Wenn Luxus-Konsum ein Hinweis auf Wohlstand und die Befindlichkeit der Menschen sein sollte, dann geht es der Welt blendend. Die Luxuskonzerne haben in den letzten Wochen jedenfalls glänzende Halbjahresergebnisse vorgelegt. Gestern Kering: Der Konzern hat seinen Umsatz in den ersten sechs Monaten um fast 34 Prozent und das operative Ergebnis um mehr als die Hälfte gesteigert. Gucci sei Dank. LVMH hat im selben Zeitraum 10 Prozent mehr umgesetzt und 41 Prozent mehr verdient. Hermès meldete mit 5 Prozent einen relativ schwachen Umsatzzuwachs, aber hey, das sind immer noch 140 Millionen mehr als im ersten Halbjahr 2017. Und bei Chanel war die eigentliche Sensation nicht das 11,5 Prozent-Plus, sondern dass Familie Wertheimer für 2017 zum ersten Mal überhaupt Zahlen publiziert hat: stolze 2,3 Milliarden Euro Gewinn bei 8,3 Milliarden Umsatz. Im Vorjahr waren Minus-Ergebnisse durchgesickert und es kamen sogar Übernahmegerüchte auf. Offenbar wollte die Familie solchem Schlechtgerede einen Riegel vorschieben.
Die hervorragende Konjunktur hat die Aktienkurse der Luxusanbieter in die Höhe schnellen lassen. Davon haben nicht nur LVMH (+25 Prozent seit Jahresbeginn) und Kering (+27 Prozent) profitiert, sondern auch Player wie Burberry (+18 Prozent) oder Prada (+38 Prozent), die vor Jahresfrist noch ziemlich angezählt schienen.
Insgesamt erwartet die Unternehmensberatung Bain in diesem Jahr ein Wachstum des weltweiten Luxusmarktes um 8 Prozent. Dabei gibt es zwei große Treiber: Zum einen die Nachfrage des wirtschaftlich boomenden China, wo die Bevölkerungsschicht, die reisen und sich Luxusprodukte leisten kann, immer breiter wird. Zweitens ist es einigen Brands sehr erfolgreich gelungen, neue, jüngere Zielgruppen anzusprechen – die sagenumwobenen Millennials, die über immer mehr Kaufkraft verfügen und zugleich ganz andere Konsumansprüche haben. Man muss nur mal durch die Luxury-Etagen der großen Department Stores in London oder Paris gehen; da wimmelt es von Streetwear und Sneakers, fast so wie in der Junge Mode-Abteilung. Diesen Zeitgeist ganz offensichtlich am besten getroffen hat Gucci. Unter Alessandro Michele und Marco Bizarri ist die Marke in nur drei Jahren von knapp 3,5 auf über 6,2 Milliarden Euro gewachsen. Bis 2020 will CEO Bizarri die 10 Milliarden-Umsatz-Schwelle überschreiten.
Gucci ist zugleich ein spannendes Experiment: Wieviel und wie schnelles Wachstum ist im Luxusmarkt machbar, ohne dass eine Marke langfristig Schaden nimmt? Die Erfahrung im Modebusiness lehrt: Je steiler es mit einer Marke nach oben geht, desto schneller geht es für gewöhnlich auch wieder abwärts. Und an Micheles instagramtauglichen Eklektizismus kann man sich schnell satt sehen. Im Übrigen dürfte das Grundgesetz des Luxuskonsums nach wie vor gelten, nachdem eine Marke umso begehrlicher ist, je weniger Menschen sie besitzen können.
Die alten Luxusmarken haben aus diesem Mechanismus zugleich einen Exklusivitätskult abgeleitet und den Zugang zu ihren Produkten künstlich knapp gehalten – angefangen bei den elitären Schauen, wo ein kleiner Kreis von Auserwählten sich um die Sitzplätze in der First Row balgt, über Anzeigen in teuren Hochglanzmagazinen, die nur in Privatarztpraxen ausliegen, bis hin zu den arroganten Verkäuferinnen in den auf Schwellenangst gebauten Boutiquen. Moderne Marken wie Gucci positionieren sich dagegen als Bestandteil der Popkultur und haben keine Berührungsängste mit niemandem. Dass ein Louis Vuitton sich mit Virgil Abloh einen Kreativen ins Boot holt, der mit dem eigentlichen Handwerk des Luxus-Täschners nichts zu tun hat, wäre bis vor Kurzem noch unvorstellbar gewesen. Was die Allgegenwart in sozialen Netzwerken und die ubiquitäre Verfügbarkeit im Internet mit einem Markenimage macht, ist noch nicht ausgemacht. Aber so lange es gelingt, die Preise so hoch zu halten, dass nur wenige sich einen Kauf leisten können, wird das Exklusivitätsversprechen Bestand haben.
Die Gefahr ist freilich, dass die Brands zu reinen Marketingvehikeln werden und die Konsumenten eines Tages nicht mehr bereit sein werden, mehr fürs Image und den vermeintlichen Distinktionsgewinn als für die tatsächliche Qualität der Ware zu bezahlen. Das wird Raum für neue Marken lassen, deren Glaubwürdigkeit zuallererst auf einem exzellenten Produkt basiert. Dafür wird eine informierte Kundschaft auch künftig Unsummen auszugeben bereit sein. Und das ist dann der echte Luxus.
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