eine Fra­ge der Haar­far­be ist. Womög­lich ist ihm aber auch ein­fach nur das Tönungs­sham­poo aus­ge­gan­gen.

Haben Sie die Hoff­nung, dass mit dem Regie­rungs­wech­sel nun end­lich wie­der Stil ins Wei­ße Haus ein­zieht?

Ent­schei­den­der wird sein, dass Coro­na aus­zieht.

Jetzt mal im Ernst: Ihnen als Stil-Exper­tin muss das Auf­tre­ten der Trump-Coro­na doch ein Dorn im Auge gewe­sen sein.

Stil war auch unter Trump immer da. Nur hat der uns nicht gefal­len. Natür­lich ist auch Guc­ci letzt­lich Bad Tas­te. Aber halt gekonnt. Zugleich soll­ten wir uns nichts vor­ma­chen: Trumps Stil ist den USA mehr­heits­fä­hi­ger als der von Ales­san­dro Miche­le. Und ich muss zuge­ben, dass ich Mela­ni­as Weih­nachts­de­ko ein wenig ver­mis­sen wer­de… Apro­pos: Mela­nia erschien bei der Sie­ges­re­de ihres Man­nes vor vier Jah­ren übri­gens auch ganz in Weiß. Damals kam kei­ner auf die Idee, das wie bei Kama­la Har­ris als femi­nis­ti­sches State­ment zu deu­ten. Komisch, oder?

Dar­um geht es ja nicht. Ist es nicht sexis­tisch, dass bei Poli­ti­ke­rin­nen immer­zu die Optik the­ma­ti­siert wird, wäh­rend bei Män­nern die Inhal­te im Vor­der­grund ste­hen?

Sie mei­nen so wie bei Boris John­son der blon­de Wisch­mop und bei Jus­tin Tru­deau die bun­ten Socken? Das Fas­zi­nie­ren­de an Anton Hof­rei­ter sind auch nicht sei­ne Posi­tio­nen. Und wenn Robert Habeck sei­nen Schmacht­blick auf­setzt, hän­gen ihm die Wäh­le­rIn­nen an den Lip­pen, egal, was da raus­kommt.

"Sozialismus heißt ja nicht, dass alle arm sein müssen, sondern dass alle gleich reich werden können sollten"

Das heißt, Sie sind der Mei­nung, dass man Äußer­lich­kei­ten bei Poli­ti­kern igno­rie­ren soll­te?

Kei­nes­falls. Das wären ja dann chi­ne­si­sche Ver­hält­nis­se. Dort mer­ken sie vor lau­ter dunk­len Anzü­gen gar nicht, wenn plötz­lich ein ande­rer im Polit­bü­ro sitzt. Beklei­dung ist eine sozia­le Schnitt­stel­le. Gera­de Poli­ti­ker wären dumm, die­ses Medi­um nicht für Bot­schaf­ten zu nut­zen.

Was will uns die Bun­des­kanz­le­rin dann mit ihren immer glei­chen Bla­zer-Kom­bi­na­tio­nen sagen?

Das schmei­chelt der Figur, passt zu ihrer sach­li­chen Rhe­to­rik und wirkt bei ihr authen­tisch. Mer­kels Style ent­spricht der Erwar­tungs­hal­tung der Deut­schen an ihre Poli­ti­ker: Seri­ös und kor­rekt, unauf­fäl­lig bis lang­wei­lig und so etwas schein­bar Neben­säch­li­chem, wenn nicht gar Fri­vo­lem wie der Mode nicht zuviel Auf­merk­sam­keit schen­kend. Aller­dings soll­te man bei Mer­kel immer auf die Far­be ach­ten!

Bot­schaf­ten kön­nen aber auch dane­ben gehen. Wir erin­nern uns an das Brio­ni-Foto­shoo­ting von Ger­hard Schrö­der. Gera­de hat Alex­an­dria Oca­sio-Cor­tez sich in einem angeb­lich 15.000 Dol­lar teu­ren Desi­gner-Out­fit auf dem Titel der Vani­ty Fair abbil­den las­sen. Ziem­lich unsen­si­bel für eine Sozia­lis­tin, fin­den Sie nicht?

Sozia­lis­mus heißt ja nicht, dass alle arm sein müs­sen, son­dern dass alle gleich reich wer­den kön­nen soll­ten. Der Ame­ri­can Dream! Außer­dem ver­kauft sich der AOC-Titel so am Kiosk bestimmt bes­ser, als wenn sie die Schür­ze aus dem Taco-Diner getra­gen hät­te, in dem sie vor ihrer Polit­kar­rie­re als Kell­ne­rin gear­bei­tet hat.

Kama­la Har­ris erreich­te die Nach­richt vom Wahl­sieg Joe Bidens beim Jog­gen.

Ja. Und sie hat­te ein Film­team dabei…

Vor hun­dert Jah­ren haben die Suf­fra­get­ten für das Frau­en-Wahl­recht gekämpft. Jetzt hat es eine der ihren sogar ins Wei­ße Haus gebracht, so das Signal. Ist das nicht groß­ar­tig?

Man muss nicht Weiß tra­gen, um als Femi­nis­tin durch­zu­ge­hen. Schau­en Sie mich an!

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