Mit seiner Liebeserklärung an den Laden-Einzelhandel hat Jeroen van Rooijen einen Nerv getroffen. Allein auf Facebook ist der Text über 2000 Mal geteilt und gelikt und weit über 40.000 Mal gelesen worden. Selten hat ein Profashionals-Beitrag eine solche Resonanz erfahren. Es war ein Lovestorm – die Zustimmung lag geschätzt bei annähernd 100 Prozent.
Jeroen van Rooijen spricht den Lesern – darunter erkennbar vielen Einzelhändlern, die die Digitalisierung erschreckt und bedroht – aus der Seele. Und er schafft es, die Faszination und sinnliche Qualität, die Einkaufen im Laden für viele Menschen hat, prägnant in Worte zu fassen. Dass er nicht nur modebegeisterter Kunde ist, sondern als aktiver Einzelhändler auch das Geschäft kennt, verstärkt die Wucht seines Plädoyers. Der Applaus ist verdient. Das musste definitiv mal gesagt werden.
Die Frage ist, inwieweit das von Jeroen van Rooijen skizzierte Idealbild mit der Wirklichkeit des real existerenden Einzelhandels in Einklang zu bringen ist. Beinahe als Einziger hat es Sven Barthel gewagt, van Roojen zu widersprechen. Seine ellenlange Replik sei unbedingt zur Lektüre empfohlen. "So bequem wie Onlineshopping für den Kunden sein mag, so bequem scheint es für Einzelhändler, den schwarzen Peter für ihre Misere dem Onlinehandel zuzuschieben", schreibt Barthel. "Das reaktionäre Gejammer ist so versnobt und gestrig wie Stilregeln für den perfekten Gentleman. Die Zeiten ändern sich eben." Virtuelles und stationäres Einkaufen schlössen sich nicht aus. "Dass die mit der Etablierung des Internets einsetzende Demokratisierung der Mode (Design für alle) auch eine Demokratisierung des Handels (Waren an jedem Ort, zu jeder Zeit) nach sich gezogen hat, ist nur für diejenigen ein Ärgernis, die den neuen Anforderungen nicht gewachsen sind."
Sven Barthel hat sich vor etlichen Jahren übrigens mal auf ein Volontariat bei der TW beworben. Es war wohl ein Fehler, ihn nicht einzustellen.
In der Tat darf man nicht der Versuchung erliegen, das Internet als vorübergehendes Phänomen und Onlinehändler als Raubritter zu verunglimpfen. Davon wird es nicht weggehen. Das tut im Grunde auch Jeroen van Rooijen nicht, auch wenn er das entsprechende Vokabular auffährt. So groß die Zustimmung ausfällt – die Abstimmung mit den Füßen bzw. in diesem Fall mit den Händen weist in eine andere Richtung. Der Online-Modehandel wächst weiter, während stationär Marktanteile verliert. Die Web-Konkurrenz wächst nicht nur, weil das Angebot so groß, die Kunden so bequem und die Preise so günstig sind. Sondern auch, weil der stationäre Handel in vielen Fällen so schlecht ist. Dass sich zum Beispiel Curated Shopping im Internet durchsetzen konnte, spricht Bände. Früher hat Mama Papa den Anzug rausgelegt, heute ist es Julia von Outfittery. Und der Einzelhandel schaut zu. Dass ein Fachhändler wie P&C diesen Service in seinem Webshop gerade eingestellt hat, kommt einer Kapitulation gleich.
Kein Unternehmen kommt umhin, sich mit der Digitalisierung auseinanderzusetzen und eine eigene, individuelle Antwort auf diese Revolution von Wirtschaft und Gesellschaft zu finden. Die Digitalisierung ist weit mehr als Online-Vertrieb. Ein Vogel Strauß-Verhalten führt da zum Erstickungstod.
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