Primark ist der neue Angstgegner des deutschen Textileinzelhandels. Preise wie Kik, aber modischer im Sortiment und bedeutend attraktiver in der Präsentation zieht der Bekleidungsdiscounter aus Irland nicht nur die an, die sich nichts anderes leisten können, sondern auch jene Kunden aus der Marktmitte, die sonst eher die Kunden von C&A und P&C sind. Das macht Primark dem Aldi ähnlicher, der Kik gerne wäre. Was Primark für den Wettbewerb so gefährlich macht, sind die riesigen Flächen. Die deutschen Läden sind zwischen 4800 qm (Dortmund) und 8800 qm (Hannover) groß. Wo die Iren aufschlagen, nehmen sie der Konkurrenz gleich spürbar Marktanteile ab. Ein Category Killer, im wahrsten Sinne des Wortes.
Primark hat echte "Wow"-Preise: Ein Siebener-Pack schwarze Socken für 1,50 Euro (ein Eröffnungsangebot, glaube ich). Ugg-Boots (natürlich keine originalen) für 10 Euro. 1a Thermo-Skiunterwäsche für 8,90 Euro. "Leder"-Handtaschen kosten zwischen 5 und 13 Euro. Jeans gibt es ab 11 Euro.
Wie geht das, Wolfgang Krogmann? Wir trafen den Nordeuropa-Chef vorgestern in Saarbrücken, wo Primark sein sechstes deutsches Geschäft eröffnete (Thomas Fedra fotografierte). Gestern folgte mit Verspätung in Essen das siebte. Europaweit werden es Ende des Jahres 232 Filialen sein.
"Primark hat zu 90 Prozent dieselben Lieferanten wie die Wettbewerber", sagt Krogmann, "wir kaufen zu denselben Preisen ein." Natürlich versucht man sich im Einkauf zu konzentrieren. So stammt 90 Prozent der Ware von nur 250 Lieferanten. Den Unterschied macht aber vor allem, was danach kommt. Primark ist Discount. Man kommt mit sehr niedrigen Kalkulationen aus. Eine extrem effiziente und schlanke Organisation und eine kostenoptimierte Logistik machen's möglich. "Wir lassen all das weg, wovon unsere Kunden nichts haben", sagt Krogmann. Unter anderem Werbung.
Die Läden sind keine Marmorpaläste, aber sie bieten alles, was die Kunden zum Einkaufen brauchen: schnelle Übersicht, ein klares Store-Layout, eine verständliche Präsentation nach Warengruppen und Stilgruppen. Nur Spiegel gibt es in dem Laden kaum. In Saarbrücken gibt es über das 5890 qm große Haus verteilt 65 Umkleiden und 70 (!) Kassen. Selbst wenn 50 Leute vor einem in der Schlange stehen, dauert es selten länger als fünf Minuten, bis der Kassiervorgang abgeschlossen ist. Kaum glaublich ist die Tatsache, dass Primark in Saarbrücken sage und schreibe 570 Mitarbeiter beschäftigt. Selbst auf Vollzeit umgerechnet dürften das dreimal mehr sein, als SinnLeffers zuvor in dem Haus eingesetzt hatte. Man zahle Tarif, sagt Krogmann, und man rechne stundenweise ab – was extrem flexibel sei und zugleich für die Mitarbeiter den Vorteil habe, dass sie jede Überstunde sofort erstattet bekämen.
Unfassbar erscheint, dass Primark bei all dem auch noch prächtig verdient: Im gerade abgelaufenen Geschäftsjahr setzte das Unternehmen gut 3 Mrd. Pfund um. 309 Mill. Pfund blieben als Gewinn übrig.
Primark nutzt seine vertikale Organisation für radikal zu Ende gedachten Discount. Dass das Einfallstor für ein solches Retail-Format so weit offen steht, hängt auch mit den exorbitant ausufernden Vertriebskosten im Modebusiness zusammen. Viel stärker als in den meisten anderen Einzelhandelsbranchen sind die Kalkulationen im Textileinzelhandel in den vergangenen Jahrzehnten in die Höhe geklettert. Bei Möbeln, bei weißer Ware und womöglich auch im Lebensmittelhandel war das umgekehrt. Der Wettbewerbsdruck im Modehandel ließ einen immer größeren Einsatz am POS und im Marketing angeraten erscheinen. Gespart wurde nur bei den Mitarbeitern. Manche Filialisten geben heute mehr Geld für Mieten als fürs Verkaufspersonal aus. Vielleicht konzentriert sich Primark einfach konsequenter als andere auf das Wesentliche.
Natürlich erregen die billigen Preise den Verdacht, dass Primark Sozial- und Umweltstandards eher lax handhabt. Das erklärt den Stellenwert, den dieses Thema in allen Veröffentlichungen von Primark einnimmt. Und natürlich spielte es auch in unserem Gespräch mit Primark-Direktorin Breege O'Donoghue eine Rolle, das wir für die übernächste TW-Ausgabe geführt haben.
Übrigens mein letztes Interview für die TextilWirtschaft.
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