Gundel

„Influencer sind die neuen Schaufensterfiguren“

Trendforscherin Gundel Ekeldoort über die Mode in Zeiten des Instagram-Wahns.

Gundel Ekeldoort, was ist dran am Influencer-Hype?

Das ist überhaupt nichts Neues.

Ach ja?

Einer der ersten Influencer war vermutlich Jesus.

Aber der hatte doch gar kein Internet!

Er hat es auch so auf Milliarden Follower gebracht. Da muss eine Bibi lange für stricken. Jesus reichten zwölf Jünger. Und als Medium ein schwer zu lesendes Buch. Mein Freund Steve Jobs, der 2000 Jahre nach Jesus einen ähnlichen Kult begründet hat, hätte es wahrscheinlich iBel genannt…

Jetzt mal im Ernst, Frau Ekeldoort!

Das ist mein voller Ernst! Influencer sind kein neues Phänomen. Mich beispielsweise gibt es ja nun auch schon ein paar Jahre.

Bekommen Sie denn ebenfalls Gratis-Klamotten von den Marken zugeschickt?

Ich bevorzuge Bares. Und es gibt immer auch eine Rechnung.

Das nenne ich ehrlich. 

Ich habe leider keine 34 mehr.

Ist es nicht bedenklich, wie sich diese willfährigen jungen Dinger von der Industrie vor den Karren spannen lassen?

Dass diese Insta-Nutten so die Preise verderben, tut mir leid für die Hochglanzpresse. Deren Bilanzen sind nun nicht mehr so glamourös wie das Image ihrer Magazine. Und die verehrten Kolleginnen werden von irgendwelchen dahergelaufenen, noch dazu ungelifteten Chicks von ihren Stammplätzen in der Front Row vertrieben. Die ultimative Demütigung! Tiefer kann man im Modezirkus nicht fallen.

Sie dramatisieren. Sind die Schauen in Zeiten von Live Streaming nicht sowieso ein überkommenes Ritual? 

Schätzchen… es geht in Paris und Mailand ja nicht ums Sehen. Sondern ums Gesehenwerden.

Sind Influencer womöglich sogar die neuen Modemacher?

Sie sind eher die neuen Schaufensterfiguren. Perfekt ist es natürlich, wenn Modemacher zugleich Influencer sind. Die 4,7 Millionen Instagram-Abonnenten von Olivier Rousteing waren bei der Balmain-Kooperation von H&M bestimmt eingepreist.

Auf der anderen Seite werfen Instagramer wie Sami Slimani und André Hamann eigene Kollektionen auf den Markt. Caro_e launcht mit Hunkemöller eine Wäschelinie. Chiara Ferragni hat sogar einen Laden in Mailand eröffnet, wo sie ihre Produkte verkauft. Und Bianca Heinicke von Bibis Beauty Palace ist mit ihrem Bilou-Shampoo zur Millionärin geworden.

Die Kids sind vielleicht blöd genug, sich Strawberry Cheesecake in die Haare zu schmieren. Aber Bibis Single „How it is“ war dann doch zuviel des Guten.

Dafür hätte sie singen können müssen. 

Das kann Grönemeier auch nicht. Substanz ist heute nur noch eine Illusion. Für mich ist Bibis gescheiterte Sangeskarriere lediglich ein Beleg dafür, dass ein Markentransfer seine Grenzen hat. Es geht, so absurd das bei Instagram-Inszenierungen erscheinen mag, um Authentizität. Der Fake muss stimmig bleiben. Aber zugegeben – mit "Bibis Pop Palace" hätte Heinicke wohl kaum eine solche Reichweite aufbauen können.

Suzy Menkes hat in einem vielzitierten Beitrag für die New York Times kritisiert, dass die Mode im Online-Zeitalter unter das Joch der Pöbelherrschaft geraten sei. Statt sachkundiger Analysen würden im Web nur Geschmacksurteile von ahnungslosen Laien kolportiert.

Da ist die Suzy aber einem Missverständnis aufgesessen. Es geht den Influencern ja nicht um Modekritik, sondern um Selbstdarstellung. Und auf der anderen Seite geht es der Zielgruppe um Identifikation und Styling-Tipps, nicht um intellektuelle Auseinandersetzung mit Mode. Das kann man arm finden. Aber wer Modekritik will, kann ja weiterhin die New York Times kaufen.

Trotzdem: Ist der Vormarsch der Amateure aus Sicht eines Profis wie Ihnen nicht beklagenswert?

Es ist nicht mehr zu ändern. Die Amateure haben es ja schon bis ins Weiße Haus gebracht. Wir sollten es positiv sehen: Jeder kann online raushauen, was er möchte.  Sie müssen weder einen Lektor bezirzen noch einem Chefredakteur morgens den Kaffee bringen. Fakt ist: Jeder Scheiss findet im Internet eine Zielgruppe. Sie müssen es ja nicht lesen.

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