Der Deutsche Handelskongress gestern, aus bekannten Gründen erstmals nur digital. Und auch inhaltlich ging es vor allem um Corona:
HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth: „Die Entwicklung im Modehandel – und das sage ich nicht häufig – macht mir Angst.“
Wirtschaftsweiser Lars Feld: „Wir sind in der wirtschaftlich schwierigsten Situation seit dem Zweiten Weltkrieg. Das Vorkrisenniveau dürfte nicht vor Anfang 2022 erreicht werden. Wirkungsvoller als eine Verlängerung der Mehrwertsteuersenkung wäre für die Unternehmen das Instrument des Verlustrücktrags.“
„Noch nie habe ich so eine Krise erlebt“, sagt Michael Otto: „Das wird die Welt des Handels nachhaltig verändern.“ Insbesondere um die Innenstädte macht der Unternehmer sich Sorgen. Diese müssten familienfreundlicher und lebenswerter werden und mit neuen Wohnmöglichkeiten, einem Ausbau der Verkehrsmittel, Unterhaltung und Kultur die Bedürfnisse von Alt und Jung bedienen. „Meine Vision einer deutschen Innenstadt ist die einer italienischen Piazza.“ Es gelte, diesen Transformationsprozess aktiv zu gestalten.
L&T‑Mitinhaber Mark Rauschen (im Gespräch mit Kai Hudetz, IfH) pflichtet Otto bei: „Es wird in den Innenstädten einen Ausleseprozess geben. Wo online immer besser wird, ist ein knackiges Alternativangebot aus Kultur, Gastronomie und Einzelhandel die Aufgabe der Stunde.“
„Die Frequenzrückgänge sind von vielen Händlern aus eigener Kraft nicht mehr zu bewältigen“, so Josef Sanktjohanser. Der Handel brauche differenzierte Überbrückungshilfen, die auch ankommen, und er brauche ein Belastungsmoratorium, fordert der HDE-Präsident von der Politik. Riesen-Pakete zu schnüren, die nicht zur Verteilung kommen, das bringe nichts. Klar sei aber auch: „Der Staat kann auf Dauer keine Umsätze ersetzen.“
Wir brauchen in der aktuellen Situation keine neuen Belastungen, meint Timm Homann (Ernsting’s Family, oben, im Gespräch mit Raoul Roßmann und Florian Scholbeck von Aldi Nord): „Ein Arbeitsminister Heil, der sich hinstellt und 24 Tage Homeoffice fordert, der macht damit mehr kaputt, als er vorher gut gemacht hat.“
Gerry Weber-COO Angelika Schindler-Obenhaus (im Gespräch mit Kerstin Lehmann von EY Parthenon): „Nachhaltigkeit wird nach der Pandemie natürlich immer noch ein Thema sein. Aber die Unternehmen müssen sich das dann auch leisten können.“
„Unser nachhaltiger Ansatz hat uns gut durch die Krise gebracht“, so Antje von Dewitz (im Gespräch mit Dunja Hayali): Gewachsene Beziehungen und stabile Partnerschaften mit Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern. Das veränderte, bewusstere Konsumverhalten. Der Outdoor-Boom in Verbindung mit der seit längerem andauernden guten Firmenkonjunktur. Vaude liege aktuell 10 Prozent über Vorjahr, so von Dewitz.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier verspricht: „Wir setzen alles daran, dass der Einzelhandel weiter geöffnet bleiben kann.“