Kürzlich stand ich wieder einmal vor einem Zeitschriften-Regal – in einem gut sortierten Spezialgeschäft, das sich ausschließlich auf Drucksachen im Bereich der Lebensart spezialisiert hat. Ich gebe – wie dieser Laden auch – die Hoffnung nicht auf, dass im Bereich der zeitgeistigen Printmedien noch nicht alles ausprobiert worden ist. Zwar bewegen sich die meisten Titel ins Netz oder werden eingestellt – doch es entsteht auch Neues, oft ohne große Maschine dahinter, aus Leidenschaft. So lasse ich einigermaßen hoffnungsfroh den Blick schweifen und scanne das Regal nach gedruckten Lebenshilfen für meinesgleichen: Männer mittleren Alters, vielseitig interessiert und offen für Neues.
Der Blick schweift und schweift – und bleibt nirgends hängen. Hmm… erkenne ich irgendetwas nicht? An Auswahl fehlt es zwar nicht: Zu den Klassikern gehören «L’Uomo», der maskuline Ableger der «Vogue Italia» (gibt es offenbar immer noch); «Arena Homme Plus»; das englische «i‑D» (ein Leben lang jung) oder das französische «Numéro Homme» (très blasé). Neuere Produkte sind das englische «Port» (huch, verflixt viel Text), «Man about town», «V‑Man», Matt Hraneks «WM Brown», «Wonderland», «Dapper Dan» des Stilgurus Daniel Day oder das clevere «L’Etiquette» aus Paris, das sich etwas klassischer als die meisten gibt. Hier versucht man, sich auf eine moderne Weise dem alten Kanon der Eleganz zu nähern – nice try!
Ich blättere in diesem oder jenem Magazin und sehe im ersten Drittel der Magazine, die ich in die Hand nehme, in fast gleicher Reihenfolge die Anzeigen der üblichen Luxusmarken – aktuell Gucci, Prada, Dior, Louis Vuitton, Saint Laurent, Bottega Veneta, Burberry, Dunhill oder Hermès. Man wird den Verdacht nicht los, dass diese Hefte inzwischen für Anzeigentreibende wichtiger sind als für die Leser. Interessant auch: Deutschsprachige Angebote für Männer gibt es kaum – abgesehen von den gängigen Mainstreamtiteln («GQ», «Esquire», «Men’s Health») und der «Heritage Post», dem Magazin zum gleichnamigen Laden in Düsseldorf.
Mir wird auch klar: Was ich anfasse, sind fast alles Magazine von Modemenschen für ebensolche. Stylisten-Pornos, fürs Portfolio fotografiert. Weiterführende Interessen als Klamotten scheinen die Männer, die diese Hefte machen, nicht zu haben. Und vieles davon wirkt sehr speziell subkulturell. Der früher arg normative Fächer der Geschlechter wurde in den vergangenen Jahren großzügig erweitert – gay, trans, bi, inbetween, whatever … gut so! Doch für mich, den gewöhnlichen Hetero-Mann mittleren Alters, gibt es fast nix mehr. Mein Lebensmodell scheint aus der Mode gekommen. Publikationen, die andere Register als das der Mode ziehen – etwa jene von Musik, Wohnen, Design, Architektur, Kunst oder Autos –, sind rar geworden. Nur Uhren kommen fast überall vor – ist ja auch ein wichtiges Anzeigen-Segment.
Um den Laden nach all dem Blättern und Suchen nicht mit leeren Händen zu verlassen, kaufe ich mir schließlich «Fantastic Man», ein 2005 in Amsterdam von den beiden «Butt»-Gründern Jop van Bennekom und Gert Jonkers gegründetes Lifestyle-Magazin für Männer. Es erscheint inzwischen noch halbjährlich. Vom Format her weicht das Magazin von der Norm ab: Statt im etwa DIN-A4-grossen Normformat ist «Fantastic Man» quadratisch (28,4 x 28,4 cm). In der Hand liegt das Quadrat nicht besonders gut – besser also, man legt das Heft vor sich auf den Tisch.
Was ich an «Fantastic Man» aber schätze: Das Leitmotiv, das einen anspringt, irritiert und schließlich viele Fenster in Welten öffnet, die man noch nicht kannte. Die aktuelle Nummer steht ganz im Zeichen des Haars. Das ist für Lifestyle-Medien zwar einigermaßen naheliegend, aber dennoch ungewöhnlich, weil sich traditionellerweise zwar die Frauentitel den Frisuren widmen, das Haupthaar in der Männerwelt aber eher eine Nebenrolle spielt. Vielleicht auch, weil es den meisten Männern ab 40 abhanden kommt?
Nicht alle Frisuren, die «Fantastic Man» auf den 256 Seiten vorschlägt, möchte man selber ausprobieren – aber so ist es auch nicht gedacht. Vielmehr geht es den Machern darum, das Thema aufzufächern, durchzudeklinieren und bis in entlegene Winkel auszuleuchten. Und genau das macht ein gutes Printprodukt in Zeiten der kurzatmigen Instant-Medien doch aus: Das Magazin gönnt sich den Luxus, an einem Thema dran zu blieben. Dabei öffnen sich auch Schubladen, die man selbst nie aufgemacht hätte. Solche Drucksachen haben Substanz – weil sie den Horizont weiten. Ganz nebenbei sehe ich nun auch mein eigenes (Rest-)Haar mit neuen Augen.